RE: Gute Götter und Ethik und Religion

#1 von Kolag_Hraban , 13.11.2015 22:22

Salü zusammen,

ich habe den armen Eberhard zitiert um meine abweichenden Gedanken zu Ethik und Götter noch einmal länger auszuführen.


Zitat von Bruder Eberhard


Dies ist wiederum ein Beleg dafür, den man bei den antiken Griechen und Römern immer wieder finden kann, bei den alten Wikingern aber nur andeutungsweise, nämlich dass die Göttinnen und die Götter grundsätzlich als GUT vorgestellt worden sind, und zwar völlig unabhängig von den ambivalenten Rollen, welche die Götter nicht nur in der Edda, sondern auch den griechischen Mythen einnehmen können. Im historischen Heidentum gab es von Anfang an eine klare, ethische und philosophische Unterscheidung zwischen Gut und Böse, die seit der Urzeit dermassen selbstverständlich war, dass das noch in der Edda gar nicht extra erwähnt zu werden brauchte. Den guten Menschen sind die Götter eher gnädig, nur den tugendhaften Theurgen gelingt der Aufstieg der Seele (Tugend war in der heidnischen Antike zwar nicht in der Mythologie, aber in der kultischen Praxis eine Grundeigenschaften der Götter) und die gastfreundlichen Menschen werden von Odhinn oder Zeus reich belohnt (siehe dazu die altgriechische Sage von Philemon und Baukis). Das aus dem germanischen Heidentum stammende Wort "Gott" ist etymologisch urverwandt mit "gut".



Ich habe ja an anderem Ort in diesem Forum schon einmal kurz angedeutet, dass ich ganz persönlich eine andere Auffassung vertrete. Ich bin kein Vielschreiber aber will das dann doch noch einmal länger ausführen.

Die alten Göttersagen und Geschichten sind zwar keine Bibel, teilen uns aber sehr wohl mit, wie die Altvorderen die Götter verstanden haben.
Sollten die Götter eine Ethik von uns erwarten, so müssten sie sich zwingend in den Mythen und Sagen im Handeln der Götter widerspiegeln.
Denn die Götter müssten dann uns mit Ihrem Handeln Vorbild sein.
Jeder der einmal versucht hat Menschen zu führen, stolpert unweigerlich über dieses Prinzip. Niemand sieht die Notwendigkeit ein, sich an Regeln zu halten, wenn der Chef tut was er will.
Auch dass es sich hier nicht um Menschen, sondern um Götter handelt, setzt dieses Prinzip nicht ausser Kraft.
Das Neue Testament btw, folgt diesem Prinzip. Jesus wird als Vorbild dargestellt, der das vorlebt was er von den Menschen erwartet.
In den Mythen gibt es sehr viele Beispiele, dass die Mythen nicht als Ethik gebende Grundlage taugen.
Da finden sich Eidbrüche (sogar des Tyr), Erpressung, Täuschung, Vergewaltigung, Untreue und Ehebruch der Götter.
Die Götter sind dort nicht gut, und belohnen auch nicht immer die Gütigen.oder Treuen.
Nach Walhall kommen nicht die Tugendhaften, und auch nicht die Besten, sondern einfach die, die mit dem Schwert in der Hand in der Schlacht sterben.
Weitere Beispiele gibt es einige. z.B in der Lokasenna
Letztlich würde es auch gar keinen Sinn machen, Lieder zu singen, und Geschichten über die Götter zu erzählen, wenn sie nicht dem Wesen der Götter entsprochen hätten, an die die Altvorderen glaubten.
Wie in einem anderem Beitrag geschrieben, habe ich als gängige ethymologische Ableitung "Gott von gut" nicht finden können sondern diese : https://de.wikipedia.org/wiki/Gott

Im Gegenzug gibt es auch keine schlechten Kräfte, und dementsprechend keinen Kampf zwischen gut und böse. (z.B. Götter gegen Riesen als gute und schlechte Kräfte)
Ein Gedankenbild, das mir dazu gefällt ist:
Die Götter stehen für Ordnung, die Riesen für Chaos.
Es braucht den Kampf dieser beiden Prinzipien damit Leben entstehen kann.
In reiner Ordnung würde nichts neues entstehen- keine Entwicklung und Evolution stattfinden. Alles wäre starr und immer gleich, und schön geordnet.
Reines Chaos dagegen bedeutet Zerstörung, Verwüstung und Tod, aber auch Bewegung.
Erst das Wechselspiel beider Kräfte bietet den Boden für Leben und Entwicklung, und das sich das Rad des Lebens drehen kann.

Ethik und Religion wie lässt sich das nun auflösen ?

Ethik und Religion sind in unserem heutigem Bewusstsein untrennbar verbunden, und wir glauben nach 2000 Jahren Monotheismus, das wäre schon immer so gewesen.
Jan Assmann (Altägyptologe und Autor von „Die mosaische Unterscheidung“) vertritt die Ansicht , dass diese Verbindung von Ethik und Religion erst mit dem Monotheismus entstand.
Was aber nicht heisst, dass es vor dem Monotheismus keine Ethik gab:

„Die Gerechtigkeit war längst vor dem Monotheismus in der Welt, denn ohne sie hätte menschliches Zusammenleben nicht funktioniert“.
„Die Menschen verlangen nach Recht, die Götter nach Opfergaben. Die Gerechtigkeit ist, ihrem Ursprung nach, etwas eher Profanes oder Säkulares. Religion und Ethik haben verschieden Wurzeln“
Nach Assmann ist diese Trennung von Ethik und Religion symptomatisch für den Polytheismus im Altertum.


Was ist es aber was unser Glaube von seinen Anhängern erwartet ?

Wir sind eine Naturreligion, was auch dadurch ausgedrückt wird, dass auch unsere Götter aus der Natur selbst entstanden sind.
Sie selbst stehen daher auch für das Naturprinzip an sich.
„Erkenne Dich selbst“ stand auf dem Orakel in Delphi. Ein Satz über den man schon alleine Bücher schreiben könnte, und den man sicher auch ganz verschieden auslegen kann.
Ich interpretiere ihn als Aufforderung seinen Platz zu finden und ihn auch auszufüllen. Nicht mehr sein wollen als man ist, aber auch nicht weniger. Sein Potential erkennen und entwickeln, aber nicht gegen die Prinzipien der Natur zu handeln.
Ergo sein Leben sinnvoll einbringen in das kosmische Gefüge.

Soweit vielleicht meine persönlichen Gedanken


Grüsse Kolag Hraban



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RE: Gute Götter und Ethik und Religion

#2 von Kerry , 14.11.2015 10:31

Ich empfinde es sehr ähnlich und bin froh es so klar formuliert zu finden. Um sicher zu sein, dass wir über das Gleiche reden erkläre ich kurz: unter "Ethik" verstehe ich eine Unterscheidung zwischen ein "gut" und ein "böse", wobei "Moralität" für mich eher um die Prinzipien von "Ordnung" und "Chaos" geht. Meine Lebenserfahrung hat mich dazu geführt "gut" und "böse" völlig zu verwerfen, denn sie haben sich für meine Zwecke als nutzlos erwiesen. Manchmal verlangt die Situation, dass man bis auf's Äusserste geht um zu gewinnen. Damit meine ich auch nicht im Sportclub oder so etwas. Wenn jemand z. B. mein Leben oder das meiner Familie bedrohen würde und ich eine Waffe in der Hand hätte (so sehr ich Schusswaffen auch hasse) und ich hätte drei Sekunden ein Leben zu retten, dann könnte man mir noch so oft sagen Gewalt sei schlecht und es interessiert mich nicht. Was sein muss muss sein. Ich denke das würde jedes Tier auch machen. Ich vermute es gibt nur unter Menschen solche, die in so einer Situation nicht bereit wären zu töten, wegen solchen Gedankenstrukturen.

Wenn ich mir jemanden vorstelle, dem ich es zutrauen würde das dynamische System, dass alles Leben ermöglicht, zu schützen, dann stelle ich mir jemanden vor, der sich nicht durch reine Gedankengänge davon abhalten lassen würde. Ich stelle mir jemanden vor, der bereit ist alles zu opfern, falls nötig auch die eigene Ehre, um das zu tun was getan werden muss. Solchen Personen traue ich aber auch zu, da sie zwangsläufig dafür weniger Hemmungen haben müssen, dass diese Hemmungslosigkeit sich auch in anderen Teilen ihrer Leben sich zeigen kann und meistens, um den menschlichen Definition von Tugenden gerecht zu werden, braucht man Hemmungen. Nicht jeder, der sich in einer Krise als nützlich erweist, ist ausserhalb davon als tugendhaft angesehen, doch seine Nützlichkeit ist oft wichtiger.

Im Gegensatz zu "gut" und "böse" habe ich "Ordnung" und "Chaos" oft nützlich gefunden. Sie sind oftmals viel konkreter und ermöglichen das Leben als Gesellschaft auch ohne die (für mich) weniger nützlichen Konzepte von "gut" und "böse". Wenn man mit anderen Menschen zusammenleben will, so braucht man nun einmal Gesetze. Wenn die meisten Menschen sie meistens befolgen, so ist ein Zusammenleben möglich. Dennoch gibt es das eine nicht ohne das andere und sie ergänzen sich. Manchmal braucht man auch in der Gesellschaft einen Umbruch. Manchmal gilt es aber auch sich zu erinnern wie es auch anders sein könnte. Ich denke jedes Mal an Loki, wenn ich wieder etwas von den "sacred clowns" (heilige Clowns?) höre, von denen es offenbar auch ausserhalb der USA ähnliche Gestalten gab. Ich kenne mich aber eher aus bei der Version bei den Pueblo-Indianern. Da gibt es eine Gruppe dessen rituale Pflicht es ist während den Festtagen sich zu verkleiden und soziale Tabus zu brechen um den Leuten klar zu machen warum diese Tabus existieren. Diese Rolle wird auch ernst genommen und als sehr wichtig empfunden.

Eine meiner Lieblingslieder mit Themen aus der Nordischen Mythologie ("Hearthfire" von Sassafrass) finde ich zwar für meinen Geschmack etwas zu dualistisch geprägt (Andeutungen auf Odin vs. Loki), doch kommt auch der folgende Teil vor, der mir gleichermassen jenseits von "gut" und "böse" erscheint. Als kurze Erklärung: der Hauptcharakter hat vor kurzem alles an einen Feuer verloren.

And the ashes were washed from my eyes
(Und es fiel mir wie Schuppen von den Augen)
And I saw what had always been plain:
(Und ich sah was immer klar gewesen war:)
The Allfather standing before me, and by him
(Der Allvater stand vor mir und neben ihm)
His blood-brother’s spirit awake in the flame.
(War seines Blutbruders Geist wach in der Flamme.)
And I fell to my knees, and I cried to him, “Father,
(Und ich fiel auf meine Knie und ich rief zu ihm: "Vater,)
I can’t understand why you let him live on!
(Ich verstehe nicht wieso Du ihn weiterleben lässt!)
For he murdered my son, and he murdered yours, too,
(Denn er ermordete meinen Sohn und Deinen auch)
And no force can extinguish this evil but you!”
(Und keine Kraft ausser Du kann dieses Böse auslöschen!")
But he beckoned me close as the blizzard arrived:
(Doch er winkte mich zu sich als der Schneesturm einbrach:)
“If you live through this night you will only survive
("Wenn du diese Nacht überlebst machst du es nur)
Thanks to
(Dank dem)

Hearthfire, Hearthfire, mother and murderer,
(Herdfeuer, Herdfeuer, Mutter und Mörder,)
Hearthfire, Hearthfire, traitor and nurturer,
(Herdfeuer, Herdfeuer, Verräter und Ernährer,)
Kin fire, foe fire, evil I know, fire,
(Verwandtenfeuer, Feindfeuer, bekanntes Böse, Feuer,)
Warding me still against evils I don’t.
(Der mich noch schützt gegen unbekanntes Böse.)

Hearthfire, Hearthfire, desperate art, fire,
(Herdfeuer, Herdfeuer, verzweifelte Kunst, Feuer,)
Price that the living must pay.
(Preis, den die Lebenden zahlen müssen.)
Guard my creation a little bit more, fire,
(Schütze meine Schöpfung ein wenig länger, Feuer,)
Stay in your prison ’till
(Bleibe in deinem Gefängnis bis)
Everything crumbles and everything ends!”
(Alles zerfällt und alles endet!")

Etwas was mir an dem Lied gefällt ist die Gegenüberstellung eines Gottes mit dessen Naturgewalt und dass man das Gefühl hat gut von den Eigenschaften des Feuers allgemein auf den Charakter Lokis schliessen zu können und andersrum auch. Feuer kann man nie gänzlich zähmen also kann ich mir gut vorstellen, dass man Loki teilweise darum als unzähmbar verstanden hat. In Holzhäusern mit offenen Kaminen muss man sich ständig im Klaren sein, dass das Feuer absolut notwendig für das Überleben ist, jedoch auch heimtückisch und gefährlich sein kann und daher kontrolliert werden muss, sonst fängt die Kleidung oder sogar das Haus an zu brennen, was beides zum Tod führen kann. Gleichermassen unzähmbar sind Wind, Blitz und andere Naturerscheinungen. Folglich, wieso sollten dessen zuständige Götter als zahm oder zähmbar verstanden worden sein? Damit meine ich nicht, dass man das Wesen der Götter auf solchen Erscheinungen beschränken kann, dennoch halte ich es für gut möglich, dass die Eigenschaften solcher Erscheinungen eine Inspirationsquelle waren bei der Entstehung der Mythen. Ob es die Mythen zuerst gab, dessen Gestalten mit der Zeit "belebt" wurden, oder ob die Götter bei ihrer Entstehung mitgewirkt haben sei aber als ein typisches Henne-Ei-Problem dahingestellt.

Dennoch, auch ohne Hemmungen und ungezähmt, nehmen die Götter ihre Aufgaben sehr ernst und geben was nötig ist um sie auszuführen. Gleichermassen gilt es für uns unser eigenes Schicksal zu finden und auch auszuleben. Dort bin ich ganz deiner Meinung.


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"Wahre Stärke ist die Blume der Weisheit, doch ihr Samen ist das Handeln."

 
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RE: Gute Götter und Ethik und Religion

#3 von Bruder Eberhard , 15.11.2015 11:03

Geschätzte Kerry und Kolag_Hraban,

Eure Ausführungen bereiten mir eine Art von "Backflash", da ich exakt dieselben Ansichten in den 90er Jahren selber vertreten habe, sogar schriftlich. Es ist, als ob mich meine eigene Vergangenheit einholen würde...

Es stellt sich jedoch die Frage, warum die antiken Griechen und Römer so scharf zwischen einerseits den Göttermythen und andererseits der kultischen Praxis der Götterverehrung unterschieden haben, so als ob die in den Mythen beschriebenen Götter überhaupt rein gar nichts mit den kultisch verehrten Göttern zu tun hätten?

Insofern ziehe ich den Schluss, dass die Edda herzlich wenig mit der kultischen Praxis zu tun hat. Und gerade die kurze Episode über Tyr in der Edda hat meiner Auffassung nach nicht das Allergeringste mit dem ursprünglichen Tyr gemein.

Im Hinduismus, der mit dem Heidentum vergleichbar ist, unterscheiden die gläubigen Anhänger der Gottheit Shiva (der meinem Verständnis nach gewisse Parallelen mit Loki aufweist) ganz scharf zwischen dem "offiziellen Shiva" mit seinen kosmischen Dienstleistungen, also sozusagen der "beruflich tätige Shiva", und andererseits dem "privaten Shiva" ausserhalb seiner kosmischen Aufgaben und Dienstleistungen, der komplett andere, nämlich "private" Ansichten vertreten kann, als der "beruflich tätige Shiva".


Gemäss Eurer Auffassung (und gemäss meiner eigenen Auffassung, die ich selber in den 90er Jahren vertrat), also wenn Gut und Böse tatsächlich relativ sein sollten, dann müssten die alten Germanen (und auch die modernen Asatruar) auch Kräfte verehrt haben, die verantwortlich sind für Krankheiten, Seuchen, Missernten, Hungersnöte, Armut, Unheil innerhalb der eigenen Sippe, Neid oder anderes Schädliches. Verbrecher und "Neidinge" (altgermanische Bezeichnung für gesellschaftlich Verfemte, Geächtete auf der alleruntersten Stufe) müssten nach Eurer Darlegung bei den alten Heiden in höchsten Ehren gestanden haben.

Also, die Frage lautet noch einmal: Verehrten die alten heidnischen Germanen Krankheiten, Seuchen, Missernten, Hungersnöte, Armut, Unheil, Neid oder anderes Schädliches? Wünschten sie sich gegenseitig im Haus einen "schlechten Tag"?

Es tut mir aufrichtig leid, aber bisher fand ich in sämtlichen Quellen immer nur das genaue Gegenteil. Die alten heidnischen Germanen unterschieden demnach scharf zwischen Gut und Böse. Erhellend sind diesbezüglich auch zahlreiche ältere wissenschaftliche Arbeiten über diesen Themenbereich wie die herausragenden Schriften von Paul Herrmann. Angefangen von Jakob Grimm fand ich jedenfalls niemals irgendeine andere wissenschaftliche Darlegung, als dass im altgermanischen Heidentum ganz klar zwischen Gut und Böse unterschieden worden ist. (Es mag sein, dass in einigen modernen Asatru-Bücher heutzutage etwas anderes behauptet wird, aber die zählen für mich nicht, weil die Autoren solcher Schriften oftmals nach eigenem Gutdünken und eigenen Glaubenserfahrungen sich selbst "philosophisch" irgendetwas zusammenreimen, sozusagen "Daumen mal Pi", jedoch ohne Quellenbelege.)

Demzufolge versuchten sich die alten heidnischen Germanen im täglichen Überlebenskampf ständig durch Schutz- und Bannzauber fast ängstlich vor dunklen und zerstörerischen Kräften zu schützen. Deswegen ziehe ich die Schlussfolgerung, dass die Jöten und Thursen den hinduistischen Asuras entsprechen (sowie den Archonten der Gnostiker, wobei die Archonten auch in der Schrift "De Mysteriis" des heidnischen und götterverehrenden Philosophen Jamblichos Erwähnung finden).

Die These, wonach die germanischen Wörter "Gott" und "gut" etymologisch keinen gemeinsamen Ursprung hätten, ist völlig neu für mich. In sämtlichen alten Wörterbüchern, Lexikas, Enzyklopädien oder in Fachbüchern über die gotische Sprache sowie in anderen wissenschaftlichen Quellen las ich immer nur vom engsten Zusammenhang zwischen "Gott" und "gut". Allerdings muss ich gestehen, dass ich über fast keine neueren Bücher verfüge. Meine wissenschaftlichen Quellen sind oftmals hundert Jahre alt oder gar älter, so dass ich diesbezüglich nicht auf dem neuesten Stand der Forschung bin.


Ich lehne jeglichen Dualismus scharf ab und glaube an keinen "Kampf zwischen Gut und Böse", sondern vielmehr an einen heidnisch-theistischen MONISMUS, wonach es das auf Erden unvorstellbar, transzendente (und zugleich immanente und omnipräsente) absolut Gute gibt, welches - das ist der allerwichtigste Punkt! - JENSEITS DER RÄUMLICH-ZEITLICHEN RELATIVITÄT steht, was ja auch in den modernen Naturwissenschaften wie der Physik nachgewiesen wird, siehe u.a. Hans-Peter Dürr. Und dieses absolut Gute ist JETZT der ewige Ausgangs- und Endpunkt im Innersten von allem und wirkt "heilend" auf alles, was weniger gut ist.

(Übrigens gilt auch im Christentum sowie im Islam jeglicher Dualismus zwischen Gut und Böse offiziell als Häresie und wird in der katholischen Kirche mit dem Kirchenbann belegt. Es gibt nach katholischer und islamischer Auffassung nur das Gute; und sodann - in hierarchischen Stufen dem Guten untergeordnet - das weniger Gute, noch weiter unten das in verminderter Weise noch weniger Gute und so fort. Insofern vertritt das Christentum offiziell keinen Dualismus, sondern eine Form von hierarchischem Monismus.)

Demnach bringt das absolut Gute tatsächlich die göttliche Ordnung hervor (und selbstverständlich gehört auch die reinigende Auflösung von allem durch Loki-Shiva zu derselben göttlichen Ordnung), und dadurch auch die Gesetze, welche ursprünglich in sämlichen Kulturen immer einen sakralen Charakter hatten, also von den Göttern und von der Transzendenz herleitend gegeben wurden. Gesetze und Rechtsordnung wurden in früheren Kulturen niemals von den Menschen gemacht. Göttliche Ordnung ist niemals "starr", sondern stets in sich selbst Bewegung. (Der Gedanke an eine sakrale Rechtsordnung, die sich einzig und allein aus der hierarchisch höheren Transzendenz ableitet, wobei "Hierarchie" eigentlich "Vorherrschaft des Heiligen" bedeutet, entstammt zugegebenermassen aus der kontroversen Kulturphilosophie des sogenannten Integralen Traditionalismus'.)


Die Behauptung, wonach der Kampf zwischen den Kräften der Ordnung und des Chaos' notwendig sei, damit Leben überhaupt erst entstehen könne, ist mir - bei allem Respekt - völlig unverständlich. Wie soll aus einem "Wechselspiel" mit Krankheiten, Seuchen oder mit deren Erregern, z.B. mit dem HI-Virus, "Leben" entstehen? Stünde dies nicht konträr zu jeglicher medizinischer Erkenntnis? Diesbezüglich würde ich mich wirklich über eine aufhellende Erklärung freuen...

Jedenfalls ist mir weltweit keine einzige Richtung der analytischen Religionsphilosophie bekannt, in der so etwas postuliert wird. Es stellt sich hierbei abermals die Frage, wieso die alten heidnischen Germanen denn niemals die zerstörerischen Kräfte des Chaos', bzw. die Riesen verehrt haben?

Aber mir ist bekannt, dass heutzutage in der modernen Esoterik solches Gedankengut weit verbreitet ist. Historisch heidnisch ist dies jedoch nicht. Die transzendente göttliche Ordnung (Wichtig: ich spreche diesbezüglich IMMER nur von den Massstäben JENSEITS der räumlich-zeitlichen Relativität sowie JENSEITS der Vergänglichkeit, wo die Raumzeit, um einen Begriff von Einstein zu benutzen, nicht existent ist!) entspricht ja bereits dem eigentlich Sein und daher dem Leben, somit auch der höchsten Glückseligkeit.

Entscheidend ist übrigens auch die klare Unterscheidung zwischen den zwei verschiedenen Zweiheiten, nämlich Polarität und Dualität, was NICHT dasselbe ist. Eine Verwechslung von Polarität und Dualität kann zu verheerenden Irrtümern führen, z.B. dass Krieg und Frieden angeblich einander bedingen würden. Es gab schon moderne Esoteriker, die dies allen Ernstes behauptet haben.


Die Ansicht, dass die Natur doch ebenfalls "böse" sein könne, habe ich früher selber vertreten. Dabei stammt diese Ansicht aus der verklärenden Romantik moderner, zivilisierter, städtisch geprägter Menschen (wie ich selber einer bin). Es wird jedoch übersehen, dass in allen traditionalen Kulturen nicht nur ganz klar zwischen Gut und Böse unterschieden wurde, sondern, dass überdies der Mensch sich nicht unbedingt die der räumlich-zeitlichen Relativität unterworfene, physisch-materielle Natur zum Vorbild nehmen sollte. Dieser Gedanke ist sehr stark im Hinduismus ausgeprägt, wonach sich das relative Ego (Sanskrit: Ahankara) nicht einseitig mit der vergänglichen, relativen Realität (Sanskrit: Maya) identifizieren und verstricken sollte.

Zitat: "Ich denke das würde jedes Tier auch machen." Obwohl über sämtliche Dimensionen hinweg alles mit allem verbunden ist, was ja auch die moderne Quantenphysik bewiesen hat, und obwohl gerade im Heidentum die Praktizierenden teilweise rituell die Identität von tierischen Geistführern annahmen, wurde in sämtlichen traditionalen Kulturen stets scharf zwischen Mensch und Tier unterschieden. Schliesslich sind ja Steine, bzw. Mineralien auch keine Gebüsche. Beispielsweise im Islam wird der Unterschied zwischen Mensch und Tier dadurch begründet, dass der Mensch fähig zur Gotteserkenntnis sei (womit jedoch keineswegs gesagt wird, dass nicht auch die Tiere mit ihrem seelischen Bewusstsein in ANDERER Weise ebenfalls in Gott und mit Gott leben würden. Siehe den Unterschied zwischen Instinkt, bildlich "von unten", sowie Intuition, bildlich "von oben").

Die Behauptung, dass der Mensch "nur" ein Tier sei, genaugenommen ein Säugetier aus der Gattung der Primaten, ist völlig neu und entstammt dem rein materialistischen Darwinismus sowie der völlig unbewiesenen Evolutionstheorie, welche ein materialistisch-ideologisches Konstrukt ist, das von A bis Z empfindliche Lücken aufweist, angefangen mit der angeblichen "Ursuppe". Durch einseitige ideologische Propaganda an allen Schulen sowie in den Medien sollen gemäss der materialistischen Doktrin alle Menschen endlich "zur Vernunft" kommen und glauben, dass sie Tiere seien; Tiere, die aufgrund irgendwelcher "Störfaktoren" der Evolution irgendwann einmal begonnen hätten, sich zu bekleiden. Dieser Gedanke ist in der heutigen Gesellschaft mittlerweile dermassen allgegenwärtig, dass er kaum noch wegzudenken ist, obwohl er bei genauerem Hinblick in der Zukunft noch ziemlich gefährlich werden könnte, möglicherweise sogar politisch, aber das ist ein anderes Thema.

Jedenfalls findet sich weltweit keine einzige traditionale Quelle, welche besagt, dass Menschen und Tiere dasselbe seien, auch keine einzige historische Quelle im heidnisch-germanischen Heidentum. Eher wird behauptet - nicht nur in der Edda, sondern auch in anderen indoeuropäischen Quellen - dass Menschen von den Bäumen abstammen würden, was natürlich nicht physisch-materiell zu verstehen ist.


Alles in allem scheint Ihr - bei allem Respekt - einige Ansichten zu vertreten, die in manchen Punkten eher dem modernen, zivilisierten Zeitgeist und der modernen Esoterik entspringen, als dem historischen, alten Heidentum. Vieles davon habe ich selbst früher in exakt der gleichen Weise vertreten.

Heutzutage vertrete ich halt lieber ein bisschen "altbackene" Standpunkte, die dem modernen Zeitgeist um einige Jahrtausende hinterherhinken.


In einem Punkte stimme ich Kolag_Hraban aber zu, nämlich dass die heidnische Giebelinschrift des Apollon-Tempels zu Delphi, nämlich "Gnóthi seauton - Erkenne dich selbst!" eine der grundlegendsten Schlüsselformeln überhaupt ist. Ja, sogar in ALLEN Religionen! Ich sprach schon mit christlichen, muslimischen und hinduistischen Mystikern, die mir bestätigten, dass diese heidnische Phrase "Erkenne dich selbst" auch auf ihren Glaubenswegen eigentlich den innersten Kern darstellen würde. Mehr noch, in stimme sogar Kolag_Hrabans Interpretation zu dieser Phrase völlig zu! Es gibt bei mir nur eine winzig kleine Ergänzung, nämlich dass ich mich darum bemühe, darin noch weiter zu gehen: "Erkenne dich selbst" bedeutet für mich persönlich, in tiefster meditativer Kontemplation sich von ALLEM Räumlich-Zeitlichen und von ALLEM Relativen zu lösen, um in den innersten hierarchischen Schichten Erleuchtung und absolute Glückseligkeit zu finden.

Auf dieser kontemplativen Stufe der transzendentalen Selbsterkenntnis, jenseits der mentalen Ebene und jenseits aller räumlich-zeitlichen Vergänglichkeit, fällt auch die relative Identifikation mit Krankheiten, Seuchen, Missernten, Hungersnöten, Armut, Unheil, Neid oder anderem Schädlichen ganz von selbst. Wie man dann DAS bezeichnet, was bleibt, muss jeder für sich selbst entscheiden.


Vielleicht liegt die Ursache für meine andersartigen und metaphysisch ziemlich "konservativen" Ansichten darin begründet, dass ich mit Asatru möglicherweise einen etwas anderen Ansatz verfolge, da sämtliche Religionen für mich eigentlich Erleuchtungswege darstellen, einschliesslich das germanische Heidentum. Jedoch suche ich die absolute Erleuchtung keineswegs in Form eines "geplanten Weges" in der Zukunft oder erst nach meinem Tode im Jenseits, sondern JETZT SOFORT, also im absoluten HIER und JETZT! Dies ist die konsequente Schlussfolgerung, wenn man unablässig wie ich im Alltag danach trachtet, Raum und Zeit zu überwinden und die absolute Ewigkeit zu erreichen. Nach dieser Logik kann ich nicht erst in zehn oder in zwanzig Jahren meditativer Bemühungen Erleuchtung finden, sondern an sich nur JETZT.

Um es mal sehr drastisch und überspitzt zu formulieren:

Raum und Zeit = "böse"


Da das Böse jedoch über keine autonome Existenz verfügt und daher niemals absolut sein kann, ist diese überspitzte Gleichung meinerseits relativ gemeint. In Wahrheit geht es mir vielmehr darum, Raum und Zeit nicht zu verdammen, sondern in der Ewigkeit (also im absoluten JETZT!) harmonisch zu integrieren.

Ewigkeit ? Unendlichkeit
(Unendlichkeit = linearer Zeitstrahl ohne Anfang und ohne Ende)

Ewigkeit = Jetzt!


P.S.: Die Guten Menschen kommen laut der Snorra-Edda selbstverständlich nicht nach Walhall, sondern in einen höheren Himmel, der Asgard übergeordnet ist und Gimle genannt wird.

P.P.S: Die Götter repräsentieren für mich nicht Naturkräfte, sondern kosmologische Ur-Aspekte, welche der irdischen Natur hierarchisch weit übergeordnet sind, wie das auch im Hinduismus üblich ist. Die irdische Natur ist hierbei nur ein sehr ferner und sehr schwacher Abglanz der höheren himmlischen Realitäten. Überhaupt gehe ich bei meinen Darlegungen niemals von einer menschlichen oder einer naturhaften Sichtweise aus, sondern ich versuche die Kosmologie von der Tranzendenz her zu deuten. Der Mensch und die menschliche Sichtweise spielen bei mir gar keine Rolle, sondern ich suche lieber nach der "göttlichen Sichtweise". Hier hätten wir vielleicht einen der Ursprünge einiger Missverständnisse...

P.P.P.S.: Habe alles nochmals überarbeitet und wichtige Ergänzungen eingefügt.

 
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RE: Gute Götter und Ethik und Religion

#4 von Kolag_Hraban , 15.11.2015 18:49

Zitat von Kerry
Ich empfinde es sehr ähnlich und bin froh es so klar formuliert zu finden. Um sicher zu sein, dass wir über das Gleiche reden erkläre ich kurz: unter "Ethik" verstehe ich eine Unterscheidung zwischen ein "gut" und ein "böse", wobei "Moralität" für mich eher um die Prinzipien von "Ordnung" und "Chaos" geht. Meine Lebenserfahrung hat mich dazu geführt "gut" und "böse" völlig zu verwerfen, denn sie haben sich für meine Zwecke als nutzlos erwiesen. Manchmal verlangt die Situation, dass man bis auf's Äusserste geht um zu gewinnen. Damit meine ich auch nicht im Sportclub oder so etwas. Wenn jemand z. B. mein Leben oder das meiner Familie bedrohen würde und ich eine Waffe in der Hand hätte (so sehr ich Schusswaffen auch hasse) und ich hätte drei Sekunden ein Leben zu retten, dann könnte man mir noch so oft sagen Gewalt sei schlecht und es interessiert mich nicht. Was sein muss muss sein. Ich denke das würde jedes Tier auch machen. Ich vermute es gibt nur unter Menschen solche, die in so einer Situation nicht bereit wären zu töten, wegen solchen Gedankenstrukturen.


Da freut mich, Kerry .
Nun ich benutze den Begriff Ethik als einen wertfreien Übergeordneten Begriff, der moralische Vorstellungen beinhaltet
Ich kann nicht nur bei den Göttern und anderen Wesenheiten kein gut-böse Schema finden, sondern eben auch im Leben nicht.
Ein Gut-Böse Denken kann IMHO zu einer gefährlichen Vereinfachung führen, die Schlimme Taten nach sich ziehen kann. z.B. kann man erst ein Volk dazu bringen einen Krieg zu führen, wenn man geschafft hat, den potentiellen Gegner als Böse zu brandmarken und das eigene Volk die Vorstellung hat für das Gute zu streiten. Wenn der Pulverdampf verzogen ist, und das Hirn nach ein paar Jahrzehnten wieder einsetzt, erkennt mancher das dieses Bild nie gestimmt hat.
Trotzdem ist Gewalt auch per se nicht Böse, wie Du in Deinem Beispiel ja auch aufzeigst.
Nn das Thema alleine könnte man noch sehr ausbreiten.

Zitat von Kerry
Wenn ich mir jemanden vorstelle, dem ich es zutrauen würde das dynamische System, dass alles Leben ermöglicht, zu schützen, dann stelle ich mir jemanden vor, der sich nicht durch reine Gedankengänge davon abhalten lassen würde. Ich stelle mir jemanden vor, der bereit ist alles zu opfern, falls nötig auch die eigene Ehre, um das zu tun was getan werden muss. Solchen Personen traue ich aber auch zu, da sie zwangsläufig dafür weniger Hemmungen haben müssen, dass diese Hemmungslosigkeit sich auch in anderen Teilen ihrer Leben sich zeigen kann und meistens, um den menschlichen Definition von Tugenden gerecht zu werden, braucht man Hemmungen. Nicht jeder, der sich in einer Krise als nützlich erweist, ist ausserhalb davon als tugendhaft angesehen, doch seine Nützlichkeit ist oft wichtiger



Das sehe ich genauso. Diese Personen sind einem Prinzip verpflichtet und nicht Tugenden. Und deshalb handeln sie auch dem entsprechend.
BTW. Die Natur, ist auch nicht Gut, und auch nicht schlecht. Sie ist !
Sie richtet sich nicht nach unseren Moralvorstellungen und ethischen Grundsätzen und auch nicht um Menschenrechte.
Wir können das beklagen, und doch ist sie es worum sich alles dreht.


Loki hat IMHO eine der wichtigsten Rollen in unseren Mythen. Ohne Ihn würde sich nichts verändern, die Ordnung hätte über das Chaos gesiegt. Nur durch ihn, kommt das Rad in Bewegung. Loki das daher der Bewege der Dinge, den es zwingend braucht.


Grüsse Kolag Hraban



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RE: Gute Götter und Ethik und Religion

#5 von Bruder Eberhard , 15.11.2015 19:36

Mein hochgeschätzter Kolag_Hraban,

wenige Minuten vor Deinem neuen Posting habe ich meinem obigen Beitrag nochmals entscheidende Ergänzungen eingefügt, u.a.:

"Erhellend sind diesbezüglich auch zahlreiche ältere wissenschaftliche Arbeiten über diesen Themenbereich wie die herausragenden Schriften von Paul Herrmann. Angefangen von Jakob Grimm fand ich jedenfalls niemals irgendeine andere wissenschaftliche Darlegung, als dass im altgermanischen Heidentum ganz klar zwischen Gut und Böse unterschieden worden ist. (Es mag sein, dass in einigen modernen Asatru-Büchern heutzutage etwas anderes behauptet wird, aber die zählen für mich nicht, weil die Autoren solcher Schriften oftmals nach eigenem Gutdünken und eigenen Glaubenserfahrungen sich selbst "philosophisch" irgendetwas zusammenreimen, sozusagen "Daumen mal Pi", jedoch ohne Quellenbelege.)"

Oder:

"P.P.S: Die Götter repräsentieren für mich nicht Naturkräfte, sondern kosmologische Ur-Aspekte, welche der irdischen Natur hierarchisch weit übergeordnet sind, wie das auch im Hinduismus üblich ist. Die irdische Natur ist hierbei nur ein sehr ferner und sehr schwacher Abglanz der höheren himmlischen Realitäten. Überhaupt gehe ich bei meinen Darlegungen niemals von einer menschlichen oder einer naturhaften Sichtweise aus, sondern ich versuche die Kosmologie von der Tranzendenz her zu deuten. Der Mensch und die menschliche Sichtweise spielen bei mir gar keine Rolle, sondern ich suche lieber nach der "göttlichen Sichtweise". Hier hätten wir vielleicht einen der Ursprünge einiger Missverständnisse..."

(Ich fügte vorhin meinem obigen Beitrag noch weitere wichtige Ergänzungen und Überlegungen ein.)


Das Leben an sich in seiner Reinform ist nach meinem bescheidenen Verständnis transzendent (weil nicht synthetisch produzierbar) und daher absolut gut.

Selbstverständlich darf man keinem "Gegner" willkürlich unterstellen "böse" zu sein, darum habe ich konsequenterweise gar keine Feinde und bin Pazifist. Des weiteren sollen niemals Personen, sondern ausschliesslich Handlungen als böse erkannt werden.

Das Gegenteil, nämlich die althergebrachte heidnische Unterscheidung zwischen Gut und Böse zu unterlassen, ist weitaus gefährlicher. Es gibt Leute, die sich sagen: "Wenn Gut und Böse relativ sind, bzw. einander bedingen, dann darf ich als mächtiger Politiker willkürlich Kriege führen und andere Völker in Konzentrationslager stecken und ausrotten." Das ist kein kindisches Gedankenspiel, sondern es gibt zahlreiche Indizien, wonach Hitler und seine Schergen solchem esoterischen Gedankengut nahe standen; aber auch in ideologisch ganz anderen Ecken einige mächtige "liberale" Politiker und Wirtschaftsbosse unserer heutigen Zeit.


Des weiteren würde ich mich freuen, wenn meine obigen, ernst gemeinten Fragen noch beantwortet würden...

Z.B.: "Also, die Frage lautet noch einmal: Verehrten die alten heidnischen Germanen Krankheiten, Seuchen, Missernten, Hungersnöte, Armut, Unheil, Neid oder anderes Schädliches? Wünschten sie sich gegenseitig im Haus einen "schlechten Tag"?"


Wenn man die Unterscheidung zwischen Gut und Böse aufhebt, muss zwangsläufig und konsequenterweise die Frage am Schluss lauten: Sind aus Eurer heidnischen Sichtweise Lügner, Verbrecher, Diebe oder Mörder ehrenwerte Menschen, die gesellschaftliche Auszeichnungen für ihre Taten verdienen? Betet Ihr bei den Göttern für Euch selbst Grippe, Lungenentzündung, Beulenpestilenz und qualvolle Schmerzen am eigenen Leib herbei? Seid Ihr restlos begeistert von Viren wie dem HI-Virus, den Ihr für Euch selbst wünscht, wie auch überdies Armut, Obdachlosigkeit, Unfälle, Hunger, Mangel, Notstand und Behinderungen für Euch selbst? Oder auch Erdbeben und andere Naturkatastrophen für Eure eigene Wohnung? Und gibt es nichts, wonach Ihr Euch mehr sehnt, als Opfer eines Raubüberfalls zu werden? Seid Ihr begeistert von Völkermorden, Konzentrations- und Vernichtungslagern sowie vom Holocaust? Und ist es Euer grösstes Lebensziel, solche Dinge selber erleiden zu müssen?

Und entsteht aus dem "Wechselspiel" mit all diesen genannten Dingen wirklich Leben? Ist das HI-Virus, kriminelle Verlogenheit, Lungenentzündung, bittere Armut, Hunger, qualvolle Schmerzen, Obdachlosigkeit, vergiftetes Essen oder Auschwitz unabdingbare Voraussetzung für die Entstehung von Leben?

Dies alles sind völlig ernst gemeinte Fragen, die sich aus Euren Darlegungen konsequenterweise von selbst ergeben.


Bei Kolag_Hraban entdecke ich jedoch einen leisen Widerspruch, Zitat:
"Ein Gut-Böse Denken kann IMHO zu einer gefährlichen Vereinfachung führen, die Schlimme Taten nach sich ziehen kann. z.B. kann man erst ein Volk dazu bringen einen Krieg zu führen..."

Falls die Unterscheidung zwischen Gut und Böse falsch sein sollte, es also nichts Böses gibt, dann kann es auch keine "schlimmen" Taten geben. Und Kriege sind demnach immer etwas Gutes, was allen ernstes einige Esoteriker wie der mittlerweile verstorbene Thorwald Dethlefsen behauptet haben.

 
Bruder Eberhard
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RE: Gute Götter und Ethik und Religion

#6 von Kerry , 15.11.2015 21:11

Es ist schön bei so einem lebhaften Gespräch dabei zu sein. ^^

Vielen Dank, Bruder Eberhard, für deine sehr ausführliche Erklärungen. Es ist schön deine Ansichten einmal wirklich gründlich ausgelegt zu bekommen. ^^ Dennoch bin ich nicht ganz deiner Meinung und fühle mich in einigen Hinsichten falsch verstanden. Immer wieder stossen wir auf die gleichen Themen und zum Teil besteht der Unterschied auch darin, wie wir sie interpretieren und definieren. Eine Grundlage meiner Ansichten besteht aus meinen eigenen Erfahrungen, wie es sicher auch bei dir der Fall ist. Ich denke aber, dass wir zum Teil auch andere Erfahrungen gemacht haben. Dennoch werde ich versuchen die möglichen Missverständnisse aus dem Weg zu räumen.

Als ehemalige „anlernende Judin“ habe ich eine Ansicht über die göttliche Ordnung entwickelt, mit der vielleicht viele nicht einverstanden sein würden. Es ähnelt aber deiner Vorstellung, so wie ich es verstehe, in der sowohl monotheistische wie auch polytheistische Elemente vorhanden sind. Dabei interpretiere ich es aber, dass die eher absoluten Aspekte bei dem monotheistischen Teil dabei sind und die eher konkrete Aspekte dafür bei den einzelnen Göttern daheim sind. Für mich sind unsere Götter nicht vor allem als Verkörperungen göttlicher Ur-Aspekte zu verstehen, sondern sind vielmehr Wesen, die sich irgendwo auf dem Kontinuum zwischen uns und dem „absoluten Göttlichen“ befinden. In der kosmischen Ordnung gibt es viele verschiedene Wege, durch welche man sich weiterentwickeln und sich dabei der göttlichen Natur nähern kann. Genau wie wir befinden sie sich auf solche Pfade, jedoch bewandern sie ihre Wege schon viel länger und haben sich daher genug weiterentwickelt und spezialisiert um verschiedene Zuständigkeitsbereiche zu übernehmen, welche sowohl ihnen auf ihren Wegen helfen (durch Erfahrungen sammeln) wie auch einen Nutzen haben um das System aufrecht zu erhalten.

Eine weitere Ansicht, welche mir von Judentum geblieben ist, besagt dass alles von Gott (oder dem anders definierten Göttlichen) kommt: sowohl das Gute wie auch das Schlechte. Daher klingt es für mich völlig unlogisch anzunehmen, dass man mit dieser Ansicht vor allem „Kräfte verehrt, die verantwortlich sind für Krankheiten, Seuchen, Missernten, Hungersnöte, Armut, Unheil innerhalb der eigenen Sippe, Neid oder anderes Schändliches“. Vom gleichen Wesen, weil er so mächtig ist, verspricht man sich auch möglichen Gewinn und versucht ihn daher gut zu stimmen: gerade deswegen macht man Opfer und, für den Fall dass auch das nicht genügen sollte, macht man auch das wozu man selber in der Lage ist um sich gegen möglichen „dunklen und zerstörerischen Kräften“ zu schützen, wozu auch „Schutz- und Bannzauber“ gehören. Im alten Testament wird genau so ein Gott beschrieben, der auch Schlechtes schickt, wenn es ihm passt. Da müsste man nur ansehen was für Plagen er den armen Ägyptern schickt, nur weil der Pharaoh die Israeliten nicht gehen lässt, wobei ausdrücklich erwähnt ist, dass ER das Herz des Pharaohs gehärtet hatte. Dieses Beispiel mag aus der Bibel stammen, dennoch ist es eine Art das Göttliche zu verstehen, die ebenfalls aus sehr alter Zeit stammt und das aus einer Tradition, in der man ermutigt wird jedes Wort ernst zu nehmen und sich mit dem auseinander zu setzen. Folglich kann man dort weniger das Argument bringen, es sei egal weil der Kult und die Mythen völlig getrennt waren. Das ist auch nicht der einzige Vorfall wo „Gott“ seine Macht einsetzt so wie es ihm passt. Abraham muss ihm seine Loyalität beweisen dadurch, dass er ihm beinahe sein eigenes Kind opfert. Nach dem Vorfall mit dem goldenen Kalb muss Moses ihn überreden deswegen nicht das ganze Volk zu zerstören. Das alte Testament ist übersät von solchen Beispielen. Man findet auch keinen Ort, wo man ihn dafür lobt Menschen zu schaden, es sei denn sie sind Feinde. Daher ist dein Argument diesbezüglich für mich völlig unbegründet. Die Annahme man dürfe nur etwas anbeten was NUR Gutes bringt würde einen eher dazu bringen sich von so einem Gott abzuwenden. Die Antwort aus dem Judentum, den ich am meisten gehört habe, gefällt mir auch: dass man die biblischen Geschichten als Aufzeichnungen einer Beziehung versteht zwischen einem Gott und einem Volk, bei der es einiges auszubügeln gab. Nach dieser Hinsicht stellt man sich ein Gott vor, der es gewohnt ist sich mit den grossen Dingen zu beschäftigen und eine Zeit lang leicht überfordert ist sich um vergleichbare Kleinigkeiten (wie das Leben einer einzelnen Person) zu kümmern. Dabei lernt er, gleichzeitig mit den Menschen, wie so eine Beziehung aussehen soll.

Ob die Geschichte von Exodus auch so stattgefunden hat ist auch egal: ich verstehe die Bibel auch als eine Sammlung von Mythen und Legenden und bei unseren Mythen und Legenden (und bei dieser Diskussion) ist das genauso nebensächlich. Mythen sind Geschichten, die es den Menschen ermöglichen sich ihre Welt zu erklären und wenn ein Volk oder Menschen aus vielen Völkern die gleichen Geschichten teilen, so gibt es ihnen ein Gefühl der Zusammengehörigkeit. Meine Lieblingsformulierung liegt darin, dass es im Althebräischen zwei verschiedene Worte für Wahrheit gibt: eine für „wissenschaftliche“ Wahrheit und eine andere für Sachen, die in gewisser Hinsicht „wahr“ werden, weil man daran glaubt. Leider fehlt unserer Sprache so eine Definition, denn man benutzt dieses zweite Wort, wenn man die heiligen Schriften beschreibt. Daher kann ich mich gut mit der Ansicht anfreunden, dass die Götter sich „privat“ anders äussern können als „beruflich“. Obwohl ich schon jahrelang mit Odin zu tun habe (als Schülerin) ist es noch nicht einmal ein Jahr her, seit er mir erlaubt hat ihn als mein „Herr“ zu beschreiben: ich durfte ihn vorher immer nur „Odin“, „Meister“ oder „Grossvater“ nennen, was mich zur Ansicht geführt hat, dass er unsere damalige Beziehung eher als etwas „privates“ verstanden hat. Diese und andere Erfahrungen haben mich zu der Ansicht geführt, dass man keine genaue Abdeckung zwischen den mythischen Archetypen und den einzelnen Göttern erwarten kann. Dennoch gibt es eine Wechselwirkung, durch welche sie sich gegenseitig beeinflussen.

Um klar zu sein, ich will nicht behaupten, dass die alte Ansichten von den Göttern oder ihre Darstellung in den Mythen völlig mit der Realität übereinstimmen, so wie wir sie im Hier und Jetzt wahrnehmen können. Ich sehe aber auch nicht ein wieso wir annehmen müssten, dass die Menschen von damals die Götter besser verstanden haben als wir es heute machen. Ich finde viel Gutes in den alten Schriften. Dennoch, wenn sie etwas behaupten was gegen meine eigene Erfahrung spricht, dann zweifele ich eher an sie als an meine eigene Erfahrung. Ich verstehe die Beziehung zwischen Göttern und Menschen nämlich als etwas lebendiges und vertraue nicht blind darauf, dass die damaligen Menschen genau die gleiche Bedürfnisse hatten wie die heutigen. Als mir damals gesagt wurde ich solle Schamanin werden bin ich wohl genau deswegen den festgelegten Traditionen aus dem Weg gegangen. Ich wollte nicht alte Riten lernen, welche die Bedürfnisse von damals stillen: ich wollte ungehemmt selber Erfahrungen sammeln um zu verstehen wieso man die Riten damals so aufgestellt hat, damit sie für mich persönlich mehr sind als nur leere Hüllen. Es gibt zwar Macht in alten Riten, doch nur weil so viele Menschen über die Jahre an sie geglaubt haben und ihnen auch etwas bedeutet haben. Irgendwann wurden auch diese Riten erfunden. Tatsächlich hat mein Umgang mit den Göttern mir geholfen mich der Erleuchtung zu nähern und wahrscheinlich haben sie diese Möglichkeit auch damals geboten, ob jemand es in heute überlebenden Schriften als solches beschrieben hat oder nicht.

Ein ähnlicher Punkt besteht darin, wie ein Durchschnittsmensch seinen Glauben und seine Welt versteht. Da ich schon unter anderen Erfahrungen einmal erlebt habe, dass ich (noch vor meiner Zeit als „anlernende Judin“) in einem Zimmer voller Christen war und die Bibel besser kannte als die meisten von ihnen, bin ich zu dem Schluss gekommen, dass sich die meisten Menschen nicht wirklich mit Religion oder Spiritualität befassen wollen und man sie nicht dazu zwingen kann sich für etwas zu interessieren was ihnen im Alltag nicht von klarem, konkretem Nutzen ist. Ich vermute stark, dass es damals nicht anders war, und sehe daher keinen Grund zu der Annahme, dass man die Schriften von Gelehrten direkt mit dem Alltag von einfachen Menschen vergleichen kann. Den einfachen Leuten fehlten in vielen Fällen zuviele Informationen und zum Teil auch Zeit komplizierte Überlegungen zu machen, auch wenn sie das Interesse hatten. Klar: es ist frustrierend, dass einige Traditionen nicht eine gelehrte Priesterschaft hatten, die uns klare Erklärungen hätten hinterlassen können und dass, auch wo so etwas vorhanden war, nicht alles bis heute überlebt hat. Dennoch kann man nicht unbedingt von das eine auf das andere schliessen. Leider haben wir nur das, was übrig geblieben ist. Dennoch finde ich es sehr unwahrscheinlich, dass z. B. Hamurabi tatsächlich seine Gesetze von einem Gott bekam und das Gleiche gilt für mich für alle Gesetzsysteme. Ich vermute viel eher, dass die damalige Herrscher angenommen haben, dass die einfachen Menschen ihnen eher folgen würden, wenn sie das behaupten würden. Vielleicht war es ja auch metaphorisch gemeint. Im Westen hat man ja etwas ähnliches gemacht mit dem Gottesgnadentum: man hat den einfachen Menschen nicht länger versucht zu sagen der Herrscher würde von einem Gott abstammen, sondern dass er von „Gott“ ausgesucht worden war. Dennoch gibt es für mich keinen grossen Unterschied zwischen den beiden Äusserungen: in beiden Fällen will man nur an Legitimität gewinnen und sonst nichts. Ob Ordnung und Chaos im Kampf sein müssen bespreche ich später. Dennoch will ich hier erwähnen, dass die einfachen Menschen meistens solche simplistische Modelle benötigen, die in der komplexen Version der Gelehrten durchaus über mehr Nuancen verfügen mögen.

Die Unterscheidung zwischen „gut“ und „böse“ gehört für mich zu diesen Vereinfachungen, die es den Durchschnittsmenschen ermöglicht haben sich das Ganze vorzustellen, doch die beschriebene „gute“ Dinge sind hauptsächlich jene, die zu Ordnung führen, und die „böse“ jene, die zu Chaos führen. Ich habe auch nicht behauptet sie seien relativ: ich habe lediglich gesagt, dass sie sich für meine Zwecke als unnützlich erwiesen haben. Der Grund dafür ist, dass eine Definition davon, die alle Informationen beinhalten würde, unserer Vorstellung übersteigern würde. Da wir in einem Erdenleben, auch wenn wir noch so sehr meditieren und uns mit der anderen Seite beschäftigen, dennoch Grenzen haben, verfügen wir nicht gänzlich über die göttliche Perspektive und auch nicht über die nötigen Informationen um darüber urteilen zu können. Vielleicht gibt es ein „gut“ und ein „böse“ doch, auch wenn es sie gibt, es bringt uns nichts darüber zu grübeln. Jeder, der jemals für eine ganze Gruppe von Menschen Entscheidungen treffen musste, weiss dass das, was für die ganze Gruppe am besten ist, nicht immer den Vorstellungen jeder einzelnen Person aus dieser Gruppe entspricht. Wenn wir „Gott“ oder „den Göttern“ zutrauen, dass sie über mehr Informationen verfügen als wir, dann würde sich schon daraus ergeben, dass einzelne Personen manchmal einen Schaden aus etwas ziehen, was vom Angesicht der Ewigkeit her als die beste Lösung erscheint. Daher finde ich ganz und gar nicht, dass die Natur „böse“ ist, sondern eher dass ich, als eine einzelne Person, im Vergleich dazu nur eine kleine, eher unbedeutende Existenz bin. Die stark vereinfachte Version wäre es, solche Randschaden einer anderen Kategorie von Wesen als den Göttern zuzuschreiben und schon hat man „gut“ und „böse“, aber in einer Form, die sich für meine Zwecke als unnützlich erwiesen hat. Manchmal, doch eher selten, gibt es jedoch ein gezielter Wille hinter Schäden, denn es gibt auch Wesen, die sich der kosmischen Ordnung widersetzen.

Ich vermute es liegt hierbei auch ein Unterschied in der Definition vor: ich verstehe „Ordnung“ und „Chaos“ als zwei Anteile in der „kosmischen Ordnung“. Ohne diese Art von Chaos, der ein Teil der kosmischen Ordnung bildet, wäre das Ganze wirklich starr und nichts und niemand könnte sich darin bis an sein volles Potential weiterentwickeln. Jedoch gibt es auch eine andere Art von Chaos, nämlich jene, welche die kosmische Ordnung gefährdet. Auf der Ebene des absoluten Göttlichen gibt es Sachen wie Entropie und Reibung nicht, auf dieser Ebene jedoch schon. Es ist in vielen Fällen nützlich „die Massstäbe jenseits der räumlichen-zeitlichen Relativität sowie jenseits der Vergänglichkeit“ zu nutzen, doch man muss respektieren, dass die verschiedenen Seinsebenen dennoch verschiedene Gesetze haben. Die Wissenschaft mag am heraustüfteln sein wo und wie genau der Austausch zwischen den Ebenen stattfindet, doch befinden wir uns dennoch auf der materiellen Ebene, so sehr sich diese auch durch die anderen beeinflussen lässt. Wenn wir vergessen, dass dieses „Maya“ nicht alles ist, so berauben wir uns selbst um die Fähigkeit zu lernen es durch die anderen Ebenen zu verändern. Daher ist es nützlich sich nicht zu sehr darin zu verstricken, doch ist es dennoch ein Teil des ganzen Systems und damit nicht zu unterschätzen. Bei den ungeheueren Kräften, die am Werk sind nur um nur ein bisschen Materie zu produzieren, sollte es keinem wundern, wenn Wesen mit der Beseitigung von Problemen beauftragt werden, die sich etwas näher an dieser Ebene befinden. Es wird dann zu einem Teil ihrer Zuständigkeitsbereiche das System der kosmischen Ordnung aufrecht zu erhalten, von der wir alle profitieren.

Im grossen Netzwerk der kosmischen Ordnung müssen eben, wie erwähnt, viele Rollen vertreten sein um das System als Ganzes aufrecht zu erhalten. Um sicher zu stellen, dass es immer genug Wesen hat zum die nötigen Rollen auskleiden zu können muss es folglich viele verschiedene Pfade der Entfaltung geben. Auf allen können wir Sachen erlernen, die uns schlussendlich zur Erleuchtung führen können, doch entwickeln viele Seelen dabei Spezialisierungen. Ich bewandere meinen Pfad als Krieger-Magier und Botschafter zwischen den Welten schon seit sehr vielen Leben, kann aber nicht behaupten den Weg schon völlig gemeistert zu haben. Ein Teil des Stoffes, den ich dabei erlernen soll, ist es mich damit zu beschäftigen, den störenden Faktoren entgegen zu wirken, welche die kosmische Ordnung auf den tieferen Ebenen gefährden. Als Krieger den Weg zur Erleuchtung zu finden ist leicht anders als auf anderen Pfaden: man muss unter anderem mit dem Tod seinen Frieden schliessen und lernen, dass es nicht nur zum Leben dazu gehört, sondern auch zum Zwecke des Lebens ausgeführt werden kann. Wenn man nicht den Weg des Kriegers beschreitet, so braucht man sich nicht zwingend mit solchen Themen auseinander zu setzen. Ich bin hergekommen um einige Aufgaben zu erfüllen und sie bestehen nicht darin für einen Unsinn zu sterben. Daher werde ich mein Leben und das meiner Nächsten schützen: das gehört zum Kriegerpfad dazu. Ich traue dir zu, dass du keinen Unsinn befolgst: du bist auf einem anderen der vielen möglichen Pfaden unterwegs und dienst den Göttern, genau wie ich, nur auf eine andere Art und Weise. Ich kenne aber Menschen, denen ich wirklich zutrauen würde sich selbst umbringen zu lassen um kein Leben zu nehmen, nicht aus Verständnis und Hingabe, sondern nur weil man ihnen gesagt hat es gehöre sich nicht. Ich habe keine Angst vor dem Tod, doch für mich ist das respektlos gegenüber ihren Vorfahren und ihrem eigenen Körper, weil sie das Geschenk des Lebens nicht schätzen. Wenn der Zweck des Todes das Leben ist (z. B. ein Tier oder eine Pflanze wird von jemandem gegessen), dann ist es für mich ein ganz anderes Thema.

Noch etwas: es ist mir egal, dass man die Menschen nicht als Tiere verstanden hat und in Mythen aus aller Welt sich verschiedene Rohstoffe dabei vorgestellt hat (Baummenschen gibt es soweit ich weiss auch in China und Mittelamerika, wobei in China Baummenschen mit Erdmenschen koexistiert haben und sie bei den Maya als eine der verworfenen Versuche galten Menschen zu erschaffen; da sie nicht den Erwartungen entsprachen wurden sie durch Naturkatastrophen ausgelöscht oder in Affen verwandelt und Menschen wurden aus Mais gemacht). Der Mensch versteht sich auch heute nicht wirklich als Tier und ich empfinde es als homozentrische Hübris. Natürlich sind wir nicht genau wie alle anderen Tiere, doch sie ähneln sich auch nicht gänzlich. Wir Menschen haben unter anderem Sachen wie Hemmungen und Hass und haben als Spezies Wissen und Kultur zu unseren Hauptanpassungen für das Überleben gemacht. Hätte eine andere Tierart die gleiche evolutionäre Anpassungen gemacht, so würden wir wahrscheinlich noch weniger Unterschiede aufzählen können. Na und? Sind wir besser, weil wir in der Lage sind kompliziertere Waffen herzustellen? Sind sie besser, weil sie (nach Interpretation der Bibel) ihre „Unschuld“ noch nicht verloren haben? Diese und weitere Fragen kann man gewiss stellen, doch ich finde sie für meine Zwecke nutzlos. Ich habe Tiere in dieser Hinsicht nur erwähnt, weil ich finde, dass es einige wesentliche Dinge gibt, die der Mensch vergessen hat, weil er vor seinem Wissen und seinen Gedankenspielen zu sehr abgelenkt war: zum einen dass wir unter anderem hier sind um zu leben.

Zum Abschluss will ich nochmals erwähnen, dass diese nur meine Ansichten sind, doch sie sind auch nicht einfach aus dem Nichts entstanden. Ich pflege bei mir jene Gedankengänge, die für mich einen Nutzen aufgewiesen haben. Die anderen verwerfe ich. Ob ich dadurch das wahre Wesen der Welt erblickt habe weiss ich nicht: das kann keiner wissen. Ob ich damit nach den Ansichten anderer kein „richtiges“ Asatru ausführe ist mir auch egal. Ich verstehe mich selbst als eine, die versucht in einer religiösen Beziehung mit den Nordischen Göttern ihr Leben zu führen, doch mich interessieren vor allem die Götter wie sie jetzt sind und nicht wie man sie damals verstanden hat. Ich hoffe ich habe damit die möglichen Missverständnisse ausgebügelt.


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RE: Gute Götter und Ethik und Religion

#7 von Kolag_Hraban , 15.11.2015 21:20

Lieber Eberhard,

dann versuche ich mal Dir zu antworten

Zitat von Bruder Eberhard
Eure Ausführungen bereiten mir eine Art von "Backflash", da ich exakt dieselben Ansichten in den 90er Jahren selber vertreten habe, sogar schriftlich. Es ist, als ob mich meine eigene Vergangenheit einholen würde...



Nun, das ist ja nicht schlimm, wenn man früher recht gehabt hat

Zitat von Bruder Eberhard
Es stellt sich jedoch die Frage, warum die antiken Griechen und Römer so scharf zwischen einerseits den Göttermythen und andererseits der kultischen Praxis der Götterverehrung unterschieden haben, so als ob die in den Mythen beschriebenen Götter überhaupt rein gar nichts mit den kultisch verehrten Göttern zu tun hätten?

Insofern ziehe ich den Schluss, dass die Edda herzlich wenig mit der kultischen Praxis zu tun hat. Und gerade die kurze Episode über Tyr in der Edda hat meiner Auffassung nach nicht das Allergeringste mit dem ursprünglichen Tyr gemein.

Im Hinduismus, der mit dem Heidentum vergleichbar ist, unterscheiden die gläubigen Anhänger der Gottheit Shiva (der meinem Verständnis nach gewisse Parallelen mit Loki aufweist) ganz scharf zwischen dem "offiziellen Shiva" mit seinen kosmischen Dienstleistungen, also sozusagen der "beruflich tätige Shiva", und andererseits dem "privaten Shiva" ausserhalb seiner kosmischen Aufgaben und Dienstleistungen, der komplett andere, nämlich "private" Ansichten vertreten kann, als der "beruflich tätige Shiva".



Nun ich finde es problematisch tausende von Jahren und Kilometern hin und her zu hüpfen und daraus den Schluss zu ziehen, die Edda würde nicht die Götter so wiedergeben, wie die Altvorderen zu dieser Zeit sie verstanden haben.
Wir alle wissen, dass die Götter sich über die Zeit entwickelt, und Ihre Deutung sich verändert hat - also auch Tyr - der lange vor der Entstehungszeit der Edda als Himmelsgott verstanden wurde.
Aber eben nicht zur Edda Zeit.
Die Episode des Eidbruchs der Tyr in der Edda mag kurz sein, aber dadurch nicht weniger aussagekräftig. Ich weiss, sie ist vielen Asatru unangehm, sprengt sie doch ganze Weltbilder
Und der Eidbruch des Tyr ist nur eine einzige von sehr vielen Ereignissen in der Edda, die nicht ins Konzept der guten Götter passen.

Nach deiner Argumentation wäre die Edda nicht mehr als ein altertümlicher Fantasy Roman.
Selbst das Pfadfinder-Liederbuch hätte dann mehr Aussagekraft !
Ich kann mir beim Besten Willen nicht vorstellen, warum diese Götter-Lieder und Geschichten dann überhaupt über lange Zeit erzählt, und letztlich aufgeschrieben wurden.
Das macht gar keinen Sinn !

Zitat von Bruder Eberhard
Gemäss Eurer Auffassung (und gemäss meiner eigenen Auffassung, die ich selber in den 90er Jahren vertrat), also wenn Gut und Böse tatsächlich relativ sein sollten, dann müssten die alten Germanen (und auch die modernen Asatruar) auch Kräfte verehrt haben, die verantwortlich sind für Krankheiten, Seuchen, Missernten, Hungersnöte, Armut, Unheil innerhalb der eigenen Sippe, Neid oder anderes Schädliches. Verbrecher und "Neidinge" (altgermanische Bezeichnung für gesellschaftlich Verfemte, Geächtete auf der alleruntersten Stufe) müssten nach Eurer Darlegung bei den alten Heiden in höchsten Ehren gestanden haben.

Also, die Frage lautet noch einmal: Verehrten die alten heidnischen Germanen Krankheiten, Seuchen, Missernten, Hungersnöte, Armut, Unheil, Neid oder anderes Schädliches? Wünschten sie sich gegenseitig im Haus einen "schlechten Tag"?



Nein, sie verehrten keine Seuchen und Krankheiten. Keiner tut das, egal um welche Götter es sich handelt.
Jeder Mensch wünscht sich im Normalfall für ihn positive Dinge von den Göttern.
Wenn er eine höhere Macht verehrt, so bittet er gerne diese darum, ihm zu helfen.
Er bittet diese Macht aber doch um diese Dinge, weil er sie für mächtig genug hält, ihm zu helfen, und nicht weil sie absolut gut ist.
Er muss diese Gottheit nur hierfür nur als machtvoll genug, geeignet und willens halten.
Ob diese Gottheit absolut gut ist oder nicht spielt dabei keine Rolle.

Du vermengst, das was sich die Menschen wünschen, mit den Eigenschaften der Götter. Das hat aber gar keinen zwingenden logischen Zusammenhang, es sei denn die Menschen hätten sich ausuchen können, wie die Götter sind.

Zitat von Bruder Eberhard
(Es mag sein, dass in einigen modernen Asatru-Bücher heutzutage etwas anderes behauptet wird, aber die zählen für mich nicht, weil die Autoren solcher Schriften oftmals nach eigenem Gutdünken und eigenen Glaubenserfahrungen sich selbst "philosophisch" irgendetwas zusammenreimen, sozusagen "Daumen mal Pi", jedoch ohne Quellenbelege.)



Du weisst aber schon, dass alte Bücher auch nicht per se besser sind als neue ?

Zitat von Bruder Eberhard
Die Behauptung, wonach der Kampf zwischen den Kräften der Ordnung und des Chaos' notwendig sei, damit Leben überhaupt erst entstehen könne, ist mir - bei allem Respekt - völlig unverständlich. Wie soll aus einem "Wechselspiel" mit Krankheiten, Seuchen oder mit deren Erregern, z.B. mit dem HI-Virus, "Leben" entstehen? Stünde dies nicht konträr zu jeglicher medizinischer Erkenntnis? Diesbezüglich würde ich mich wirklich über eine aufhellende Erklärung freuen...



Hmm ich dachte das hätte ich erklärt.
Du musst Dir nur den Jahreskreis anschauen.
Da gibt es Phasen der Wachstums und des Lebens, und Phasen des Sterbens. Beide braucht es zwingend, und ergeben das Rad des Jahreskreislaufes.
Jede dieser Phasen braucht es, damit sich das Rad drehen kann.
Dieses Prinzip findet sich in der Natur (auch im Kosmos), bei den Menschen, und letztlich in den Göttermythen.
(Ragnarök, Frostriesen, Feuerriesen.... )

Zitat von Bruder Eberhard
Die Behauptung, dass der Mensch "nur" ein Tier sei, genaugenommen ein Säugetier aus der Gattung der Primaten, ist völlig neu und entstammt dem rein materialistischen Darwinismus sowie der völlig unbewiesenen Evolutionstheorie, welche ein materialistisch-ideologisches Konstrukt ist, das von A bis Z empfindliche Lücken aufweist, angefangen mit der angeblichen "Ursuppe". Durch einseitige ideologische Propaganda an allen Schulen sowie in den Medien sollen gemäss der materialistischen Doktrin alle Menschen endlich "zur Vernunft" kommen und glauben, dass sie Tiere seien; Tiere, die aufgrund irgendwelcher "Störfaktoren" der Evolution irgendwann einmal begonnen hätten, sich zu bekleiden. Dieser Gedanke ist in der heutigen Gesellschaft mittlerweile dermassen allgegenwärtig, dass er kaum noch wegzudenken ist, obwohl er bei genauerem Hinblick in der Zukunft noch ziemlich gefährlich werden könnte, möglicherweise sogar politisch, aber das ist ein anderes Thema.


Egal wie man über die Evolutionstheorie denkt:
Eine gesunde Beobachtungsgabe über das Verhalten von Menschen reicht aus um festzustellen, dass die Verhaltensweise von Mensch und Tier sehr oft synchron laufen.
Weiter überrascht uns die Forschung immer wieder, mit neu entdeckten Fähigkeiten von Pflanzen und Tieren, die bislang hoffnungslos von uns Menschen unterschätzt wurden.
Manche Eigenschaften, die bisher nur uns Menschen gutgeschrieben wurden, finden können wir mittlerweile bei Tieren wiederfinden.
Daher halte ich ein Vergleich von Mensch und Tier für legitim.
Manches stammt auch einfach meine persönlichen Gedanken und Beobachtung meiner Umwelt und stammt weder aus "esoterischen" Büchern noch aus der Edda.

Den Label Esoterik bekommt oft der aufgedrückt, der eine abweichende Meinung im Heidentum vertritt, so habe ich das schon oft mitbekommen. Wobei man sich schon wieder endlos streiten könnte was Esoterik überhaupt ist.

Zitat von Bruder Eberhard
.S.: Die Guten Menschen kommen laut der Snorra-Edda selbstverständlich nicht nach Walhall, sondern in einen höheren Himmel, der Asgard übergeordnet ist und Gimle genannt wird.


Gimle ist nach VPS.64 ein Ort an dem die nach Menschen nach Ragnarök wohnen werden.
Weiterhin, gebe ich zu, gibt es bei Snorri Gylf 3 und 51 auch ein Gimle wo die guten Menschen hin kommen, nach Rudolf Simek ist diese Darstellung aber "zweifellos stark christlich geprägt" ;-p

Zitat von Bruder Eberhard
P.P.S: Die Götter repräsentieren für mich nicht Naturkräfte, sondern kosmologische Ur-Aspekte, welche der irdischen Natur hierarchisch weit übergeordnet sind, wie das auch im Hinduismus üblich ist. Die irdische Natur ist hierbei nur ein sehr ferner und sehr schwacher Abglanz der höheren himmlischen Realitäten.



Nun das sehe ich auch so. Naturkräfte herrschen bei mir auch im Kosmos
Wenn ich von Naturprinzipien spreche, so meine ich dies nicht nur aufs irdische reduziert.


Grüsse Kolag Hraban



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RE: Gute Götter und Ethik und Religion

#8 von Bruder Eberhard , 15.11.2015 23:05

Liebe Kerry, lieber Kolag_Hraban,

nun habe ich Eure ausführlichen Antworten aufmerksam gelesen.

In aller Kürze zunächst zu Kerry:

Ich beziehe bei meinen Ausführungen fast keine persönlichen Ausführungen mit ein, sondern übe mich von Kindheit an einfach darin, so radikale philosophische Gedanken wie nur möglich aufzuwerfen und kompromisslos zu Ende zu denken. Und überdies lese ich halt gerne so radikale Philosophiebücher wie nur möglich...

Zur jüdischen Religion kennst Du Dich zweifelsohne tausendmal besser aus als meine Wenigkeit. Ich kenne u.a. lediglich folgende rabbinische Überlegung, dass es auffallend ist, dass die Thora, also das Alte Testament, am Anfang des ersten Buches Genesis mit dem ersten Vers beginnt: "Am Anfang schuf Gott Himmel und Erde", auf Hebräisch: "Bereschit bara elohim et ha schamajim we et ha eretz." Laut den Rabbis ist es kein Zufall, dass die ersten beiden Wörter von Genesis 1,1 mit dem Buchstaben B beginnen, die im hebräischen Alphabet den Zahlwert 2 haben. Am Anfang der Bibel steht auf Hebräisch zweimal die Zwei! Damit würde einerseits auf die versteckte zwiefache Lesart der ganzen Thora hingewiesen werden, und darüber hinaus auf die zwiefache Art der Zweiheit. Demzufolge sei vieles, was im Alten Testament über Gott geschrieben steht, völlig anders zu verstehen...

Das mit dem Opfern sehe ich anders, weswegen das Opfern für mich noch nie eine relevante Rolle gespielt hat. Und obwohl ich eine Art von "Prasad" als Opfer praktiziere, was ich aus dem Hinduismus geklaut habe, hat das eher eine eine ziemlich untergeordnete Bedeutung für mich.

Und ja, ich gestehe, dass ich das sakralmonarchistische Prinzip des Gottesgnadentums, das sich von "oben" von der Transzendenz herleitet, tatsächlich für ECHT halte und nicht für etwas von Menschen Gemachtes. Ich vertrete in vielen Punkten halt zutiefst mittelalterliche und "unaufgeklärte" Ansichten, aber das ist mein Privatkram und hat herzlich wenig mit Asatru zu tun. (Abgesehen von dem Umstand, dass das sakrale Gottesgnadentum auch bei den heidnischen Königen Skandinaviens nachweisbar ist.)

Ansonsten sehe ich vieles ähnlich wie Du, aber es stimmt, wir haben ein semantisches Problem, weil wir viele Begriffe komplett unterschiedlich benutzen.

Ich finde es jetzt grad auf Anhieb leider nicht mehr in Deinem Text, aber irgendwo deutest Du mit komplett anderen Worten an, was ich mit dem wirklich wichtigen Unterschied zwischen Polarität und Dualität gemeint habe. Dazu gleich mehr:


Denn nun in aller Kürze zu Kolag_Hraban:

Bezüglich Tyr ist für mich die Tyr-Rune relevant sowie ihre Übereinstimmung in Form (und Namen!) mit der Irminsul.

Hey, bitte nichts gegen Pfadfinder-Liederbücher!

Mit Verlaub, aber Du erklärst immer noch nicht, warum die alten heidnischen Germanen keine Krankheiten und Seuchen verehrt haben, was nach der Logik Deiner Darlegungen zwingend notwendig wäre. Wenn Du sagst, dass jeder Mensch sich im Normalfall für ihn "positive Dinge" von den Göttern wünschen würde, dann nimmst Du selber schon wieder eine Wertung zwischen positiven und negativen Dingen vor, also zwischen Gut und Böse. Also genau das, was Du ja eigentlich vermeiden wolltest...

Warum sich Menschen Eigenschaften der Götter wünschen sollen, dazu werde ich gleich kommen...

Du unternimmst ebenfalls keine Unterscheidung zwischen Polarität und Dualität, obwohl Deine Erklärung bezüglich des Jahreskreises genau darauf hinausläuft. Wachstum und Sterben, einatmen und ausatmen, Tag und Nacht, Ebbe und Flut, Plus-Strom und Minus-Strom, Mann und Frau: das alles sind Polaritäten, die einander bedingen und von denen jeweils beide Pole sozusagen "positiv" sind.

Doch wieder lässt Du meine Frage unbeantwortet, was denn nun mit Krankheiten, Seuchen, Lungenentzündungen, Beulenpestilenz, HI-Virus, krimineller Verlogenheit, bitterer Armut, Hunger, qualvollen Schmerzen, Mangel, Obdachlosigkeit, vergiftetes Essen oder Auschwitz ist? Und ob diese Dinge ebenfalls für die Entstehung von Leben notwendig seien? Die logische Antwort kann nur lauten: NEIN, natürlich nicht! Und zwar, weil es sich hierbei nicht um Polaritäten, sondern um sogenannte Dualitäten handelt, die stets ein krankhaftes Zuviel oder ein Zuwenig bedeuten, bzw. Dinge, die wirklich kein Schwein im Leben braucht und die man deswegen auch niemandem wünschen sollte.

Das ist der Witz an der Sache! Wenn man sich philosophischen Überlegungen hingibt und wenn man "A" sagt, dann sollte man auch "B" sagen. Es ist logisch, dass es ZWEI völlig verschiedene Arten von ZWEIHEITEN gibt, das liegt schon von Natur aus in der Zahl Zwei begründet.

Falls Du mit Deinen obigen Darlegungen ausschliesslich die Polaritäten wie Wachstum und Sterben, Frühling und Herbst, Ebbe und Flut, männlich und weiblich gemeint haben solltest, dann gebe ich Dir selbstverständlich recht, wobei das alles nichts mit Gut und Böse zu tun hat. Aber auf Krankheiten, Schmerzen, Leid oder Mangel, also auf Dualitäten, wirst auch Du hoffentlich dankend verzichten können...

Und damit sind wir beim Thema: Man kann sich winden wie man will, aber Krankheiten und Schmerzen sind nun einmal für jeden Menschen SCHLECHT und komplett überflüssig, so dass man beim besten Willen nicht um eine Unterscheidung zwischen Gut und Böse herumkommt. Und die Definition von "bösen Dingen" ist im Wesentlichen auch nicht bei jedem individuell so sehr anders. Zeig mir einen einzigen Menschen, der sich über eine Lungenentzündung freut! Es gibt Dinge, die einfach schlecht sind. ABER: Es gibt nicht das absolut Böse! Das "absolut Böse" entpuppt sich in der akkuraten philosophischen Analyse als ein Ding der Unmöglichkeit. (Im Gegensatz zum absolut Guten...)

Man kann Menschen auch mit Steinen, Bäumen oder mit Gebüschen vergleichen, nicht nur mit Tieren. Es ist bloss so, dass ich sämtliche paläontologischen, anthropologischen und archäologischen Befunde dahingehend deute, dass sämtliche Menschen durch Involution von höheren Lichtwesen, bzw. von Göttern oder Engeln abstammen, was ausnahmslos ALLE Menschen in ihrem innersten Seelenkern nach wie vor eigentlich noch immer wären. Daher ist es das legitime Recht aller Menschen, sich die absolute Glückseligkeit jenseits der räumlich-zeitlichen Relativität zurückzuwünschen.

So, so, jetzt tauchen wider Erwarten dennoch angeblich "christliche Einflüsse" in der Snorra-Edda auf. Na, auch ein Rudolf Simek kann sich irren. Wenn man das Konzept von Gimle mit dem Hinduismus vergleicht oder mit den hierarchischen Hypostasenstufen im heidnischen Neuplatonismus, dann ist Gimle wohl das Allermindeste, was man in der nordischen Überlieferung erwarten kann.

Und ja, es kommt immer darauf an, wie man "Natur" definiert. Heutzutage wird dieses Wort stark von den ideologischen Materialisten vereinnahmt ("Naturalismus"). Es freut mich, dass Du das eher so siehst wie ich...

In meinen obigen Beiträgen habe ich den Begriff "Esoterik" tatsächlich in negativer Weise gebraucht. Dabei benutze ich dieses Wort in anderen Zusammenhängen durchaus auch im positiven Sinne. In der klassischen Religionsphilosophie und in der Theologie hat "Esoterik" ursprünglich eine völlig andere Bedeutung, nämlich als höher stehender Gegensatz zur sogenannten Exoterik (mit "x"!), und zwar in ALLEN Religionen, wobei mit Esoterik dann die höhere Metaphysik und die Mystik gemeint ist, im Gegensatz zur normalen Volksreligion der "normalen" Gläubigen und Kleriker.

 
Bruder Eberhard
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RE: Gute Götter und Ethik und Religion

#9 von Kolag_Hraban , 16.11.2015 02:13

Lieber Eberhard,

ich habe dir sehr wohl auf alle Fragen geantwortet. Ich habe den Eindruck es ist nicht angekommen.

Zitat von Bruder Eberhard
Mit Verlaub, aber Du erklärst immer noch nicht, warum die alten heidnischen Germanen keine Krankheiten und Seuchen verehrt haben, was nach der Logik Deiner Darlegungen zwingend notwendig wäre. Wenn Du sagst, dass jeder Mensch sich im Normalfall für ihn "positive Dinge" von den Göttern wünschen würde, dann nimmst Du selber schon wieder eine Wertung zwischen positiven und negativen Dingen vor, also zwischen Gut und Böse. Also genau das, was Du ja eigentlich vermeiden wolltest...



Da gerät m.E. einiges Durcheinander.
Es ist ein Unterschied ob ich persönlich etwas Schön oder schlecht empfinde, oder ob etwas generell Gut oder Böse ist !
Ich habe nicht behauptet das es für eine einzelne Person keine als Gut oder als Schlecht empfundene Ereignisse gibt, diese sind aber nicht generell Gut oder Böse - es ist ein Frage des Blickwinkels.
Das ist ein wichtiger Unterschied.
Ein Beispiel: ich habe einen Job gefunden, das ist für mich gut ! Aber 10 andere Bewerber haben deshalb eine Absage bekommen - das ist für sie schlecht. Für mich kann nich werten als gut, aber Ist es nun absolut Gut oder Schlecht ?

Du meinst wenn es keine absolut guten Götter gibt, so hätten die Altvorderen Krankheiten oder anderen "schlechten" Mächten opfern müssen.
Da ziehst du einen logischen Schluss den ich nicht sehe !

Persönlich wünschen wir uns immer für etwas Vorteilhaftes (subjektiv gutes) , klar.
Die Mächte, an die wir glauben bitten wir darum - logisch.
Aber der Knackpunkt ist eben , dazu muss es sich nicht um eine absolut gute Macht handeln.
Das ist m.E. dazu nicht zwingend notwendig,
Es reicht, dass dies eine Macht ist, die mächtig genug ist und ich sie potentiell für willens halte, mir zu helfen.
Es ist nicht notwendig das es sich dabei um eine absolut gute Macht handelt, damit ich mir für mich etwas subjektiv Gutes erbitte !
Daher brauchen sie auch nicht den "schlechten" Mächten opfern. Da sehe ich keinen zwingenden Zusammenhang.

Und daher kann ich schon von persönlich schlechten Dingen sprechen , und trotzdem gibt keine absolut guten oder schlechten Götter oder Riesen.
Sie gehören beide zwingend zu einem System, das der kosmischen Ordnung folgt ! Es braucht zwingend beide, daher kann man sie gar nicht in absolut Gut oder Schlecht schubladisieren.
Dies kommt auch in den Mythen zum Ausdruck ! Wo es keine Hinweise auf absolut gute Götter gibt !
Es gibt sogar eine menge Gegenbeispiele. Und die ganze Geschichte der Mythen folgt diesem Gedanken, vom Wechselspiel der Kräfte, von der Herrschaft der Götter bis zu Ragnarök, zum Chaos und Niedergang.
danach entsteht wieder die neue Zeit. Es beginnt von Neuem.
Werden und Vergehen, wie in unserem (irdischen) Jahreskreis. Damit das aber so ist, braucht es beide Kräfte, es kann auf keine verzichtet werden. Damit ist für mich eine objektive Wertung hinfällig !

Ich bin jetzt mit Absicht nur auf den m.E. wichtigsten Punkt eingegangen. Den Rest schenken wir uns


Grüsse Kolag Hraban



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RE: Gute Götter und Ethik und Religion

#10 von Bruder Eberhard , 16.11.2015 09:06

Lieber Kolag_Hraban,

auweia, schon am frühen Morgen geht's weiter...
Ich hätte mir auch mal etwas Entspannung erhofft...

Gut und Böse sind letztlich eben keine subjektive Frage des persönlichen Blickwinkels. Es scheint äusserlich nur so zu sein. Es handelt sich hierbei um eine Illusion.

Dein eigenes von Dir vorgebrachtes Beispiel beweist es in der näheren Analyse:
Du hast einen Job bekommen, was für Dich gut ist.
Zehn andere Leute haben eine Absage bekommen, was für sie schlecht ist.

Wenn wir die persönlichen Fürwörter weglassen und nur die nüchternen Fakten anschauen, dann liest es sich jedoch folgendermassen:
Job bekommen ist gut; und zwar ganz allgemein.
Absage bekommen ist schlecht; und das ebenfalls ganz allgemein.

Du lässt Dich von einer Unterscheidung zwischen "ich" und "die anderen" täuschen. Es lassen sich jedoch in Wahrheit allgemein gültige Aussagen machen, was gut und was schlecht ist. Falls ungünstigerweise Du eine Absage erhalten hättest, aber die zehn anderen den Job, dann würde das noch immer nichts am grundlegenden Fakt ändern, dass es gut ist, wenn man einen Job bekommt, aber schlecht, wenn man eine Absage bekommt.


Diese Täuschung lässt sich folgendermasse illustrieren:

Wenn Du in einen Spiegel schaust, dann sind Deine linke und Deine rechte Seite miteinander "spiegelverkehrt" vertauscht. Doch wieso sind im Spiegelbild nicht auch oben und unten miteinander vertauscht?

Antwort:
Weil diese Überlegung von Anfang an eine Täuschung war! Wenn Du mit Deiner rechten Hand den Spiegel vor Dir berührst, dann berührst Du die rechte Seite des Spiegels. Die linke und die rechte Seite sind in Wahrheit gar nicht miteinander vertauscht, sondern rechts ist immer noch dort, wo rechts ist, und links, wo links ist; und daher sind auch oben und unten nicht miteinander vertauscht.

Und genauso ist es IMMER gut, wenn man einen Job erhält, aber immer schlecht, wenn man eine Absage erhält. Eine Unterscheidung zwischen "ich" und "die anderen" zählt hierbei nicht, es handelt sich hierbei um eine Täuschung, welche durch die Identifikation mit der räumlich-zeitlichen Relativität ausgelöst wird.


Dass die alten heidnischen Germanen auch Krankheiten und Seuchen hätten verehren müssen, war nur ein konsequent fortgesponnenes Gedankenspiel von mir, welches zwangsläufig auf die Hypothese folgen muss, wonach Gut und Böse relativ seien, sich gegenseitig bedingen würden, eine Unterscheidung je nach persönlichem Blickwinkel subjektiv und deshalb unterschiedlich ausfallen oder gar nicht existieren würde. Ich warte immer noch darauf, dass Du mir den Menschen zeigst, der sich über eine Lungenentzündung oder über die Beulenpestilenz freut, vor allem, wenn es ihn selbst erwischt.


Die Göttinnen und die Götter, die ich verehre, sind nicht absolut, was philosophisch unmöglich wäre. In der strengen philosophischen Analyse gibt es nur sehr wenig Spielraum bezüglich der absoluten Realität. Viele Philosophen und Mystiker, die sehr wohl an die absolute Realität glaubten, meinten sogar, es gäbe gar keinen Spielraum. Diese Sichtweise nennt man dann "Negative Theologie".

Ich hingegen glaube, dass zur absoluten Realität einerseits die Nondualität (= Nichtzweiheit) gehört, Sanskrit: Advaita, aber andererseits zugleich auch die Individualität (= Unteilbarkeit), altgriechisch: atomos; entspricht im Hinduismus weitestgehend dem Atman.

Das bedeutet, dass im Zweifelsfalle der INDIVIDUELLE Blickwinkel philosophisch Vorrang hat. Durch den individuellen Blickwinkel lässt man sich dann auch nicht täuschen, dass einen Job zu erhalten generell für ALLE gut ist, eine Absage zu erhalten generell für ALLE schlecht. Der individuelle Blickwinkel ist also keineswegs zwangsläufig subjektiv. Es handelt sich bei der scheinbaren "Subjektivität" um eine Täuschung, welche durch die räumlich-zeitliche Relativität bedingt wird.


Gesundheit; Reichtum; Überfülle; Überfluss, das Gefühl, allgemein von allen anderen Wesen anerkannt, bewundert und geliebt zu werden; Liebe an sich; Wonnegefühl; Harmonie und Glückseligkeit: lauter Dinge, die für ALLE Menschen objektiv GUT sind. Wenn dabei wirklich, wie so viele Menschen heutzutage behaupten, der persönliche Blickwinkel der Menschen sich voneinander unterscheiden würde, wo sind dann bitte diejenigen Menschen, die Armut, Krankheiten, Seuchen, Schmerzen, Mangel, Opfer zu sein und ähnliches allen Ernstes für sich persönlich "gut" finden? Ich bitte nach wie vor darum, mir solche Menschen vorzuweisen!

Es gibt nämlich nichts "subjektiv" Gutes. Was scheinbar nur für Dich "subjektiv" vorteilhaft ist, ist insgeheim in Wahrheit durch höhere Teilhabe auch für alle anderen gut.

Du machst noch immer keine Unterscheidung zwischen den zwei verschiedenen Zweiheiten Polarität und Dualität. Weder die Jahreszeiten noch Ragnarök sind an sich für irgendjemanden etwas Schlechtes.


Das Ganze wird auf der philosophischen Ebene am Schluss zu einer Art mathematischen Gleichung, bei der man durch Kürzungen, Streichungen und Weglassungen ein möglichst effizientes Ergebnis zu erzielen trachtet, bzw. wie bei Bruchrechnungen, wo am Schluss alles auf einen gemeinsamen Nenner gekürzt wird:

Ausnahmslos ALLE Menschen streben also in irgendeiner Weise nach Gesundheit; Glück; Reichtum; Überfülle; Überfluss, das Gefühl, allgemein von allen anderen Wesen anerkannt, bewundert und geliebt zu werden; Liebe an sich; Wonnegefühl; Harmonie und Glückseligkeit. KEIN einziger Mensch strebt nach Armut, Krankheiten, Seuchen, Schmerzen, Mangel, Opfer zu sein und ähnliches. (Die wenigen Masochisten, die es gibt, haben diesbezüglich ganz eindeutig irgendeine mentale Störung, aber auch Religiöse, die glauben, sie müssten in Armut und in Schmerzen leben, um "gottgefällig" zu sein, haben irgendetwas an ihrer jeweiligen Religion falsch verstanden.)


Der göttliche Platon, einer der unangefochten allergrössten Philosophen des Abendlandes, reduzierte im dialektischen Diskurs das Streben aller Menschen nach Gesundheit; Glück; Reichtum; Überfülle; Überfluss, das Gefühl, allgemein von allen anderen Wesen anerkannt, bewundert und geliebt zu werden; Liebe an sich; Wonnegefühl; Harmonie und Glückseligkeit auf drei abstrakte Urprinzipien, nämlich das Gute, das Wahre und das Schöne, wobei sich diese Prinzipien jeglichen räumlich-zeitlichen, also irdisch-subjektiven Massstäben transzendierend entziehen. Am Schluss bleibt bei Platon sogar nur noch ein einziges Prinzip übrig: das Eine. (Damit ist aber keineswegs gemeint, dass alles einfach "eins" sei!)

Boëthius, selber zum Tode verurteilt im Kerker schmachtend, nennt das höchste Prinzip, das am Schluss noch übrig bleibt, die "höchste Glückseligkeit". Absolut JEDER strebt bewusst oder unbewusst nach der absoluten Glückseligkeit. Und diejenigen, die es nicht tun, z.B. Kriminelle, die sich indirekt selbst schädigen, berauben sich dadurch - gemäss Boëthius - ihrer eigenen Existenz.


So läuft das in der Philosophie, wie ich sie liebe: Knallhart und so radikal wie möglich sämtliche Gedankengänge bis zum unwahrscheinlichsten Schluss zu Ende denken - mitsamt ALLEN noch so unwahrscheinlichen Konsequenzen, die ein Gedankengang oder eine Behauptung mit sich bringen könnte. Und danach wird alles nach der Art einer mathematischen Gleichung zusammengekürzt und auf einen gemeinsamen Nenner gebracht. Kein Wunder, dass viele der allergrössten Philosophen und Esoteriker zugleich auch grosse Mathematiker waren, wie Pythagoras oder Proklos.

Dabei bleibt kein Platz mehr für räumlich-zeitliche Täuschungen, wenn man glaubt, sich mit der relativen Realität einseitig indentifizierend "differenzieren" zu müssen: "Aber mein Komposthaufen, der für mich und meine Gartenarbeit etwas Gutes ist, bereitet durch seinen Gestank meinem Nachbarn Verdruss, ist für ihn also etwas Schlechtes." SO ist es bei genauerer Analyse eben nicht! Letztendlich hat die philosophische Analyse nach der Art von mathematischen Gleichungen etwas sehr Meditatives und Kontemplatives. Einer wie Platon (und umso ausgeprägter dessen heidnische Epigonen wie Plotin oder Proklos), der am Schluss bei einem einzigen Prinzip in der transzendentalen Realität hängenbleibt, nämlich dem Einen, so einer hat auf Erden nichts mehr zu verlieren und kann sich von Innen heraus absolut glücklich fühlen.

Proklos nennt es zuweilen "das Einfache": Dasjenige Prinzip, welches am "Einfachsten" ist, muss konsequenterweise das Ursprünglichste und Höchste von allem sein, da alles andere, auch alle Vielheit, rein mathematisch am Einfachen Anteil hat. Proklos liest sich über weite Strecken tatsächlich wie ein knallharter Mathematiker. Alles Menschlich-Subjektive hat in seinen radikalen philosophischen Schlussfolgerungen keinen Platz, obwohl er zugleich ein heidnischer, götterverehrender Mystiker war.

 
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RE: Gute Götter und Ethik und Religion

#11 von Kerry , 16.11.2015 15:00

Nun ja, so ein lebhaftes Gespräch verlangt einem zum Teil schon recht viel ab, dafür macht es aber Spass. Du musst, meiner Meinung nach, aber nicht zwingend sofort antworten: unsere Postings können auch ein wenig auf Antworten warten, wenn du eine Pause brauchst. Falls wir es hier nicht schaffen würde ich gerne bei Gelegenheit mit dir in aller Ruhe versuchen unser semantisches Problem aufzuheben, denn ich bin auch zu dem Schluss gekommen, dass wir vieles doch ähnlich sehen.

Zitat von Bruder Eberhard
Ich beziehe bei meinen Ausführungen fast keine persönlichen Ausführungen mit ein, sondern übe mich von Kindheit an einfach darin, so radikale philosophische Gedanken wie nur möglich aufzuwerfen und kompromisslos zu Ende zu denken. Und überdies lese ich halt gerne so radikale Philosophiebücher wie nur möglich...

Ich kann es gut nachvollziehen, dass es Spass macht radikale Gedanken zu Ende zu denken, doch persönliche Erfahrungen sind mir dabei unerlässlich. Du hast sicher deine eigene Gründe warum du sie nicht mit einbeziehst, daran zweifele ich nicht. Für mich aber liegt das Ziel des Ganzen darin, sich der Wahrheit zu nähern. Sonst wird das Ganze zu einem reinen Gedankenspiel reduziert. Man selber ist genauso in der Lage die Wahrheit zu erfahren wie die Menschen es waren, die du zitierst oder wie jene Menschen es waren, welche sie zitiert haben.

Zitat von Bruder Eberhard
Zur jüdischen Religion kennst Du Dich zweifelsohne tausendmal besser aus als meine Wenigkeit. Ich kenne u.a. lediglich folgende rabbinische Überlegung, dass es auffallend ist, dass die Thora, also das Alte Testament, am Anfang des ersten Buches Genesis mit dem ersten Vers beginnt: "Am Anfang schuf Gott Himmel und Erde", auf Hebräisch: "Bereschit bara elohim et ha schamajim we et ha eretz." Laut den Rabbis ist es kein Zufall, dass die ersten beiden Wörter von Genesis 1,1 mit dem Buchstaben B beginnen, die im hebräischen Alphabet den Zahlwert 2 haben. Am Anfang der Bibel steht auf Hebräisch zweimal die Zwei! Damit würde einerseits auf die versteckte zwiefache Lesart der ganzen Thora hingewiesen werden, und darüber hinaus auf die zwiefache Art der Zweiheit. Demzufolge sei vieles, was im Alten Testament über Gott geschrieben steht, völlig anders zu verstehen...

Es gibt zu dem hier einen sehr verbreiteten, passenden Spruch: „Zwei Juden, drei Meinungen.“ In der jüdischen Kultur argumentiert man gerne und zitiert oft mehrere, widersprüchliche Interpretationen zum gleichen Thema und bei Überlegungen bzgl. Religion ist das auch nicht anders. Schon der Talmud umfasst mehrere, grosse Bänder und das war erst der Anfang. Ich kenne diese Theorie. Ich kenne auch andere. Meine Lieblingstheorie ist rein zufällig eine andere: dass die Thora mit der zweiten Buchstabe des Alephbets beginnt, weil es „Gott“ zuerst gab und dann erst die Schöpfung, in Wichtigkeit und in „zeitlicher“ Reihenfolge. Aleph, der erste Buchstabe, ist einer von jenen, die man einsetzt um zu zeigen, dass dort ein Vokal ist, doch die Vokale im Hebräischen bestehen aus Punkten und Strichen, welche man den Buchstaben dazugibt. Folglich ist der einzige, eigene Ton eines Alephs ein Atemzug. Den nimmt man zwingend bevor man diesen Satz liest, vorliest, singt oder sonst etwas damit macht. Das gilt dann als Erinnerung sowohl daran, dass „Gott“ uns Leben eingehaucht hat, als auch daran, dass „Gott“ schon vor der Schöpfung existiert hat.

Zitat von Bruder Eberhard
Das mit dem Opfern sehe ich anders, weswegen das Opfern für mich noch nie eine relevante Rolle gespielt hat. Und obwohl ich eine Art von "Prasad" als Opfer praktiziere, was ich aus dem Hinduismus geklaut habe, hat das eher eine eine ziemlich untergeordnete Bedeutung für mich.

Egal wie man selber das Opfern versteht, die meisten Menschen sehen darin einen Austausch. Folglich gilt mein Argument dennoch. Wie in vielen anderen Hinsichten ist die Realität nicht so simplistisch wie das Modell, dennoch war diese Ansicht auch in alten Zeiten stark verbreitet. In der Mythologie der Maya ist es sogar deutlich hervorgehoben: der Hauptgrund, warum die dortigen Götter mehrere Versuche brauchten um die Menschen richtig hinzukriegen war es, dass die anderen Versionen entweder nicht opfern konnten oder sich geweigert haben. Die Menschen haben die Mythologie möglicherweise so geschrieben, weil sie glauben wollten, dass sie etwas hatten was die Götter brauchten und daher weniger das Gefühl hatten einem willkürlichen Universum ausgesetzt zu sein, da sie damit etwas in der Hand hatten um die Götter umzustimmen. Tatsächlich sind viele Götter eher bereit einem zu helfen, wenn man eine Gegenleistung erbringt: ob sie sehen wollen ob man es wirklich ernst genug meint, dass es ihrer Zeit wert ist, oder dadurch die Energie zurückgewinnen, die für den Kraftaufwand nötig war, hängt von der einzelnen Gottheit und / oder der Situation ab. Andere verlangen, dass man zuerst die Mühe macht sich um seinen eigenen Kram zu kümmern und schreiten nur ein, wenn man es selber auch macht. Sie nehmen sich zwar Zeit für uns, haben aber dennoch auch anderes zu erledigen. Es gibt aber auch Fälle, in denen sie andere Regeln gelten lassen. Andererseits hat mir der allerhöchste „Gott“ fast nie ein Opfer abverlangt. Ich vermute auf der Ebene gelten andere Regeln.

Zitat von Bruder Eberhard
Ich finde es jetzt grad auf Anhieb leider nicht mehr in Deinem Text, aber irgendwo deutest Du mit komplett anderen Worten an, was ich mit dem wirklich wichtigen Unterschied zwischen Polarität und Dualität gemeint habe.

Meinst du diesen Teil? Ich bin sehr neugierig:

Zitat von Kerry
Ich vermute es liegt hierbei auch ein Unterschied in der Definition vor: ich verstehe „Ordnung“ und „Chaos“ als zwei Anteile in der „kosmischen Ordnung“. Ohne diese Art von Chaos, der ein Teil der kosmischen Ordnung bildet, wäre das Ganze wirklich starr und nichts und niemand könnte sich darin bis an sein volles Potential weiterentwickeln. Jedoch gibt es auch eine andere Art von Chaos, nämlich jene, welche die kosmische Ordnung gefährdet.


Zitat von Bruder Eberhard
Doch wieder lässt Du meine Frage unbeantwortet, was denn nun mit Krankheiten, Seuchen, Lungenentzündungen, Beulenpestilenz, HI-Virus, krimineller Verlogenheit, bitterer Armut, Hunger, qualvollen Schmerzen, Mangel, Obdachlosigkeit, vergiftetes Essen oder Auschwitz ist? Und ob diese Dinge ebenfalls für die Entstehung von Leben notwendig seien? Die logische Antwort kann nur lauten: NEIN, natürlich nicht! Und zwar, weil es sich hierbei nicht um Polaritäten, sondern um sogenannte Dualitäten handelt, die stets ein krankhaftes Zuviel oder ein Zuwenig bedeuten, bzw. Dinge, die wirklich kein Schwein im Leben braucht und die man deswegen auch niemandem wünschen sollte.

Solche Dinge sind zwar nicht notwendig damit das Leben entstehen kann, doch sie entstehen fast zwangsläufig aus dem Überlebenskampf verschiedener Wesen auf den unteren Seinsebenen. Auch wenn es auf der allerhöchsten göttlichen Ebene solche Sachen nicht gibt, auf den unteren Ebenen gibt es sie, denn es gelten andere Regeln, auch wenn sich die Ebenen gegenseitig beeinflussen lassen. Da lebensnotwendige Sachen wie Anbaufläche, Wasser und Lebensraum Grenzen haben, welche der Fortpflanzung der Menschen nicht auferlegt sind, kommt es zu Mangelzuständen und viel Leid: das hat aber mit den kollektiven Entscheidungen der Menschheit zu tun und reichlich wenig mit „Gott“ oder „den Göttern“. Daher sehe ich beim besten Willen nicht ein, wieso man dafür eine kosmische Erklärung braucht. Unter etwas, was „wirklich kein Schwein im Leben braucht“ stelle ich mir etwas anderes vor als die natürliche Konsequenzen von Entscheidungen. Natürlich ist es kein perfektes System: schliesslich werden einzelne Personen von negativen Konsequenzen betroffen, die auf die Entscheidungen ganzer Menschenmengen oder sogar ihre Vorfahren zurückzuführen sind. Jede Handlung trägt nun einmal Konsequenzen. Ob man diese als „gut“ oder „schlecht“ definiert ist dafür reines Gedankenspiel. Diese Konsequenzen braucht man tatsächlich um zu merken mit welchem Scheiss man endlich aufhören sollte.

Wir sind aber nicht die einzigen Lebewesen, denen diese Grenzen auferlegt sind: Krankheitserreger versuchen auch nur ihr eigenes Leben zu führen. Dass einzelne Personen dafür leiden müssen ist weniger ein Akt der Götter als ein einfacher Überlebenskampf, die sich aus den Realitäten der materiellen Ebene natürlich ergibt. Da sie vor allem an die unteren Ebenen gebunden sind ist es auch sonnenklar, dass man für sie keine Ursachen auf den höheren Ebenen findet und dass sie daher nicht als (um deine Bezeichnung auszuleihen) Polaritäten zu verstehen sind. Wenn man das Fehlen solcher Zustände als etwas absolutes interpretiert, weil es sowohl auf den höheren Seinsebenen als auch auf den unteren für Einzelpersonen Zeiten ohne sie gibt ist dann reines Gedankenspiel. Kollektiv gesehen wird es solche Sachen aber immer auf der materiellen Ebene geben, solange es nicht genug Ressourcen hat für alles was lebt. Daher finde ich solche Überlegungen für meine Zwecke nutzlos.

Jedoch, obwohl es diese Zustände nur auf den unteren Ebenen gibt, haben wir Bezug auch zu höheren Ebenen und können ihnen dadurch entgegen wirken. Daher kann ich dir leider nicht gänzlich recht geben wenn du sagst: „Man kann sich winden wie man will, aber Krankheiten und Schmerzen sind nun einmal für jeden Menschen SCHLECHT und komplett überflüssig.“ Klar: in einer idealen Welt oder auf den höheren Seinsebenen wären sie überflüssig, doch befinden wir uns dennoch auf der materiellen Ebene und hier dienen sie tatsächlich oft als Feedback-Mechanismus um eine Person zu warnen mit etwas (ein Verhaltensmuster, eine Denkweise, u. Ä.) aufzuhören bevor es sie noch in den Tod führt. Daher wären sie nur dann überflüssig, wenn wir unseren Körpern keinen unbewusstein Leid zuführen würden, was kaum ein Mensch im echten Leben schafft. In TCM vertritt man die Ansicht, dass die Menschen sich, was ihren Körper anbelangt, meistens ihren eigenen Leid erschaffen, was herzlich wenig mit den Göttern zu tun hat. Ihr einziges Einschreiten wäre es dann höchstens ihnen Helfer zu verschaffen oder möglicherweise zu versuchen dieses zu verhindern.

Es ist nicht bewiesen ob das für alle Krankheiten, Schmerzen und Unfällen gilt, jedoch gibt es bei vielen davon, in der Praxis, tatsächlich spezifische Menschentypen, die eher davon befallen sind als andere. Während meiner Ausbildung habe ich von vielen Therapeuten immer wieder Beispiele aus der Praxis gehört, welche diese These stark bestätigen und die Menschen, die ich gekannt habe, welche von den beschriebenen Leiden befallen waren, passen auch in das gleiche Muster. Um es klar auszudrücken, ich rede hier nicht von „Schuld“, „gut“ oder „böse“, sondern lediglich über so etwas wie die „natürliche Gesetze“ der Magie und der Anziehungskraft. Sie sind genauso objektiv wie die Schwerkraft. Man kann sie auch mit dem Wetter vergleichen, welche uns oft nur deswegen unvorhersehbar erscheint, weil wir Luftdruckunterschiede kaum wahrnehmen. Ob eine Wetterfront sich in eine gewisse Richtung bewegt, wegen der Erdrotation, können wir nicht kontrollieren, genau wie wir eine Seuche nicht daran hindern können uns nahe zu kommen (obwohl bei einer Seuche unzählige Entscheidungen anderer (Menschen, Tiere, Erreger, u. Ä) dazu geführt haben, dass es überhaupt existiert). Dennoch reagiert die Wetterfront auch auf unterschiedliche Luftdruckgebiete: daher sind einige Regionen trotzdem mehr befallen als andere. Beim menschlichen Körper wäre eine wissenschaftliche Erklärung der Gründe genauso kompliziert wie bei der Entstehung von Lufthoch- und -tiefdruckgebieten, dennoch kann der Erreger besser eindringen wenn die verschiedene Faktoren dazu geführt haben, dass das Immunsystem geschwächt ist, was hierbei mit einem Tiefdruckgebiet vergleichbar ist. Manche Faktoren sind rein materiell, andere widerum nicht, was es der Schulmedizin noch mehr erschwert vieles zu erklären.

In der TCM wissen wir aber, dass der feinstoffliche Energiekörper den rein materiellen Körper beeinflusst. Dieser wird widerum von anderen Faktoren wie Emotionen, festgefahrenen Gedanken und karmischen Lektionen beeinflusst. Wenn bei diesen Beeinflussungen Krankheiten herbeigeführt werden (bei Krankheiten ohne Erreger) oder der Körper dadurch auf bestimmten Art und Weisen (es wäre zu kompliziert hier alles detailliert zu erklären) geschwächt wird, sodass bestimmte Arten von Erregern eine bessere Chance haben um Fuss zu fassen (wobei diese Arten von Erregern dann sich dafür während dieser Phase auch in der Nähe befinden müssen), so ist der Mensch für dieses bestimmte Leid wenigstens zum Teil selber verantwortlich. Da kein Mensch perfekte Kontrolle über sein Leben hat trägt sein Umfeld auch oft ein Teil der Verantwortung, doch er trägt selber die Verantwortung dafür, wie er darauf reagiert hat. Viele Menschen können mit dieser Ausführung nichts anfangen, oftmals gerade weil sie von Gedanken wie „gut“ und „böse“ geprägt sind, doch ich und viele anderen finden diese Einsicht befreiend. Wenn man ein Teil der Verantwortung selber trägt, so hat man ein Schema durch welches man auch lernen kann diese Leiden zu verhindern. Wenn man die Leiden bereits hat kann es aber unter Umständen zu spät sein um sie auf der langsamen, feinstofflichen Art und Weise zu bekämpfen. Wenn man, z. B. bereits Krebs hat und dieser wirklich auf Grund von feinstöfflichen Veränderungen entstanden ist (es könnte ja auch ganz natürlich kommen, denn die vorausgehende Immunschwäche ist bei hohem Alter ganz normal), so muss man zu drastischen Mitteln greifen und, wenn möglich, gleichzeitig an den Ursachen arbeiten.

Bei meiner ausführlichen Erklärung über Magie habe ich schon besprochen wie unsere Gedankengänge und auch unüberlegte Wünsche zum Teil, je länger wir sie festhalten, starke Auswirkungen auf unseren körperlichen Zustand aufweisen können. Um es kurz zu fassen, unsere Schwingungen auf den anderen Seinsbenen (Emotional, Mental, usw.) können uns für bestimmte Krankheiten anfälliger machen oder zu systemischen Problemen, wie z. B. sonst unerklärlichen Bluthochdruck, führen, mit allen bekannten Folgen, die sich über die Jahre daraus ergeben können. Da die meisten Menschen sich dieser Kräfte die Realität zu verändern völlig unbewusst sind muss es aber keinem wundern, wenn sie den Zusammenhang nicht erkennen. Wenn jemand sich dringend Ferien gewünscht hat und dabei einen Unfall anzieht, durch die er sie mit einem Spitalaufenthalt bekommt, so findet er es vielleicht ironisch, wenn er sich überhaupt noch an den Wunsch erinnert. Seinen eigenen Anteil darin übersieht er aber in den allermeisten Fällen.

Wie man so schön sagt: „Alle Wege führen nach Rom“. Es gibt verschiedene Ursachen, die in einem komplexen System mit- bzw. gegeneinander agieren. Dennoch ergeben sich auch bei anderen Leiden typische Muster. Wenn jemand einen Schlaganfall hat, so hat er meistens über die letzten zwanzig Jahre Probleme mit Energiestau gehabt, dessen Ursachen meist emotional und / oder stressbezogen sind. Das hat auch zu früheren Symptomen geführt, welche aber in der heutigen Gesellschaft meistens ignoriert oder mit Medikamenten ausgeschaltet werden. Bei Krebs hingegen geht es oft um „ungelebtes Leben“ als Thema oder um sonstige Faktoren, die das Immunsystem schwächen, wie z. B. das hohe Alter oder Depressionen. In vielen Fällen zeigt sich diese Immunschwäche darin, dass die Betroffene kaum Symptome aufgewiesen und daher geglaubt haben jahrelang niemals krank geworden zu sein. In Kindern geht es oft um geerbte, ungeklärte Themen ihrer Eltern oder sonstigen Vorfahren. Ein Mann wurde, z. B., mit der Erinnerung geboren, wie sein Grossvater ertrunken war und es führte bei ihm zu verschiedenen Problemen. Erst als er die Erinnerung aufgedeckt und damit seinen Frieden geschlossen hatte verschwanden sie dann allmählich mit der Zeit. Der Energiekörper kann den materiellen Körper ja nicht von heute auf morgen völlig verändern: dafür ist Masse zu träge. Dennoch ist es für ihn auf stark bemerkbarer Weise nachher bergauf gegangen.

Auf negative Konsequenzen des eigenen Handelns oder aus dem Handeln anderer kann man noch so sehr „dankend verzichten“, doch ist man schlussendlich doch an Karma gebunden, ob es nun individuelle Karma, Familienkarma, Volkskarma, Landeskarma oder Weltkarma ist. Befindet man sich hier, so befindet man sich in einem Netz aus Beziehungen. Verlässt man diese Ebene nach dem Tod, so nimmt man oftmals nur die individuelle Karma mit sich. Dennoch gelten die anderen auch, solange man sich auf dieser Ebene befindet. Es muss einem nicht an den Kopf geworfen werden sich über die negativen Konsequenzen des eigenen Handelns sich zwangsläufig freuen zu müssen, wenn man den Kern darin erkennt und sich darüber freut endlich den Schlüssel zur eigenen Befreiung von diesem bestimmten Art von Leiden entdeckt zu haben. Man freut sich dann meistens nur über den Schlüssel zur Befreiung und nicht über die negativen Konsequenzen. Dennoch könnte man sich theoretisch auch an den negativen Konsequenzen erfreuen, da man erst durch diese den Schlüssel zur Befreiung entdeckt hat. Wenn man sie als „einfach schlecht“ und „komplett überflüssig“ betrachtet, so verwehrt man sich selbst die goldene Gelegenheit daraus zu lernen. Da man schon den Preis bezahlt hat oder am bezahlen ist wäre der Leid umsonst, wenn man nichts daraus lernt.

Im germanischen Heidentum gibt es auch Parallelen zu den Themen dieser letzten paar Paragraphen in Konzepten wie Urlag (ørlög), Wyrd und Hamingja. Auch der Önd ist mit dem Qi aus der TCM sehr gut vergleichbar und beide Begriffe haben einen Bezug zu Atem/Luft.

Zitat von Bruder Eberhard
Man kann Menschen auch mit Steinen, Bäumen oder mit Gebüschen vergleichen, nicht nur mit Tieren. Es ist bloss so, dass ich sämtliche paläontologischen, anthropologischen und archäologischen Befunde dahingehend deute, dass sämtliche Menschen durch Involution von höheren Lichtwesen, bzw. von Göttern oder Engeln abstammen, was ausnahmslos ALLE Menschen in ihrem innersten Seelenkern nach wie vor eigentlich noch immer wären. Daher ist es das legitime Recht aller Menschen, sich die absolute Glückseligkeit jenseits der räumlich-zeitlichen Relativität zurückzuwünschen.

Nun ja, jeder darf seine eigene Meinung haben. Meinerseits interpretiere ich die Befunde anders. Damit Leben entstehen kann müssen nach Daoistischer Philosophie ein Anteil vom Himmel und ein Anteil von der Erde zusammenkommen. Die Erde ist aber nicht als tote Materie zu verstehen: sie ist einfach der Gegenpol vom Himmel. Wie schon einmal angedeutet gibt es einen ungeheueren Kraftaufwand um nur ein wenig Materie herzustellen. Um diese in jener Form zu erhalten muss es auch „belebt“ sein, denn sonst würde es, z. B. nicht ein Kohlenstoffatom bleiben sondern sich langsam (da Materie träge ist) zwischen verschiedenen Formen mutieren. Folglich kann der Körper auch leben, ohne dass eine Seele in ihr steckt, doch ohne diesen Anteil vom Himmel kann sie sich nicht bewegen und liegt einfach da, wie ein Komapatient, und diese Starre macht es ihm unmöglich alleine z. B. Nahrung zu sich zu nehmen. Wenn diese belebte Materie mit einer Seele zusammenkommt, so entsteht ein eigenständiges Lebewesen, im Sinne wie wir es kennen. Die Daoistische Quellen unterscheiden hierbei die Körperseele (das kollektive Bewusstsein der belebten Materie selbst) und die Wanderseele, welche nach dem Tod weggehen kann. Im germanischen Heidentum kann man hierbei Vergleiche ziehen mit Hamr und Hugr. Da ich eher diese Ansicht vertrete, weil es sich in der medizinischen Praxis als sehr nützlich für Heilungszwecke bewährt hat, ist es für mich klar, dass deiner Interpretation jeder Bezug zum Erdanteil fehlt. Gewiss, wenn wir nur aus dem Himmelanteil bestehen würden, so wäre es der Ziel wieder dorthin zu gelangen. Da wir aber aus beiden bestehen müssen wir, solange wir hier sind, einen Gleichgewicht erstreben, sonst schaden wir damit unseren eigenen Körper.

Zitat von Bruder Eberhard
Wenn man das Konzept von Gimle mit dem Hinduismus vergleicht oder mit den hierarchischen Hypostasenstufen im heidnischen Neuplatonismus, dann ist Gimle wohl das Allermindeste, was man in der nordischen Überlieferung erwarten kann.

Hier komme ich einfach nicht draus für was du überhaupt argumentierst. Findest du der germanische Götterglauben würde es den Menschen schulden einen Ort wie Gimle zu haben? Habe ich das richtig verstanden? Da wir schon geklärt haben, dass die Mythologie mit der Wirklichkeit nicht völlig Deckungsgleich ist kann es doch eigentlich egal sein ob man damals an so einen Ort geglaubt hat: von dem her könnte etwas ähnliches trotzdem existiert haben.

Zitat von Bruder Eberhard
Gut und Böse sind letztlich eben keine subjektive Frage des persönlichen Blickwinkels. Es scheint äusserlich nur so zu sein. Es handelt sich hierbei um eine Illusion.

Nun ja... für mich gelten „gut“ und „böse“, nach wie vor, als rein subjektive Äusserungen. Was zur kosmischen Ordnung gehört finde ich hingegen geordnet. Auch bei der Besprechung des von Kolag_Hraban gebrachten Beispiels finde ich gar keine Erklärung wieso es sich hierbei um eine Illusion handelt. Ich empfinde, wie bereits erwähnt, dass vieles was passiert auf Grund von höheren Überlegungen geschieht, für die uns die nötigen Informationen fehlen würden. Das erklärt mir aber nicht wieso dann plötzlich doch „gut“ und „schlecht“ auf der individuellen Ebene zu finden sind, denn sonst wäre es nicht unbedingt „gut“ einen Job zu bekommen oder „schlecht“ eine Absage zu bekommen. Genau wie bei alles andere kommt es auf der Situation darauf an. Man müsse nur diese klassische Geschichte betrachten, die ich in gekürzter Form widergebe:

Ein Bauer hat nur ein einziges Pferd, der eines Tages wegläuft. Man sagt ihm: „Was für ein Pech!“ Er aber sagt: „Es ist was es ist.“
Der Pferd mit einem wunderschönen zweiten Pferd zurück. Man sagt ihm: „Was für ein Glück!“ Er aber sagt: „Es ist was es ist.“
Sein Sohn versucht das neue Pferd als Reittier zu trainieren, fällt aber dabei und bricht sich ein Bein. Man sagt zum Bauern: „Was für ein Pech!“ Er aber sagt: „Es ist was es ist.“
Ein Krieg fängt an und ein Gesandter des Königs kommt um alle junge Männer für den Krieg mitzunehmen. Der Sohn des Bauers lässt er aber zurück wegen sein gebrochenes Bein. Man sagt zum Bauern: „Was für ein Glück!“ Er aber sagt: „Es ist was es ist.“

Diese Geschichte kann man beliebig weiterführen, obwohl die klassische Version dort aufhört. Das erklärt vielleicht warum ich „gut“ und „schlecht“, bzw. „böse“ für unnütze Gedankenspiele halte, es sei denn man benutzt sie in rein subjektiver Weise.

Das Beispiel mit dem Spiegel verhelft mir auch nicht dazu im vorherigen Beispiel die sogenannte Täuschung zu erkennen. Schon als Kind habe ich erkannt, dass der Spiegel genau das zeigt was er selber sieht also habe ich mein Spiegelbild nie als eine Täuschung empfunden. Ich habe mich einfach in die Ansichtsweise des Spiegels hineinversetzt. Statt einer Erklärung hast du einfach mehrmals behauptet recht zu haben und mit einem, für mich, unerklärlichen Beispiel einer angeblichen jedoch unverwandten Täuschung davon abgelenkt. Ich vermute das war ein Versehen deinerseits und hoffe eine Erklärung zu bekommen, weil es mich wirklich wundert.

Zitat von Bruder Eberhard
Dass die alten heidnischen Germanen auch Krankheiten und Seuchen hätten verehren müssen, war nur ein konsequent fortgesponnenes Gedankenspiel von mir, welches zwangsläufig auf die Hypothese folgen muss, wonach Gut und Böse relativ seien, sich gegenseitig bedingen würden, eine Unterscheidung je nach persönlichem Blickwinkel subjektiv und deshalb unterschiedlich ausfallen oder gar nicht existieren würde.

Ich habe die Aussagen von Kolag_Hraban auch durchgelesen und komme auf keinen einzigen Punkt wo er behauptet hätte „gut“ und „böse“, so wie du sie definierst, seien relativ. Wenn ich es richtig verstanden habe, so hat er lediglich gesagt, dass die Götter für Ordnung stehen, obwohl sie nicht im absoluten Sinne „gut“ sind. Ich finde hiermit projizierst du nur selber etwas hinein, höre aber gerne zu, wenn du mir erklären kannst wieso du diesen für mich unerklärlichen Gedankensprung machst.

Zitat von Bruder Eberhard
Ich hingegen glaube, dass zur absoluten Realität einerseits die Nondualität (= Nichtzweiheit) gehört, Sanskrit: Advaita, aber andererseits zugleich auch die Individualität (= Unteilbarkeit), altgriechisch: atomos; entspricht im Hinduismus weitestgehend dem Atman.

Endlich kommen wir wieder auf etwas, was wir ähnlich sehen. ^^ Allerdings gehört diese „absolute Realität“ zur allerhöchsten Seinsebene und hat somit eine eher abgeschwächte Wirkung auf dieser, der materiellen Ebene. Man kann das Prinzip auch nutzen um auf dieser Ebene eine Wirkung zu erzielen. Jedoch gelten nicht nur dessen Regeln hier, sondern auch die Regeln der materiellen Ebene und, zum Teil, auch aller Ebenen, die sich dazwischen befinden.

Zitat von Bruder Eberhard
Durch den individuellen Blickwinkel lässt man sich dann auch nicht täuschen, dass einen Job zu erhalten generell für ALLE gut ist, eine Absage zu erhalten generell für ALLE schlecht.

Hast du nicht gerade mit dem hier das Gegenteil argumentiert? Bitte, erkläre es mir, sodass auch ich verstehe was du meinst.

Zitat von Bruder Eberhard
Und genauso ist es IMMER gut, wenn man einen Job erhält, aber immer schlecht, wenn man eine Absage erhält.


Zitat von Bruder Eberhard
Gesundheit; Reichtum; Überfülle; Überfluss, das Gefühl, allgemein von allen anderen Wesen anerkannt, bewundert und geliebt zu werden; Liebe an sich; Wonnegefühl; Harmonie und Glückseligkeit: lauter Dinge, die für ALLE Menschen objektiv GUT sind. Wenn dabei wirklich, wie so viele Menschen heutzutage behaupten, der persönliche Blickwinkel der Menschen sich voneinander unterscheiden würde, wo sind dann bitte diejenigen Menschen, die Armut, Krankheiten, Seuchen, Schmerzen, Mangel, Opfer zu sein und ähnliches allen Ernstes für sich persönlich "gut" finden? Ich bitte nach wie vor darum, mir solche Menschen vorzuweisen!

Schon wieder bringst du diese für mich völlig unlogische Äusserung. Nur anhand des Konstruktes, so wie du es aufgestellt hat, ergibt sich hier überhaupt ein Paradox. Wenn man alle Ereignisse im strengsten Sinne gleichgültig betrachten würde, also eine absolute Form dieser Ansicht, auf welche du ständig andeutest aber die keine von uns, meines Wissens, vertritt, so würde man überhaupt keine Opfer irgendjemandem darbringen, denn es wäre einem egal was kommt. Daher ist es meines Ansichtes völlig absurd uns diese Frage überhaupt zu stellen, geschweige denn uns ständig dazu aufzufordern eine Ansicht zu verteidigen, welche wir überhaupt nicht vertreten. Es mag durchaus sein, dass es Menschen gibt, die tatsächlich so eine Ansicht vertreten oder dass du es einst selber getan hast: ich weiss es nicht. Dennoch ergibt deine Schlussfolgerung für mich zu diesem Thema überhaupt keinen Sinn, weder aus unseren Argumenten, noch aus deinen. Ich sehe nur einen logischen Fehler am Werk, nämlich die Gleichsetzung völlig unterschiedlicher Dinge.

Zitat von Bruder Eberhard
Es gibt nämlich nichts "subjektiv" Gutes. Was scheinbar nur für Dich "subjektiv" vorteilhaft ist, ist insgeheim in Wahrheit durch höhere Teilhabe auch für alle anderen gut.

Meinst du damit, dass das was für die kosmische Ordnung gut ist folglich für alle gut ist? Dort kann ich dir nur RECHT geben. Auf dieser Ebene kommt jedoch nicht alles aus der kosmischen Ordnung: dafür gibt es hier zuviele Störfaktoren im Vergleich zu den höheren Ebenen. Wenn ich umformulieren darf erscheint aus dieser Aussage sogar einer der Glaubenssätze aus meiner Kindheit: „Was dem höchsten Gut des einen dient, dient dem höchsten Gut von allen.“ Dabei mache ich aber keine Gleichsetzung zwischen dem „höchsten Gut“ und dem „subjektiven Gut“: ich finde deine Listen von „guten“ Dingen nämlich stets subjektiv, denn was im „höchsten Gut“ eines Menschen steht kann auch etwas sein, was man als subjektiv schlecht empfinden würde, wie das genannte Beispiel mit dem Bauern ausführlich erklärt.

Da du schon Platon erwähnst, ich bevorzuge eher die Ansichten Aristoteles', der auch einer jener allergrössten Philosophen war. Er ist zum Schluss gekommen, dass Menschen auf vielen Arten versuchen Glückseligkeit zu finden, jedoch finden sie es selten auf Dauer. Um wirklich dauerhaft glücklich zu sein muss man tugendhaft und weise handeln und sich nützlich machen, vom Leben entgegen nehmen was es bringt und das Beste daraus machen. Ob unsere Götter in dieser Definition zu finden sind ist für mich aber völlig nebensächlich. Ich sehe sie nämlich eher an ihre Aufgaben gebunden als am Streben nach Glückseligkeit. Klar: im absoluten Sinne streben wir und sie alle nach Erleuchtung, auf unseren verschiedenen Wegen. Von dem her können wir genauso wenig von ihnen wie von uns selbst erwarten in dieser Hinsicht schon perfekt zu sein. Wenn man eine Arbeitstelle hat und Ferien nehmen will, so erwartet man vom Chef nicht, dass er sein Privatleben völlig im Griff hat, nur weil man ihn geschäftlich um etwas gebeten hat. Folglich, wieso müssten unsere Götter ihre Privatleben völlig im Griff haben, damit wir sie um etwas „berufliches“ bitten? Für mich ergibt das nach wie vor keinen Sinn.

Menschen sind in dieser Beschreibung auch nicht immer zu finden. Ich habe Boëthius, im Gegensatz zu dir, nicht gelesen. Dennoch sehe ich kriminelle Aktivitäten nicht zwingend als eine Schädigung der „höchsten Glückseligkeit“, denn das eine hat mit dem anderen nicht zwingend etwas zu tun. In Fällen, in denen es sich um ungerechte Gesetze handelt, kann es sich unter Umständen sogar als eine Tugend erweisen sich ihnen zu widersetzen. Somit kommen wir aber darauf zurück, dass ich alle Gesetze, die für den zwischenmenschlichen Umgang geschrieben worden sind, für Menschenwerk halte. Es gibt andere Gesetzmässigkeiten (wissenschaftliche, magische, Naturgesetze, unw.), welche nicht von Menschen geschrieben wurden, doch sie gehören für mich in eine völlig andere Kategorie, in der Konzepte wie „gut“ und „böse“ für mich keine Bedeutung haben.

Deine Art der Philosophie ist aufregend und ich vergleiche sie, wenn ich darf, mit einem Komputerprogramm. Auch dort muss man als Programmierer in der Lage sein so viele mögliche Kombinationen wie nur möglich aus zu probieren um Fehler auf zu decken. Dafür hat man dort etwas, was in der reinen Philosophie nicht vorhanden ist: das Programm muss am Ende fehlerfrei laufen können. Da dieser absolute Test fehlt kann man zwingend nur auf das Leben selbst zurückgreifen um dessen Wirklichkeit zu testen. Das ist auch einer der Grunde, warum ich meine persönliche Erfahrungen und die oben genannten aus der TCM-Praxis so gerne mit einbeziehe. Wenn sich mit deinem System genauso gut leben lässt wie mit meinem, dann muss weder ich noch du den anderen auffordern seinen Weg und seine Ansichten zu ändern. Dennoch bin ich nach wie vor nicht davon überzeugt, dass auf dieser Ebene nur die Regeln der absoluten Ebene gelten, auch wenn auf dieser Ebene dafür nicht alles auf schöne, mathematische Formeln hinausläuft.

Mir fällt eine Geschichte ein, bezüglich des Maya, die meine Mutter mir einst zitiert hat. Vielleicht kennst du ja die Quelle und kannst mich darauf hinweisen, denn es würde mich interessieren ihre Version mit der ursprünglichen zu vergleichen. Ein Heiliger im alten Indien geht herum und erzählt allen, dass diese Welt nur eine Täuschung ist. Irgendwann lässt ein Herrscher einen wütenden Elefanten auf ihn los, woraufhin er auf ein Baum klettert. Der Herrscher fragt ihn: „Wieso bist du ausgewichen, wenn diese Welt nur eine Illusion ist?“ Der Heiliger antwortete: „Du sahst nur wie die Illusion von mir auf die Illusion des Baumes kletterte.“ Meines Ansichtes hat er damit anerkannt, was ich versuche zu klären: nämlich dass man, trotz Illusion, dennoch auf dieser Ebene an dessen Regeln gebunden ist.


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RE: Gute Götter und Ethik und Religion

#12 von Bruder Eberhard , 17.11.2015 10:18

Liebe Kerry,

ich muss gestehen, dass ich meinerseits Diskussionen über Philosophie noch niemals ausstehen konnte, weder mündlich noch schriftlich, weil es mich total erschöpft und ich einfach nicht gut darin bin, mich mit einem Gegenüber über verschiedene Standpunkte auszutauschen; nicht zuletzt, weil ich von Kindheit an komplett andersartige, „fremdartige“ Sichtweisen vertrete, während mir selbst die „normalen“ Sichtweisen der meisten anderen Menschen völlig fremd sind. Daher gibt es nur schon auf der semantischen Ebene mit meiner Wenigkeit nonstop Missverständnisse, weswegen ich solche Diskussionen von Anfang an lieber vermeide und Philosophie vorzugsweise nur ganz alleine für mich selbst betreibe.

Wenn ich es mir jetzt recht überlege, lasse ich bei mir fast oder überhaupt keine persönlichen Erfahrungen in die Philosophie einfliessen. Persönliche Erfahrungen mögen als Anekdoten in anderen Themenbereichen ganz nett sein, aber in der strengen Mathematik der Philosophie haben sie meiner Meinung nach nichts verloren, weil sie der subjektiven räumlich-zeitlichen Relativität entstammen und daher das mathematische Ergebnis verzerren und verfälschen können. Wenn ich mich auf meine persönlichen Erfahrungen verlassen würde, dann würde ich hier ziemlich sicher komplett andere Dinge schreiben. Darum spielt die menschliche Sichtweise bei meinen philosophischen Ausführungen niemals irgendeine Rolle. Das Menschliche an sich interessiert mich überhaupt nicht.


Wenn das Göttliche bereits u.a. immanent als leuchtender Kern jeder einzelner Körperzelle, jedem Atom und jedem Quantenteilchen innewohnt, ebenso dem innersten Kern der Überseele, dann ist es nicht nötig, dem Göttlichen zu „opfern“ in diesem Sinne.

Dass Krankheitserreger selber schützenswerte Lebewesen seien, diese Ansicht habe ich in den 90er Jahren selber vertreten, das ist also kein neuer Gedanke für mich. Ich würde jetzt meinerseits ein Buch verfassen müssen, um diesen Fehlschluss, der zweifelsohne indirekt aus der Aufklärung und dem Existentialismus entstammt, philosophisch akkurat zu widerlegen. In aller Kürze: Es dürfte bei genauerer Analyse bereits aus meinen obigen Beiträgen herauszudestillieren zu sein.

Trotz meiner streng hierarchischen Kosmologie, wo ich mit Haut und Haar tatsächlich noch im „finsteren“, „unaufgeklärten“ Mittelalter stecke, muss ich Dir insofern widersprechen, nämlich dass die höheren Hypostasenstufen sehr wohl auf die niederen Hierarchien, die ihrerseits zu stark mit der räumlich-zeitlichen Relativität verstrickt sind, massgeblich ausstrahlen können, so dass ich entschieden dabei bleibe: Krankheiten und Schmerzen sind für jeden Menschen SCHLECHT und komplett überflüssig. Die materielle Ebene hat sich den höheren transzendentalen Realitäten anzupassen, und nicht umgekehrt.

Deine Ansicht, wonach die Menschen sich, was ihren Körper anbelangt, meistens ihr eigenes Leid sich selbst erschaffen, was herzlich wenig mit den Göttern zu tun hat, stimme ich vollumfänglich zu. Ich habe nie etwas anderes behauptet. Entweder fügt man es sich durch Kausalität unbewusst selbst zu oder aufgrund schlechter persönlicher Resonanz durch Anziehung negativer Geistwesen wie Asuras, Archonten, Schwarzalben oder eben Thursen, welche Krankheiten verstärken können.

Je stärker die höheren, bzw. inneren seelischen Seinsstufen in den oberen Hierarchien verankert sind, umso weniger ist man von Krankheit und Leid in der Materie betroffen.

Es ist möglich, jegliches Karma vollständig aufzuheben, wenn man sich mit den eigenen inneren hierarchischen Seelenschichten durch absolute Gegenwärtigkeit und Achtsamkeit voll und ganz in liebevoller Hingabe von ganzem Herzen bei sämtlichen Handlungen der absoluten Realität harmonisch einfügt. Diese Praxis wird im Hinduismus als Bhakti-Yoga bezeichnet.

Ich sehe keinen Gegensatz zwischen „Himmel“ und „Erde“, sondern – um es mit der modernen, naturwissenschaftlichen Quantenphysik ausdrücken – dass die Materie die äusserste Kruste des Geistes ist.


Ja, das ist richtig, ich stelle metaphysische Ansprüche an das germanische Heidentum. Falls diese Ansprüche den philosophischen Anforderungen nicht genügen sollten, dann muss der germanische Götterglaube meinerseits eben entsprechend revidiert und gegebenenfalls ergänzt werden. Gimle ist dabei das Allermindeste, was zu erwarten ist. Obwohl ich philosophisch ansonsten dermassen „konservative“, „mittelalterliche“ und „unaufgeklärte“ Standpunkte aus der Vor-Renaissance vertrete, bin ich keineswegs der Meinung, dass das altgermanische Heidentum heutzutage auf „orthodoxe“ Weise eins zu eins kopiert werden muss.

Die germanischen Kulturen der Völkerwanderungs- oder der Wikingerzeit, die vorrangig damit beschäftigt waren, sich gegenseitig den Schädel einzuschlagen, bildeten in spiritueller Hinsicht keine Idealgesellschaft, so dass sie aus diesem Grunde in metaphysischer Hinsicht durchaus Verbesserungsvorschläge ertragen. Auf der materiellen Ebene berechnen wir bei Asatru Schweiz ja auch nicht für jedes abgehackte Fingerglied die Höhe des Bussgeldes vor dem Thing.


Ich meinte nicht, dass das von Kolag_Hraban vorgebrachte Beispiel an sich eine Illusion sei, sondern lediglich, dass die Zuordnungen zu Personen eine Illusion ist. Noch einmal ein Beispiel, wie man durch Kürzungen philosophisch das Wesentliche erkennen kann. Ich streiche bei folgender Aussage nachfolgend immer den unwichtigsten und schwächsten Teil des Satzes weg, bis nur noch das Wesentliche übrigbleibt, gewissermassen wie beim Kinderspiel „Reise nach Jerusalem/Rom“. Es ist von der Praxis der Affirmationen her bekannt, dass Negationen immer vermieden werden sollen und daher als erstes gestrichen werden:

„Einen Job zu bekommen ist für mich gut, für andere nicht.“
„Einen Job zu bekommen ist für mich gut, für andere.“
„Einen Job zu bekommen ist für mich gut.“
„Einen Job zu bekommen ist gut.“
„Job zu bekommen ist gut.“
„Job ist gut.“
„Job gut“.
„Gut.“

Auf diese Weise haben wir uns bereits dem rein objektiven platonischen „Guten“ angenähert. (Ich fühle jetzt grad den unsichtbaren Ritterschlag von Plotin auf meinen Schultern.)

Die von Dir vorgebrachte Geschichte vom Bauern und dem Pferd ist mir wohlbekannt, ist aber ein anderer Themenbereich, den ich hier überhaupt nicht gemeint habe.


Kolag_Hraban schrieb im Eröffnungsbeitrag dieses Threads Folgendes:
„Im Gegenzug gibt es auch keine schlechten Kräfte, und dementsprechend keinen Kampf zwischen Gut und Böse. (z.B. Götter gegen Riesen als gute und schlechte Kräfte)“

Daraus geht streng philosophisch zwingend die unwahrscheinliche Möglichkeit hervor, dass man u.a. auch Krankheiten, Seuchen, Schmerzen und Unglück von ganzem Herzen für sich selbst herbeisehnen müsste, auch wenn das apriorisch völlig unlogisch und gegen jegliche Vernunft wäre. (Um ein modernes Stichwort einzubringen: „Selbsterhaltungstrieb“, wobei dieser Begriff ebenfalls philosophisch nach den Hintergründen analysiert werden müsste.) Aber Philosophie ist nun einmal strenge, nüchterne Mathematik, so dass bei der von Kolag_Hraban gemachten Aussage auch die unwahrscheinlichsten und unlogischsten Konsequenzen radikal miteinberechnet werden müssen.

Ferner sagte er:
„Es braucht den Kampf dieser beiden Prinzipien damit Leben entstehen kann.“

Aus dieser Aussage geht hervor, dass hier nicht zwischen Polarität und Dualität unterschieden wird, so dass aufgrund dieser Aussage in der strengen philosophischen Analyse zwingend auch Grippe- und Aids-Viren sowie Hunger, Armut, Schmerzen, Unglück, gespaltene Schädel, vergiftetes Essen, Diebstahl, Beulenpestilenz oder Konzentrationslager für die Entstehung von Leben notwendig sein müssten.

„Wir sind eine Naturreligion, was auch dadurch ausgedrückt wird, dass auch unsere Götter aus der Natur selbst entstanden sind.“

Hier bedarf es einer genaueren Definition des Begriffes „Natur“. Ich würde lieber sagen, dass die Götter auf der Hypostase der Überseele (Sanskrit: Paramatma, altgriechisch: Nous) zu verorten sind. Und nein, ich projiziere nicht etwas hinein (bezüglich Dingen, die für mich selbst privat apriorisch völlig unlogisch wären), sondern betreibe lediglich strenge Analyse.

Zu meiner eigenen Aussage: „Durch den individuellen Blickwinkel lässt man sich dann auch nicht täuschen, dass einen Job zu erhalten generell für ALLE gut ist, eine Absage zu erhalten generell für ALLE schlecht.“ Ich muss hinzufügen, dass ich eine strenge Unterscheidung zwischen einerseits „individuell“ und andererseits „persönlich“ und „subjektiv“ treffe. Individualität hat zu 50 Prozent Anteil an der absoluten Realität, aber überhaupt nicht an der relativen Realität. Hingegen das Persönliche betreffend (lateinisch: persona = „Maske“, per sonare = „hindurchklingen“) sowie Subjektivität haben keinen Anteil an der absoluten Realität, sondern ausschliesslich an der relativen Realität.


Wenn man das Prinzip der inneren Gleichgültigkeit vertritt, werden Gut und Böse transzendiert. DAS meine ich eigentlich mit „dem Guten“, und nicht das subjektive Gute im irdischen Sinne. Hier liegt wahrscheinlich eines unserer semantischen Missverständnisse begründet. Innerhalb der räumlich-zeitlichen Relativität wechseln sich die Dualitäten wie Freude und Leid selbstverständlich stetig ab. Wer sich davon befreit und Freude und Leid nicht mehr bewertet, sondern stoisch gelassen, ja sogar hingebungsvoll annimmt und dabei mit der seelischen Bewusstseinsausrichtung voll und ganz in den inneren Hierarchien verankert ist, transzendiert sich selbst und erfährt Erleuchtung und „Erlösung“ von sämtlichem Karma.

Wie fühlt man sich dabei, wenn man innerlich gelassen stets gleichgültig bleibt? Eiskalt? Nein, sondern von einer unermesslichen, überfliessenden Freude aus den unergründlichen kosmischen Höhen der Seele erfüllt und beglückt! Es hat also überhaupt rein gar NICHTS mit dem trendigen „positiv Denken“ gemein! Es kommt nämlich sozusagen von allein, von Innen aus der Transzendenz heraus, gleichgültig, was man äusserlich denkt. DAS meine ich mit „das Gute“, nicht das irdische relative oder subjektive Gute. Daher ist der Begriff „höchste Glückseligkeit“ von Boëthius treffender.

Die jahrtausendealte Bhagavad-Gita sagt hierüber (5,20):

„Wer weder frohlockt, wenn er etwas Angenehmes erreicht, noch klagt, wenn ihm etwas Unangenehmes widerfährt, wessen Intelligenz im Selbst verankert ist, wer nicht verwirrt ist und die Wissenschaft Gottes kennt, befindet sich bereits auf der Ebene der Transzendenz.“

(Sanskrit: Na prahrsyet priyam prapya nodvijet prapya capriyam
sthira-buddhir assamudho brahma-vid brahmani sthitah.)


Zitat von Kerry:
„Was dem höchsten Gut des einen dient, dient dem höchsten Gut von allen.“

Ja, dies ist tatsächlich eine weitere von verschiedenen anderen Möglichkeiten, auf die ich letztlich hinaus will.


Platoniker und Neuplatoniker halten es traditionell nicht so mit Aristoteles. Platon und seine Epigonen versuchten die Welt von der Transzendenz her zu erklären, also von „oben“ her, hingegen Aristoteles von der räumlich-zeitlichen Relativität her, also von „unten“ her. Kein Wunder, dass in Deinem Beispiel Aristoteles vor allem die beschränkte zeitliche Dauer der Glückseligkeit betont. Dies ist eben die menschliche Sichtweise, die mich nun einmal kein bisschen interessiert.


Boëthius hat überhaupt nicht gemeint, dass kriminelle Aktivitäten eine Schädigung der „höchsten Glückseligkeit“ mit sich bringen würden, da hast Du mich völlig falsch verstanden, das wäre nämlich auch überhaupt nicht möglich. Bei Boëthius läuft es in Wahrheit darauf hinaus, dass die „höchste Glückseligkeit“ Gott ist, wobei er als Philosoph es tunlichst vermeidet, den Begriff Gott mit irgendeinem religiösen Bekenntnis oder gar einem Dogma zu verbinden. Bei Boëthius kommt kein einziger christlicher Begriff vor, so dass er möglicherweise insgeheim auch gar kein Christ war. Jedenfalls meinte Boëthius mit dieser Aussage, dass absolut ALLES von der „höchsten Glückseligkeit“ = Gott sich herleitet, danach zurückstrebt und von derselben „höchsten Glückseligkeit“ vollumfänglich abhängig ist.

Die „höchste Glückseligkeit“ ist demnach die Grundlage für die Existenz von allem. Diese Aussage finden wir ja auch im islamischen Glaubensbekenntnis: „Lá iláha illá ´Lláh“ = „Keine Gottheit, sondern nur Gott“, worüber sufistische Philosophen übereinstimmend sagen, dass Gott die einzige Existenzgrundlage von ALLEM sei. Und Boëthius meinte in diesem Kontext, wenn ein Verbrecher durch kriminelle Handlungen seiner EIGENEN, inneren „höchsten Glückseligkeit“ zuwiderhandeln würde, dann würde er sich selbst von seiner eigenen Existenzgrundlage abschneiden; ja, er würde sogar sich seiner eigenen Existenz berauben.


Ich bin überhaupt kein Anhänger jener aus einzelnen (aber nicht allen!) Denkschulen des Hinduismus' stammenden Lehre, in welcher einseitig Advaita, also die Nondualität, verabsolutiert wird, so dass alles Relative angeblich Illusion sei. Da hast Du mich missverstanden. Es gibt sehr wohl die relative Realität. Ich sagte lediglich, dass die einseitige Identifikation mit der relativen Realität Illusion und daher „Maya“ sei.


Und jetzt bin ich fix und fertig und habe keine Lust mehr, über solche Dinge zu schreiben. Eigentlich hasse ich philosophische Diskussionen zutiefst, es liegt mir überhaupt nicht. Es ist nur eine unerträgliche Qual für mich. Darum vielleicht auch mein teilweise schnodriger Tonfall, ich bitte alle Beteiligten vielmals um Verzeihung.

Und selbstverständlich habe ich Euch alle sehr lieb!


P.S.: Liebe ist übrigens nichts Subjektives, sondern nach meinen bescheidenen philosophischen Erkenntnissen - sowie schlussfolgernd aus allem von mir bisher Gesagten - die allerhöchste Realität. Hier landet die christliche Bibel mal einen Volltreffer, wenn sie es folgendermassen formuliert: "Gott ist Liebe, und wer in der Liebe ist, ist in Gott und Gott ist in ihm."

(Ansonsten kann ich dem Christentum eher wenig abgewinnen, weil mich ja das Menschliche überhaupt nicht interessiert und von dem her es mich auch kein bisschen berührt, dass Gott Mensch geworden sein soll. Viel bewegender finde ich hingegen umgekehrt das spirituelle Bestreben der griechisch-orthodoxen Ost-Christen, wonach alle Menschen ihrerseits mittels der Theosis wieder wie Gott werden sollen.)


P.P.S.:
Nochmals zum Eröffnungsbeitrag dieses Threads: "Jan Assmann (Altägyptologe und Autor von „Die mosaische Unterscheidung“) vertritt die Ansicht , dass diese Verbindung von Ethik und Religion erst mit dem Monotheismus entstand."

Dieser Jan Assmann irrt sich meiner Meinung nach vollständig. In der gesamten Kulturphilosophie des sogenannten Integralen Traditionalismus', der früher einen entscheidenden Einfluss auf mich ausgeübt hat, aber auch in der Philosophia Perennis, wird fast nichts anderes getan, als weltweit sämtliche Indizien und Fakten sowie die philosophischen Beweisführungen zusammengetragen, wonach in allen alten Kulturen jegliche Gesetze immer sakrale Gesetze waren, bzw. sakrales Recht, welches direkt der Transzendenz entstammt und niemals auch nur ansatzweise von Menschen gemacht worden ist.

Ja, mich beschäftigt halt von jeher die NICHT-menschliche Sichtweise...

 
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RE: Gute Götter und Ethik und Religion

#13 von Kerry , 17.11.2015 13:24

Wir dich natürlich auch. Daran hat es, meines Wissens, nie einen Zweifel gegeben.

Ich gebe zu, ich übe mich gerne in solchen Gesprächen, doch ich habe auch eine kriegerische Natur und kann gut nachvollziehen, dass es für einen Pazifisten dabei unangenehm wird. Trotzdem danke für die Beantwortung meiner Fragen. Ich hatte schon vermutet, dass es dir langsam zuviel wurde, weil deine Logik vager geworden ist und ich inzwischen von dir gewohnt bin, dass diese scharf überlegt und genau ist.

Von mir aus gesehen sind wir auch etwa so weit gekommen mit diesem Gespräch wie es für uns möglich ist. Ich habe auch das Gefühl, dass wir die meisten Missverständnisse aufgeklärt haben. Nach wie vor haben wir in einigen Hinsichten sehr ähnliche, in anderen widerum andere Meinungen. Das ist auch gut so! Wie bereits erwähnt, es gibt viele Wege, die zum "Göttlichen" führen. Ich muss deinen Pfad nicht befolgen und du meinen auch nicht. Da ein grosser Teil der Aufgaben und Spezialisierungen vom spirituellen Weg, den ich beschreite, darin bestehen, die untere Seinsebenen immer wieder zurecht zu rücken, damit diese Welt sich weiterhin gut als eine Schule eignet, zu der man herkommen kann um sich mit seinen spirituellen Lektionen zu befassen, muss ich mich viel näher damit befassen als es auf deinem Weg nötig ist. Dass dein Schwerpunkt dort liegt wo dein Weg dich führt ist dabei selbstverständlich. Sowohl Transzendenz wie auch Manifestation sind eben wichtig. Würden uns nicht vor allem jene Wege zur Erleuchtung interessieren, welche wir befolgen, so würden wir uns vielleicht auf dem falschen Pfad (für uns) befinden. Die kosmische Ordnung braucht sowohl Menschen wie dich als auch Menschen wie mich.

Ich bin sehr froh darüber diesen Austausch mit dir gehabt zu haben, nicht nur weil ich dich lieb habe und daher verstehen lernen will, sondern auch weil es mir einen Einblick gewährt in einen anderen Entfaltungsweg. Ich habe über die Jahre sehr viele Gespräche (manchmal auch Streite) mit meiner Mutter gehabt zu sehr ähnlichen Themen, denn sie vertritt in einigen Hinsichten ähnliche Ansichten wie du. Vielleicht hat sie selber nicht alles so genau durchdacht wie du es gemacht hast oder sie hat sich nicht klar genug ausdrücken können, damit ich sie verstehen konnte. Daher habe ich einige Einsichten über ihre Ansichten erst durch dich und diesem Gespräch bekommen. Das ist mir auch sehr wichtig denn, auch wenn sie noch am Leben ist, sie hat vor ca. ein ein halb Monaten die Schweiz verlassen, also vermisse ich sie sehr. Ich möchte dich nicht mit solchen Gesprächen belasten, wenn es für dich unangenehm ist. Es kann jedoch sein, dass ich doch hineinrutsche, denn du erinnerst mich ja doch an sie und wir argumentieren gerne. Du brauchst es mir nur sagen, wenn es für dich unangenehm wird.

Nur noch ganz kurz zum angesprochenen Thema wegen Kolag_Hraban. Ich habe das hin und her gelesen und habe das Gefühl entwickelt, dass ihr aneinander vorbei redet. Es stimmt, dass er Polarität und Dualität nicht unterscheidet. Dafür habe ich eher das Gefühl, dass er mit seinen Aussagen stets nur Polaritäten gemeint hat und dieses einfach nicht deutlich gemacht hat. Er hat auch seine Begriffe weniger scharf definiert, was auch zu Missverständnissen führen kann. Ich glaube dennoch nicht, anhand meiner Leseweise seiner Aussagen, dass er "gut" und "böse" für eine Polarität hält, nur weil er "Ordnung" und "Chaos" als eine beschreibt. Somit wäre seine Position zum Ganzen auch soweit klar. Vielleicht hat er mit dieser Art von formalem Argumentieren einfach etwas weniger Erfahrung als wir.

Da ich damals auf dem Weg war Anwältin zu werden (hätte ich damals nicht meinen Mann kennengelernt, so wäre ich es auch geworden) wurde dieses bei uns sehr stark geschult. Folglich habe ich damals bei mir selbst und auch bei anderen gelernt, z. B., zu erkennen wenn man die Frage nicht wirklich beantwortet hat sondern nur zum Thema dessen etwas erwähnt hat. Bei vielen Menschen braucht es viel Erfahrung und / oder spezifische Schulung um solche Sachen überhaupt zu merken, denn im normalen Leben kommt man meistens sehr gut ohne so etwas zurecht. Ich kann mich noch genau an den Moment erinnern wo ich wieder aufgefordert wurde die Frage endlich zu beantworten und es mir wie Schuppen von den Augen fiel, dass meine Aussage tätsächlich keine direkte Antwort gewesen war. Es war ein Moment des Erwachens: ein Paradigmenwechsel wie ich sie sonst fast nur bei spirituellen Themen erlebt hatte. Plötzlich habe ich gemerkt, dass fast niemand sich wirklich gegenseitig zuhört oder beantwortet. Ich habe diesen Fehler überall gesehen und auch meiner Familie bin ich etwas lästig geworden, bis ich gelernt habe zu akzeptieren, dass ich ihnen diese Einsicht nicht aufzwingen konnte. Für ihre Zwecke genügte es wohl nicht richtig hinzuhören. Für die meisten Zwecke tut es das auch, also lasse ich die Menschen in dieser Hinsicht einfach so sein wie sie sind.

Ich hoffe das klärt einiges auf und gibt dir etwas an Kraft zurück. Auch wenn ich noch so hart argumentiere, ich geniesse einfach den Wettstreit an sich und entwickle dadurch keinerlei schlechte Gefühle dem anderen gegenüber. Vielleicht habe ich das damals an der Anwaltkultur in der USA abgeschaut (wo auch wirklich dieses ungeschriebene Gesetz von vielen befolgt wird) oder es gehört einfach beim Archetypen eines erleuchteten Kriegers dazu. Schliesslich darf man sich über einen würdigen Gegner freuen.


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RE: Gute Götter und Ethik und Religion

#14 von Kolag_Hraban , 17.11.2015 19:00

Wie auch immer, gehe ich anscheind komplett anders an eine Problemstellung heran.
Das mag daran liegen dass ich analytisch beobachte, und mit einer bodenständigen, wissenschaftlichen Ausbildung bedacht wurde.
Für mich bedeutet das, dass jede Theorie in der Praxis zuerst bewiesen werden muss, bevor man sie ernst nahmen darf. Das hat man mir eingebläut.
Mein erster Chef hat sogar einen zweimaligen Beweis im Versuch verlangt, bevor man mit dem Ergebnis zu ihm kommen durfte !
Letztlich sind daher für mich eigene Beobachtungen und Erlebnisse essentiell ! In ihnen muss ich meine Theorie wiederfinden !
Das alleine ist schon ein grosser Unterschied zu Eberhard, der seine persönliche Erfahrung gar nicht berücksichtigt.
M.E. kann man auch nicht einfach andere heidnische Religionen in verschiedenen Zeiten heranziehen um die Aussagekraft der Edda in Frage zu stellen, dazu muss man schon im gleichen Kulturkreis und in etwa in der gleichen Zeit bleiben.
Auch ist es für mich verwunderlich, wenn "neuere Veröffentlichungen" grundsätzlich abgelehnt werden.
Normalerweise kenne ich das eher umgekehrt, ältere Schriften werden als veraltet und irrelevant abgestempelt. (nicht von mir)
Will man zu einem guten Ergebnis kommen so vertrete ich die Ansicht es sollten alle Hilfsmittel zu Rate gezogen werden. So arbeite ich auch im Berufsleben !

Ich gebe allerdings gerne zu, das ich mit der klassischen Philosophie noch nicht eingehend beschäftigt habe, und ich bei euren Kenntnissen nicht mithalten kann.
Interessant finde ich es schon, aber es gibt einen Punkt wo es mir einfach zu abstrakt wird.
So glaube ich gern , das Philosophen auch oft Mathematiker sind. Die höhere Mathematik schwebt da gern in den selben Höhen.

Das Buch von Jan Assmann ist übrigens sehr zu empfehlen ! Er ist, wie ich erwähnte Altägyptologe, und hat sich in mehreren Büchern über die Unterscheidung von Polytheismus und Monotheismus auseinander gesetzt.
Ob er mit seiner Theorie recht hat wissen die Götter, doch gibt das Buch sehr gute Denkanstösse, und das macht ein gutes Buch aus !!
Er kann seine Ideen auch belegen, da er sich in der altagytologischen Mythologie auskennt - liegt ja in der Natur der Sache.
Mit diesem Buch hat er übrigens einigen Staub aufgewirbelt, und Proteste erzeugt, da der Monotheismus nicht immer gut weg kommt.
BTW: haben auch die alten Ägypter ihren Staat und die Götter als das Prinzip "Ordnung" verstanden, die gegen das Chaos standen ! ( soweit ich mich recht erinnere habe ich das nicht von J. Assmann ) .

Wie auch immer, auch wenn ich jetzt doch noch einmal auf einige Punkte kurz eingegangen bin, möchte ich die Diskussion nicht weiterführen!

Bleibt noch zu erwähnen, dass ich hoffe, dass ich nicht über die Strenge geschlagen habe.
Sollte es mir doch passiert sein so entschuldige ich mich gern.

Und wie könnte es anders sein: ich habe Euch auch alle lieb !


Grüsse Kolag Hraban



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RE: Gute Götter und Ethik und Religion

#15 von Bruder Eberhard , 18.11.2015 08:13

Lieber Kolag_Hraban,

keine Sorge, von mir kommt zu diesem Thema kein Einwand mehr. Ich möchte nur noch ergänzen, dass ich mich ebenfalls als Praktiker sehe, bloss in umgekehrter Reihenfolge:

1. Zuerst destilliere ich aus tonnenweise Schriften aus allen Zeiten und Kulturen die übereinstimmende metaphysische Quintessenz heraus und erstelle dazu rein abstrakte Berechnungen, in denen ich so radikal wie nur möglich alle Konsequenzen mit sämtlichen Unwahrscheinlichkeiten miteinberechne. Persönliche Erfahrungen aus meiner eigenen Vergangenheit beziehe ich hingegen überhaupt nicht mit ein.

2. Dann meditiere ich darüber.

3. Zuletzt wende ich die auf rein abstraktem Wege gewonnenen Erkenntnise ganz konkret im Hier und Jetzt an, also in der Praxis des Lebensalltags, wo sie sich auch mit Erfolg bewähren. So einfach ist das. Philosophie, die nicht ganz konkret in der alltäglichen Lebenspraxis anwendbar ist, taugt meiner Meinung nach überhaupt nichts.


Es mag vielleicht überraschen, aber die Schlussfolgerungen aus allem, was ich in meinen obigen Beiträgen ausgesagt habe, wende ich tatsächlich konkret im täglichen Leben an. Und deswegen glaube ich auch nicht, dass ich ein "Philosoph" bin, sondern ich versuche eher, auf den Pfaden der praxisnahen Mystik zu wandeln.

Philosophen verfügen in der Regel über rhetorische Fähigkeiten, beherrschen die hohe Kunst der Konversation und des Diskurses mit allen Kniffen und können ihre abtrakten Gedankengänge konkret vermitteln. Das sind Fähigkeiten, von denen ich mir schon allerlängst selbst eingestanden habe, dass ich sie überhaupt nicht beherrsche, weder mündlich, noch schriftlich. Deswegen kann ich unmöglich ein "Philosoph" sein.

Viele der grössten Mystiker haben hingegen von der Philosophie nur wenig oder überhaupt keine Ahnung, sind Analphabeten und es fällt ihnen oftmals schwer, diejenigen Dinge, die sie innerlich mit kristallklarer Schärfe erkennen, gegenüber anderen Leuten zu vermitteln oder sich überhaupt irgendwie verständlich zu machen. Ich glaube, ich falle eher in diese Kategorie... Ausserdem gelten Mystiker zumeist als noch verschrobener und weltfremder als die Philosophen.


Noch einmal die wichtigsten Begriffe, wie ich sie definieren würde:

Exoterik = normale Volksreligion mitsamt Priestern und gegebenenfalls Dogma
Esoterik = Metaphysik plus Mystik (beides dem Dogma enthoben)
Philosophie = abtrakter Erkenntnisweg zur Metaphysik
Metaphysik = Theorie
Mystik = Praxis

 
Bruder Eberhard
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Asatru in Island
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