RE: Glaube an Traumdeutung, Fiktion oder Wahrheit?

#1 von gruezi , 09.01.2015 11:59

Hallo,

ich bin bisher in keiner Religion richtig angekommen. Nirgends fühle ich mich zuhause. Meiner Freundin liegen Horoskope und Traumdeutungen sehr am Herzen.
Bei Horoskopen bin ich mir nicht sicher. Aber bei Traumdeutungen mit Freud und Jung muss doch etwas dran sein? Was meint Ihr dazu?

PS: Kleine Linkliste für die Traumdeutung
- deutung.com
- http://traum-deutung.de
- traumdeuter.ch

gruezi  
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RE: Glaube an Traumdeutung, Fiktion oder Wahrheit?

#2 von Kerry , 10.02.2015 22:32

Ich weiss nicht welche Methode deine Freundin anwendet also kann ich nicht über ihre Methoden urteilen. Ich kann aber aus eigener Erfahrung sagen, dass Traumdeutung sehr nützlich sein kann. Dabei gilt es sich an ein grosses Prinzip zu erinnern: Träume sind die Sprache des Unterbewusstseins des einzelnen Träumenden. Träume haben zwei Funktionen: das Auseinandersetzen mit dem kürzlich erlebten (oder wiedererlebten, denn das Gehirn kann Erinnerungen nicht von der Realität unterscheiden: es erlebt sie jedes Mal erneut, wenn man sich daran erinnert) oder das Unterbewusstsein versucht uns etwas mitzuteilen. Wer Träume regelmässig aufschreibt merkt, dass oft Themen vom vorherigen Tag dabei sind. Doch die wiederkehrende Träume oder die, bei denen wir eine tiefere Bedeutung spüren, sind oft Botschaften aus dem Unterbewusstsein. Das sind jene bei denen es etwas bringt sie zu interpretieren.
Viele Menschen aus dem gleichen Kulturkreis teilen eine Deutung von Symbolen, sodass man bei einem Symbol mit grosser Wahrscheinlichkeit sagen kann was sie einer durchschnittlichen Person aus einer bestimmten Kultur bedeutet. Wir leben aber heutzutage in einer Welt in der immer mehr Ideen aus anderen Kulturen und Kulturkreisen auf uns prallen. Manchen stimmen wir vielleicht zu, manche andere vielleicht nicht, doch sie können dennoch einen Einfluss darauf haben, was einzelne Symbole für uns persönlich bedeuten. Vielleicht ändern sie nicht unsere bewusste Meinung über das Symbol, dafür aber unsere unbewusste: das ist auch möglich.
Ich vermute das ist der Grund warum ein Lexikon von Traumsymbolen mich nicht gross weiterbringt. Die guten Lexika versuchen alle diese möglichen, subtilen Deutungen aufzuzählen und manchmal findet man dann auch die eigene Deutung darunter, doch darauf kann man sich nicht unbedingt verlassen und, da es etwas so subtiles ist, fängt man vielleicht an durch die Aufzählung zu vergessen was das Symbol einem vor dem Traum bedeutet hat.
Diese Umbesinnung auf eine andere Deutung des Symbols kann eine richtige Interpretation fast unmöglich machen, denn es kommt vor allem darauf an, was die Symbole für den Träumer zum Zeitpunkt des Traums bedeuten. Die einzelnen Worte einer Sprache nutzen ja nur dann etwas, wenn der Sprecher und der Zuhörer sich mehr oder weniger auf dessen Bedeutungen einigen können. Wenn wir die individuelle Deutung eines Symbols zwischen dem Traum und der Interpretation geändert haben, so sind der Sprecher (das Unterbewusstsein) und der Zuhörer (das normale Bewusstsein) vielleicht so unstimmig geworden, dass die Kommunikation nicht mehr stattfinden kann. Es ist aber nicht unbedingt etwas verloren gegangen: das Unterbewusstsein kann ja einen neuen Traum schicken in der es andere Symbole ausprobiert.
Der Rabe ist ein gutes Beispiel für die Breite einer möglichen Interpretation. Für einigen gilt er als Unglückstier. Für andere könnte er eine Verbindung zu Odin haben. Bei einigen Stämmen der Ureinwohner Amerikas ähnelt seine Natur in den Mythen eher dem von Loki. Zigeuner sahen ihn als sehr loyal an und dennoch hat man im Deutschen den Begriff "Rabenmutter". Was bedeutet der Rabe für einen Träumer bei dem er auftaucht? Da kommt man nicht drum herum ihn zu fragen.
Träume sind, wie gesagt, die Sprache des Unterbewusstseins. Wenn man also eher dem Träumenden durch Fragen zu seiner eigenen Interpretation führt ist es viel wahrscheinlicher, dass man zu der wirklichen Botschaft kommt. Sonst geht man das Risiko ein zu sehr auf die eigene Symbolsprache oder die eines anderen zu bestehen und dadurch vielleicht auf falsche Schlüsse zu kommen. Wenn man der Sache aber richtig angeht oder irgendwie auf die richtige Interpretation von den Symbolen gekommen ist (Durchschnittsmensch eines Kulturkreises/Zufall/usw.), so kann die Traumdeutung sehr nützlich sein.
Hätte die Traumdeutung nicht etwas an sich, dann könnte man nur schlecht verstehen warum sie in der Antike als so wichtig angesehen war. Träume führten einige grosse Persönlichkeiten der alten Zeit zu Orakeln, Priestern oder ähnlichen Figuren um Rat zu suchen und sogar in der Bibel wird diese Kunst sehr ernst genommen: Josef konnte nur deshalb entlassen werden, als er unschuldig im Gefängnis war, weil er einen Traum eines anderen Insassen richtig interpretiert hatte und dieser sich an ihn erinnert hat als der Pharaoh einen wichtigen Traum hatte. In der modernen Zeit lacht man leider allzu gern und oft zu Unrecht über die Menschen in den alten Zeiten, dabei waren sie nicht weniger intelligent als wir es sind. Hätte die Traumdeutung nie gewirkt, so hätten sie es sicher längst verworfen.


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RE: Glaube an Traumdeutung, Fiktion oder Wahrheit?

#3 von Bruder Eberhard , 15.02.2015 14:37

Das ist genau der Grund, warum ich von jeher nichts von verallgemeinernden Traumdeutungsbüchern halte, weil nämlich ein und dasselbe Symbol im Traum bei jedem einzelnen Menschen eine komplett andere Bedeutung annehmen kann, sogar eine gegenteilige. Wobei Kerry diesen Umstand besser und sehr viel detailreicher beschrieben hat, als ich es je gekonnt hätte.

 
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