Ich möchte hier ein Video Vorstellen der den Neuplatonismus erklärt.
Was haltet ihr davon ?
Ich finde das eine interessante Einführung ins Thema.
https://www.youtube.com/watch?v=k8fP8w7PL_w
|
Ich möchte hier ein Video Vorstellen der den Neuplatonismus erklärt.
Was haltet ihr davon ?
Ich finde das eine interessante Einführung ins Thema.
https://www.youtube.com/watch?v=k8fP8w7PL_w
Grüsse Kolag Hraban
www.AsatruSchweiz.ch
Beiträge: | 882 |
Punkte: | 752 |
Registriert am: | 13.07.2011 |
Ja, die Erklärungen in diesem Video sind grundsätzlich nicht schlecht. Plotin (deutsche Kurzform für Plotinos oder Plotinus, um 205-270 n. Chr.), der in Alexandria studiert hatte und später in Rom eine Schule betrieb, meinte jedoch selber, dass die hierarchisch gegliederten Hypostasenstufen (im Sufismus "Stufen des Seins" genannt) graphisch besser nicht übereinander, sondern als ineinander liegende Kreise dargestellt werden sollen. Diese ringförmige Anordnung findet man u.a. noch im Mittelalter in Dantes "Göttlicher Komödie" beim Berg der Läuterung.
Demzufolge wäre zuinnerst der absolut transzendente Mittelpunkt, der von Plotin zumeist "das Eine" genannt worden ist, manchmal aber auch - im Gegensatz zu den Aussagen des Videos - "das Gute", "das Schöne" oder sogar "Gott", obwohl Plotin hier schon die sogenannte "Negative Theologie" anwendet und ansonsten keine Aussagen von dem transzendenten "Einen" macht, ausser dass das "Eine" aus sich selbst heraus überquillen und in die niedereren Hypostasenstufen unaufhörlich ausströmen würde.
Die beiden anderen Hypostasen bei Plotin heissen "Nous", was zumeist mit dem auf Deutsch irreführenden, weil unklaren Begriff "Geist" übersetzt wird, ich aber in Anlehnung an den Hinduismus lieber mit "Überseele" übersetze, sowie die "Psyche", also "Seele", die ihrerseits vom "Einen" schon in die Vielheit hineinreicht, wobei gemäss Plotin die Seele des Menschen sich zwar zumeist mit der vergänglichen Materie identifizieren würde, jedoch zugleich der allerhöchste Teil der vielschichtigen Seele ewiglich im transzendenten "Einen" ruhen würde. Dadurch könne nach Plotins Meinung der Mensch einzig und allein durch die Philosophie und durch einen philosophischen Lebensstil (u.a. Meditation, Kontemplation, Askese und Menschenfreundlichkeit) sich selbst "erlösen" und wieder zurück zu den höheren Hypostasenstufen aufsteigen.
Der Hinweis im Video auf die verschiedenen damaligen Sekten der Gnostiker ist zwar nicht ganz falsch, in diesem Zusammenhang aber auch nicht ganz richtig. Plotin verfasste sogar eine Schrift mit dem Titel "Gegen die Gnostiker", weil er sich vor allem daran störte, dass nach der gnostischen Lehre die materielle Welt von einem teuflischen "Gegengott", der als Demiurg bezeichnet wird, erschaffen worden sei. Hingegen bei Plotins philosophischem Konzept ist kein Platz für einen Demiurgen. Doch Plotins augenscheinliche Geringschätzung der Materie, was bei ihm selber zu einer eher ungesunden Nichtbeachtung des eigenen Körpers führte, darf meiner Meinung nach sehr wohl als Mangel bezeichnet werden, da auch bei Plotin ein paar kleinere, unausgereifte Denkfehler vorhanden sind, die man sehr wohl in Frage stellen darf. Gemäss den Zeugenaussagen von Plotins bedeutendstem Schüler Porphyrios soll Plotin jedoch über gewisse übernatürliche Fähigkeiten verfügt haben.
Als kleine Übersicht für Einsteiger zu Plotin und und dem Neuplatonismus ist übrigens auch der Abschnitt darüber in Jostein Gaarders Roman "Sofies Welt" nicht schlecht. (Mit der symbolischen Beschreibung mit dem Feuer in der Mitte der nächtlichen Landschaft, welche man mit einigen Kilometern Entfernung kaum noch erkennen könne.)
Ein schönes Zitat von Plotin:
"Immer wieder, wenn ich aus dem Leibe aufwache zu mir selbst, lasse ich das Andere hinter mir und werde mir selbst innerlich, erschaue eine wunderbar gewaltige Schönheit und vertraue, in solchem Augenblicke ganz eigentlich zum höheren Bereiche zu gehören."
Eigentlich wollte ich die allerwichtigsten übrigen heidnischen Neuplatoniker mal im Thread "Verkannte Philosophen" behandeln...
( //asatruschweiz.forumprofi.de/topic.php?topic=261 )
...aber der Übersicht halber lassen sie sich auch in diesem Thread vereinen (wobei die bereits genannten moderneren Philosophen Frithjof Schuon oder auch Nicolás Gómez Dávila - neben einigen anderen - sehr starke neuplatonische Züge aufweisen):
Porphyrios, auf Deutsch auch einfach kurz Porphyr genannt (um 233 bis zwischen 301 und 305 n. Chr.), war der bedeutendste Schüler von Plotin. Er editierte Plotins Gesamtwerk und fasste auch die sehr spärlichen Angaben zu Plotins Leben (da sich dieser diebezüglich immer sehr bedeckt hielt und nicht einmal seinen Geburtstag verriet) sowie Porphyrs Augenzeugenberichte über Plotin zu einer Biographie zusammen.
Porphyr war ein hoch angesehener Universalgelehrter. Noch hundert Jahre später war Augustinus des Lobes voll für ihn. Porphyr veränderte jedoch einige Punkte aus der Philosophie seines Lehrers Plotin. Ich bin mir im Augenblick - auswendig - nicht sicher, aber ich glaube, während für Plotin das EINE "überseiend" war, identifizierte Porphyr das EINE mit dem Sein. Ausserdem war Porphyr offener gegenüber den heidnischen Götterkulten und Tempeldiensten, an denen er selber zuweilen teilnahm. Überdies verfasste Porphyr Kommentare zu den sogenannten "Chaldäischen Orakeln", welche aus dem 2. Jahrh. n. Chr. stammen (angeblich zu Zeiten des Kaisers Marcus Aurelius von einem gewissen Julian dem Chaldäer und dessen Sohn Julian dem Theurgen verfasst) und welche ab Porphyr sozusagen die esoterisch-theurgische "Bibel" der heidnischen Neuplatoniker darstellten. (Die "Chaldäischen Orakel" sind bis auf rund 200 Verse heute leider verschollen.)
Von Porphyr sind fast keine Schriften erhältlich. Ein Teil seiner auf Altgriechisch verfassten Schriften sind verschollen, und diejenigen, die überlebt haben, waren weitestgehend bisher noch niemals auf Deutsch übersetzt erhältlich. Porphyr war als Heide ein hervorragender Kenner des gegnerischen Christentums und der frühen Bibelausgaben. So wie Plotin eine Schrift "Gegen die Gnostiker" verfasste, schrieb Porphyr eine berühmt-berüchtigte Schrift mit dem Titel "Gegen die Christen" (wie später Kaiser Julian "Gegen die Galiläer"), welche dermassen vortrefflich gewesen sein muss, dass sie noch über 200 Jahre später im byzantinischen Reich auf dem Index stand, heute jedoch leider verschollen ist.
Dennoch konnten aus späteren christlichen Gegenschriften ein paar spärliche Auszüge aus Porphyrs Schrift "Gegen die Christen" wiedergewonnen werden, nämlich folgende Fragen, die für die Christen höchst unbequem sind:
"Warum hat Gott die Erkenntnis zwischen böse und gut verboten?" (1. Buch Mose 2,17)
"Warum hat denn euer gnädiger und barmherziger Gott zugelassen, dass von Adam bis auf Moses und von Moses bis auf die Ankunft Christi alle Völker aus Unkenntnis des Gesetzes und der göttlichen Vorschriften zu Grunde gingen?"
"Wenn Christus der einzige Weg zur Wahrheit und zur Glückseligkeit ist, wenn nur diejenigen selig werden können, welche an ihn glauben: was ist aus den unzähligen Menschen geworden, die vor Christus gelebt haben? Wenn der Tempelkultus mit Opfern und Räucherungen, wie die Christen sagen, Gott nicht angenehm ist: warum hat er ihn im Alten Testament vorgeschrieben? Verurteilt sich Jesus nicht selbst, wenn er denen mit ewigen Höllenqualen droht, die nicht an ihn glauben, und doch wieder lehrt: mit dem Mass, mit welchem ihr messet, werdet ihr gemessen?"
Iamblichos von Chalkis, auf Deutsch zumeist Jamblichos geschrieben oder kurz Jamblich (um 240/245 bis 320/325), war der gelehrte und hoch angesehene Schüler von Porphyr. Jamblich stammte aus Syrien und vertrat die Meinung, dass die Lehren der Platoniker und der Pythagoräer im Wesentlichen völlig übereinstimmen würden. Er veränderte die Lehre von Plotin und Porphyr ziemlich stark und führte zusätzliche Hypostasenstufen ein. "Das Eine" unterteilte Jamblich in das in sich ruhende ursprüngliche Eine und andererseits in das aus sich herausströmende, aktive Eine. Ebenso erweiterte Jamblich die "Nous"-Stufe. Jamblich lehnte Plotins Lehre entschieden ab, wonach ein Teil der Seele immer im Göttlichen ruhen würde. Das könne nicht sein, da der Mensch in einem solchen Falle unentwegt glücklich sein müsse. (Ich selber hänge in diesem Punkte dennoch eher an Plotins Ansicht.)
Was Jamblich jedoch interessant macht, ist die logische Schlussfolgerung, die er aus dieser Überlegung zieht, wie sie heidnischer nicht sein könnte: Im Gegensatz zu Plotin, der konsequenterweise an die Selbsterlösung der Seele auf rein philosophischem Wege glaubte, vertrat Jamblich die Meinung, dass die Seele auf Erden gänzlich vom Göttlichen abgetrennt sei. Darum könne die Seele Erlösung nur durch bestimmte heidnisch-esoterische Kulthandlungen, Götterberschwörungen, Tempeldienste und Rituale erlangen. Dadurch könne sich die Seele zu den Göttern emporschwingen und ihnen angleichen. Dieses höhere, "elitäre" heidnisch-magische Konzept wird als Theurgie bezeichnet. (Interessanterweise existiert praktisch das gleiche theologische Konzept noch immer im griechisch-orthodoxen Ostchristentum unter dem Begriff "Theosis".) Die esoterische "Bibel" der Neuplatoniker, die "Chaldäischen Orakel", spielten bei Jamblich eine immer grössere Rolle. Laut Jamblich seien diese esoterisch-rituellen Götterbeschwörungen und Kulthandlungen der einzige Weg zur Erlösung. (Das alles macht Jamblich meiner Meinung nach sehr interessant, wirft bei mir jedoch auch Fragezeichen auf.)
Entweder durch Jamblich selbst oder durch die anderen heidnischen Neuplatoniker des frühen 4. Jahrhunderts aus jenem Milieu wurde die Hypostasenstufe unterhalb des absolut transzendenten und daher "nicht erkennbaren" Gottes mit dem Sonnengott Helios identifiziert, während die sich darunter befindende Hypostasenstufe der Seele mit der Göttin Hekate gleichgesetzt wurde. (Hekate spielte in jener spätantiken Epoche allgemein eine wichtige Rolle in der neuplatonischen Esoterik und in den Mysterienkulten.)
Der bedeutende heidnische Rhetoriker und Philosoph Themistios (um 317 bis nach 388 n. Chr.) wird ebenfalls dem Neuplatonismus zugerechnet. Themistios war einer der wenigen Neuplatoniker, dessen Gedankengut weniger "weltflüchtig" war, sondern der die Verknüpfung mit der Politik suchte, vor allem durch das sakralmonarchistische Konzept vom Kaiser als ausstrahlende Verbindung und Brückenbauer zum Göttlichen. Darüber hinaus vertrat der Heide Themistios öffentlich die Meinung, dass es zwar nur einen einzige Gott gäbe, jedoch tausend verschiedene Wege zu Gott, die allesamt gleichermassen richtig seien. Themistios sagte das auch im Hinblick auf die verschiedenen, untereinander total zerstrittenen christlichen Glaubensrichtungen, die sich alle zusammen gefälligst friedlich vertragen sollen.
Kaiser Julian "Apostata", der allerletzte heidnische Kaiser des römischen Reiches, der ebenfalls dem Neuplatonismus zugerechnet wird und der vor allem von Jamblichs Schriften massiv beeinflusst war und in seiner Jugend zumindest phasenweise allgemeinen Unterricht bei Themistios genoss, wurde in diesem Forum bereits in folgendem Thread behandelt, mitsamt einigen Zitaten:
//asatruschweiz.forumprofi.de/topic.php?topic=243
Proklos, auch Proklos Diadochos genannt (412-485 n. Chr.) war der letzte bedeutende heidnische Philosoph. Fast ein halbes Jahrhundert lang war er einer der letzten Leiter von Platons Akademie in Athen. In einigen Punkten stand die Philosophie von Proklos wieder näher bei Plotin, in anderen wiederum näher bei Porphyr, in wieder anderen Punkten gleicht Proklos eher dem Jamblichos. Insgesamt gilt Proklos' Philosophie als ausserordentlich komplex, insbesonders seine Dialektik zwischen den Hypostasen. 1400 Jahre später wurde Proklos zu einem der wichtigsten Haupteinflüsse für Hegels Dialektik, wobei Hegel bei der ursächlichen Hypostase, nämlich "dem Einen", entscheidende Veränderungen vornahm.
Proklos hatte an Platons Akademie als Vorsteher sozusagen auch das Amt eines heidnisch-kultischen Leiters inne. So war Proklos trotz der enormen Komplexität seiner Philosophie sehr wohl an esoterischen und spirituellen Übungen interessiert sowie an Gesängen und Hymnen zu Ehren der Götter. Anscheinend gab es von Proklos auch mal Aufzeichungen zu seinen Hekate-Visionen, die aber verschollen sind.
Während von Plotin das Gesamtwerk zweisprachig auf Griechisch-Deutsch (mit Kommentaren) gegenwärtig NOCH erhältlich ist, ist es bei Proklos, dessen Gesamtwerk bisher noch niemals auf Deutsch übersetzt erschienen ist (jedoch in den 1950er Jahren anscheinend mal auf Englisch; Hegel las das alles natürlich auf Griechisch), genau wie Porphyrs und Jamblichs Schriften enorm schwierig, nur schon irgendwelche Auszüge und Zitate auf Deutsch aufzustöbern. Hier ein Auszug von Proklos aus seiner Schrift "Elemente der Theologie":
"Jede partikuläre Seele vermag in den temporalen Prozess hinabzusteigen und vom Prozess des Werdens zum Sein unendliche Male heraufzusteigen.
Wenn eine solche Seele zu gewissen Zeiten die Götter begleitet und zu anderen abgleitet von der gespannten Hinwendung zum Göttlichen, und wenn sie partizipiert an der Intelligenz und am Mangel an Verstehen, dann ist klar, dass sie mal in das Werden eintritt und dass sie mal wahres Sein bei den Göttern hat. Denn es ist nicht möglich (weder eine unendliche Zeit in stofflichen Körpern gewesen zu sein und danach eine zweite unendliche Zeit bei den Göttern) noch eine endliche Zeit bei den Göttern verbracht zu haben und wieder für die ganze Zeit danach in den Körpern zu sein; denn was keinen zeitlichen Anfang hat, wird niemals ein Ende haben, und was kein Ende hat, kann notwendigerweise keinen Anfang gehabt haben. Es bleibt dann, dass jede Seele eine periodische Abwechslung von Aufstiegen aus dem Prozess des Werdens und von Abstiegen in den Prozess durchmacht, und diese Bewegung ist ohne Ende wegen der Unendlichkeit der Zeit. Daher kann jede partikuläre Seele unendliche Male hinabsteigen und wieder aufsteigen, und dieses wird niemals aufhören jeder so beschaffenen Seele zuzustossen."
"Der spirituelle Körper jeder partikulären Seele steigt herab, indem er materielle Umkleidung anlegt, und er steigt auf mit der Seele durch Ablegen alles Materiellen und durch Zurückkehren zu seiner eigenen Form analog der Seele, deren Instrument er ist; denn die Seele steigt herab durch die Aufnahme irrationaler Lebensprinzipien, und sie steigt auf, indem sie alle Fähigkeiten der Erzeugung temporaler Prozesse abschüttelt, mit denen sie bei ihrem Abstieg umkleidet war, und indem sie rein wird und ledig von allen solchen Fähigkeiten, wie sie zum Prozess des Werdens gebraucht werden."
"1. Alle Vielheit findet sich in irgendeiner Weise in dem EINEN.
2. Alles, was sich im EINEN findet, ist sowohl Eines als auch Nichteines.
3. Alles, was Eines wird, wird durch sein Sichfinden in dem EINEN Eines."
"4. Alles Geeinte ist ein anderes als das EINE selbst.
5. Alle Vielheit folgt als Zweites dem EINEN.
6. Alle Vielheit besteht entweder aus Geeinten oder aus Einsheiten."
"7. Alles, was anderes hervorbringt, übertrifft das Eigenwesen des Hervorgebrachten."
Dann folgen die christlichen Neuplatoniker, die eben auch nicht uninteressant sind: schon vor dem Heiden Proklos der heilige Augustinus von Hippo (354-430), von dem besonders das Werk "Vom Wesen des Guten" sehr empfehlenswert ist. Oder der christliche Mystiker mit dem Pseudonym Dionysius Areopagita, von dem heutige Philologen glauben, er müsse in einigen Punkten ein Schüler von Proklos gewesen sein. Dionysius Areopagita führte die sogenannte "Negative Theologie", also die strikte Nichtdefinierbarkeit Gottes, in neue Dimensionen und verfasste Schriften wie "Von den himmlischen Hierarchien".
Ebenfalls dem christlichen Neuplatonismus zugerechnet, obwohl er insgeheim vielleicht eben doch noch heidnisch gesinnt war, wird Boëthius (zwischen 524 und 526 auf Befehl des Ostgotenkönigs Theoderichs des Grossen hingerichtet) mit seiner phänomenalen Erbauungsschrift "Trost der Philosophie", die er - zum Tode verurteilt - im Kerker verfasste. Boëthius führt darin ein imaginäres Zwiegespräch, welches durch mehrere selbstgedichtete Verse mit homerischen Anklängen aufgelockert wird, mit der Göttin Philosophia, die ihn durch diskursive und logische Überlegungen wieder aus seiner Niedergeschlagenheit aufrichtet. Im Laufe dieses Buches, welches in mehreren verschiedenen Deutschübersetzungen erhältlich ist, geht es um die höchste Glückseligkeit, wonach alle Menschen bewusst oder unbewusst eigentlich streben würden, wobei diese höchste Glückseligkeit logischerweise mit "Gott" gleichgesetzt wird. Allerdings ist Boëthius Philosoph genug, um jegliches Glaubensbekenntnis zu vermeiden. Anklänge an das Christentum lassen sich bei genauerer Analyse keine herauslesen.
(Fortsetzung unten)
Beiträge: | 186 |
Punkte: | 184 |
Registriert am: | 08.10.2014 |
(Fortsetzung)
Im weitesten Sinne stand noch das ganze nachfolgende Mittelalter im Banne des neuplatonischen Erbes, sowohl geistig als auch kulturell, wobei die meisten der ursprünglichen Quellentexte wie z.B. Plotin in Westeuropa nicht mehr bekannt waren. Selbst von Platon zirkulierten in den Klöstern höchstens ein paar wenige Zitate. Erst der für den Neuplatonismus enorm wichtige Renaissance-Gelehrte Marsilio Ficino (1433-1499) übersetzte - sowohl im Auftrage des Hauses Medici als auch aus persönlicher philosophischer und spiritueller Überzeugung - einen Grossteil von Platons Schriften sowie das Gesamtwerk von Plotin aus dem Griechischen ins Lateinische. Marsilio Ficino, der sich auch mit Proklos beschäftigte, bewertete Plotin sogar höher als Platon, da bei Plotin vieles viel klarer sei und auf das spirituell Wesentliche konzentriert.
Jedoch nicht nur das mittelalterliche Christentum, sondern auch die islamische Kosmologie ist sehr stark neuplatonisch geprägt, umso mehr natürlich der Sufismus, während in der christlichen Mystik sogar noch Meister Eckhart (um 1260 bis 1328) im weitesten Sinne als ein Erbe des Neuplatonismus' bezeichnet werden kann (wobei Meister Eckhart wieder ganz wie Plotin, den er gar nicht kannte, lehrte, dass der innerste Seelenkern eines jeden Menschen ewiglich Anteil am Göttlichen habe).
Als Gegenbewegung gegen den Neuplatonismus gab es während des Mittelalters jedoch immer auch die Aristoteliker, welche bei den philosophischen Theologen des Mittelalters der Scholastik zugerechnet wurden. Der Unterschied zwischen Platonismus und Aristotelismus war schon in der Spätantike auffällig. Weit verbreitet waren u.a. folgende Unterschiede:
Seelenwanderung und Wiedergeburtslehre: Platonismus: ja, Aristotelismus: nein.
Schwärmerischer Ägyptenmystizismus: Platonismus: ja, Aristotelismus: nein.
Platonismus: Betonung auf die Mystik, Aristotelismus: Betonung auf die Logik.
Platonismus: Gewichtung auf die Seele und auf alles, was darüber ist, Aristotelismus: Gewichtung auf die Sicht aus der Materie.
Seit dem Aufkeimen der anti-spirituellen Philosophien der Aufklärung vor rund 300 Jahren, welche im 20. Jahrhundert im Existentialismus gipfelten, gelten sämtliche Strömungen des Neuplatonismus' nun als "veraltet", bzw. als "aus der Mode geraten", überdies als "finsteres Mittelalter", "lächerlich", "weltfremd", "unverständlich", "übersinnliche Schwärmerei" und als etwas, was der "moderne, aufgeklärte" Mensch der Neuzeit nicht ernst nehmen könne. Seit einiger Zeit verschwindet das Erbe des Neuplatonismus' sogar zunehmend aus der katholischen Theologie, wo heutzutage ebenfalls ganz nach dem existentialistischen Zeitgeist lieber alles Menschliche, Relative, Vergängliche ("Man muss modisch mit der Zeit gehen!"), Irdische und Rationalistische betont wird, während für die transzendentale Ewigkeit und für höhere göttliche Sphären kein Verständnis mehr aufgebracht wird.
Nur ein paar ganz wenige unzeitgemässe und unbequeme Querdenker halten entgegen dem heute vorherrschenden Zeitgeist noch immer an neuplatonischen Idealen fest, dabei zumeist völlig unabhängig voneinander und deshalb mit komplett verschiedenen Ansätzen, wie beispielsweise die bereits genannten Frithjof Schuon (1907-1998) und Nicolás Gómez Dávila (1913-1994) sowie ein paar wenige andere Philosophen oder Mystiker, die der Allgemeinheit mehr oder weniger genauso unbekannt sind.
Beiträge: | 186 |
Punkte: | 184 |
Registriert am: | 08.10.2014 |
Dieser Einführung in den Neuplatonismus kann ich in einigen Dinge schon folgen.
Schon länger denke ich über das nach was über den Göttern steht. Denn unsere Götter sind nicht allmächtig. Sie sind "dem Schicksal" ebenso unterworfen wie auch wir. Dazu gibt es viele Beispiele in den Mythen. So zum Beispiel das Odin und Firma den Tod ihres Sohnes Baldur nicht verhindern konnten. Aber es gibt noch andere Beispiele.
Oft habe ich mich gefragt was das ist was über den Göttern steht. Ist es eine übergeordetete Gottheit, oder ist es ein Prinzip ? Sind es die Naturgesetze ? Monoteisten möchte hier gerne ihren allmächtigen Gott sehen, der über allem steht.
Ich denke, es ist keine weitere Gottheit, sondern eher ein Prinzip, Schicksal oder welchen Begriff man dort als sinnvoll erachtet.
Die Einführung in den Neoplatonismus von Weilmeier nennt nun diese "Ebene" Hen. Er sagt: sie ist nicht und hat keine Existenz. Da konnte ich mich mich meinen Gedanken gut wiederfinden.
Diese Ebene ( Hypotase ) eminiert in die nächste ebene Nous die er als seiend und existent, aber als geistig beschreibt. Dort sehe ich die Götter.
Unsicher bin ich mir über die Wertigkeit der Materie, die auf der untersten Stufe angesehen wird. Das möchte ich so erstmal nicht unterschreiben -muss noch etwas darüber nachdenken !
Auch über eine Anordnung der Hypotasen von oben nach unten - ich könnte mir auch andere vorstellen - wie du auch schriebst von innen nach aussen .... z.B:
Ein Gedanke der mir zur Hypotase der Weltenseele einfiel, war die Weltenesche Yggdrasil ?....
Soweit meine Gedanken und Überlegungen.
Grüsse Kolag Hraban
www.AsatruSchweiz.ch
Beiträge: | 882 |
Punkte: | 752 |
Registriert am: | 13.07.2011 |
Danke für den Link.
Leider kann ich zum einen nicht in der Fülle und zum anderen wenig mit philosophischen Zitaten und Denkern zu diesem interessanten Thema schreiben, aber aus der gerade aufblühenden Natur mit meiner Erfahrung.
Heute erst sass ich wieder, den Blick auf einen kleinen Krokus innerhalb der Kiesfläche und begann zu staunen, zu fühlen. Da wächst er fernab seiner artverwandten "einfach so". Der Mutter Erde Schoss gibt Nahrung und Kraft, das Licht, die Wärme und das Zusammenspiel ist einmalig. In diesem Gefühl hab ich ein Stück Beginn neuen Lebens gespürt. Und dennoch ist es eine Folge von vielen Faktoren und Ausdrücken/ Energien...
Ich denke, dass die Zuordnung von Göttern zu, zum Beispiel Pflanzen, eine wichtige Rolle im hierarchischen System spielt. Aktuell ist es der Bärlauch. Hierzu verweise ich auf Gardenstone, der die Rune Thurisaz mit dem Heilkraut Lauch beschreibt. Wenn man die Wirkung (Blutreinigend und Abwehr stärkend) nimmt und sich die Attribute Thors anschaut, gibt es da Deckungsgleichheit. Und hier streife ich das eigentliche Thema wieder etwas an.
Das die Mythen und der Aufbau der 9 Welten (wie wir es sicher ähnlich sehen) sich in Philosophien wiederfinden lassen, finde ich bemerkenswert. Wobei die Art und Weise ( Kontemplation, Askese) hier und da verschieden sind. Und die Ausrichtung des eigenen Lebens ( Stichwort Wallhalla)...
Kolag_Hrabans Ansatz mit Yggdrasil finde ich da recht gut, wobei ich die Weltenesche schon als etwas formelles und damit (symbolisch) existentes ansehe. Vielmehr, so glaube ich, ist es die "unbekannte" Kraft, die Yggdrasil und damit jedem Wesen innewohnt, die dem "höchsten" am nächsten kommt. Auch sie muss, geschützt werden, da der Drachen Nidhögg, an ihr nagt.
Wie gesagt, ich finde es ein hochinteressantes Thema und bin überrascht wie tief und dank Ansgisel hab ich gelernt wie vielfältig die Philosophen sich damit auseinandersetzen.
Hierzu möchte ich nochmal auf Jacob Böhmes "Mystischen Dialog" verweisen:https://www.youtube.com/watch?v=GITOEDPs5e8
Dieser fasziniert mich in seiner Einfachheit (auch wenn diese Version abgewandelt ist), der Präzision und auch in der Rhetorik.
In diesem Sinne: auf nach Ginnungagap
Fange nie an aufzuhören, höre nie auf anzufangen.
Beiträge: | 198 |
Punkte: | 192 |
Registriert am: | 25.10.2012 |
Yggdrasil sehe ich mit ihrem Stamm, bzw. mit ihren drei Stämmen, als typischen Schamanenbaum, an welchem der Schamane in andere Dimensionen hinaufsteigen oder zu den Wurzeln hinabklettern kann. Somit ist die Weltesche mit ihrer "Axis Mundi" (= Weltachse) meiner Ansicht nach allumfassend - und beeinhaltet somit auch alle Hypostasenstufen: zuoberst am Wipfel "to Hen" (das transzendente EINE), darunter, aber immer noch in der Krone, "Nous" (nach meiner Übersetzung "Überseele", entspricht übrigens auch Platons "Ideenebene", ab Jamblichos und Kaiser Julian mit dem Sonnengott Helios identifiziert) und noch tiefer darunter "Psyche", die Seele (die meiner Meinung nach ihrerseits verschiedene Ebenen beeinhaltet, z.B. mehrere Mentalebenen und zuunterst die aus emotionaler Energie bestehende feinstoffliche Astralebene). An den Wurzeln wäre dann die Materie (wobei Plotin unter dem Begriff "Materie" eigentlich eher nur die geistige Matrix für richtige Materie verstand).
Diese Vorstellung von der Weltesche Yggdrasil hat sehr viel mit dem Lebensbaum aus der jüdischen Kabbala mit seinen zehn Sephiroth zu tun, bzw. ist mit ihm identisch. Es lässt sich in der volkstümlichen Kunst (z.B. Bauernmalerei) bis zurück zu vorgeschichtlichen Megalithritzungen verfolgen, dass der Weltenbaum über die Jahrtausende hinweg als doppelt übereinander gelegte Hagal-Kristalle dargestellt wurde, der somit sieben Ebenen hat (Diese Symbolik findet sich in vielen verschiedenen Mythologien in aller Welt: Himmelsleiter mit sieben Stufen oder die "sieben Himmel") mit insgesamt zehn "Urquellen". Da die erste Urquelle praktisch wegfällt, weil sie zu transzendent und daher unvorstellbar ist, hätten wir bei den übrigen neun die "neun Welten" der nordischen Mythologie.
Das sind so meine Gedanken zu Yggdrasil, auf die ich einst vor allem durch das Buch "Vatan - der Pfad des Nordens" gekommen bin, jedoch mit weiteren Ergänzungen meinerseits.
Ja, ich stimme zu, die Geringschätzung der Materie ist meines Erachtens ein eindeutiger Denkfehler von Plotin. Aber wir sind heutzutage philosophisch weiter und haben umfassende weiterführende Erkenntnisse, und es ist leicht nachzuweisen, wie sich dieser Denkfehler bei Plotin, ja sogar schon Jahrhunderte früher bei Platon, in die Philosophie einschleichen konnte. Die Materie mag im Erklärungsmodell graphisch dargestellt zwar "zu unterst" (hierarchische Stufen) oder "zu äusserst" (ineinanderliegende Ringe) sein, aber das bedeutet keineswegs, dass sie deswegen verachtet werden muss. Die philosophische Begründung für die Revision dieses Punktes gegenüber Plotin würde an dieser Stelle aber den Rahmen sprengen...
Und das "allerhöchste Prinzip", das über allen anderen Göttinnen und Göttern stehen würde, ja... Im Laufe der Jahre bin ich zu jener persönlichen Erkenntnis gelangt, wonach bereits Platon und später noch schärfer Plotin dieses allerhöchste Prinzip nicht nur "to Hen" (= das EINE), sondern auch "das Gute", "das Wahre" und "das Schöne" bezeichneten, zuweilen auch "Theos" (= Gott). Dies ist der "absolute Gott" jenseits aller Dogmen unt aller Religionsbekenntnisse, der in seinem innersten Wesenskern das absolut Gute ist. Doch warum nicht auch böse? Weil das Böse nur scheinbar das Gegenteil des Guten ist, nämlich hier in unserer vergänglichen Welt, welche räumlich und zeitlich und daher relativ ist. Jedoch in der absoluten Realität hat das Gute kein autonom existierendes Gegenteil. Es gibt kein absolut böses Prinzip, welches bis in die letzte Konsequenz um 180 Grad genau das Gegenteil des absolut Guten wäre. Das Böse stellt von dem her immer nur ein Sich-Abwenden, Sich-Entfremden vom absolut Guten dar.
(Um Missverständnisse zu vermeiden: Wie bereits an anderen Stellen in diesem Forum beschrieben, sprechen wir hier vom "Absoluten" im rein philosophischen, theologischen, metaphysischen und mystischen Sinne, also NICHT von etwas, was von irgendwelchen Menschen künstlich als Ideologie verabsolutiert worden ist. Somit ist das Absolute, bzw. die absolute Realität im philosophischen Sinne etwas Transzendentes, welches für uns Menschen fast überhaupt nicht vorstellbar oder greifbar ist. Moderne Anhänger der Philosophie des Existentialismus sagen daher oft: "Alles ist relativ! Es gibt nichts Absolutes!" Diese Aussage ist jedoch ein Widerspruch in sich selbst, weil die Behauptung, es gäbe angeblich gar "NICHTS" Absolutes, ihrerseits ungewollt bereits eine absolute Aussage ist! Daran kann man erkennen, auf welch subtile Weise sich die absolute Realität hinter der relativen Realität verbergen kann, so dass sogar Leute, die an nichts Absolutes glauben, ständig reinrasseln.)
In diesem Punkte irren sich meiner Meinung nach zahllose moderne Esoterikbücher, welche behaupten, dass Gut und Böse einander bedingen würden. Als Beispiele werden oft angeführt: Gut und Böse, Licht und Schatten, Krieg und Frieden, Mann und Frau... Hoppla, schon haben wir ein Problem, welches vielen Esoterikern überhaupt nicht auffällt: Das weibliche Prinzip soll gemäss dieser Anschauung also dem Bösen, dem Dunklen und dem Krieg entsprechen? Hier liegt eine schwerwiegende Verwechslung vor, die philosophisch nicht zu Ende gedacht worden ist! Es liegt nämlich in der Natur der Zweiheit, dass es ZWEI komplett verschiedene Zweiheiten gibt, nämlich Polarität UND Dualität, was NICHT dasselbe ist. Polaritäten sind jeweils zwei gleichwertige Prinzipien, die tatsächlich einander bedingen: männlich und weiblich, Plus-Strom und Minus-Strom, Ebbe und Flut etc.
Hingegen Dualitäten haben jeweils nur ein einziges absolutes Prinzip, welches man sich bildlich besser "oben" vorstellt, jedoch "unten" kein wirkliches Gegenteil, welches unabhängig von sich aus und absolut existieren würde, sondern nur einen Mangel und ein Entfremden darstellt: das Gute (in der Transzendenz absolut), aber das Böse ist nicht das Gegenteil vom Guten, sondern nur ein Mangel; das Wahre (absolut), hingegen der Lüge bedarf es nicht, man kann aus einer Lüge auch nicht einfach das Wahre konstruieren; das Schöne (unabhängig von relativen Geschmäckern in der Transzendenz absolut), während das Hässliche nur eine Entfremdung vom Schönen und einen Mangel darstellt. Somit ist das Absolute absolut gut, absolut wahr und absolut schön, jedoch ohne ein unabhängiges Gegenteil.
Das in der Transzendenz (= jenseits der räumlich-zeitlichen Relativität) absolut Gute, das absolut Wahre und absolut Schöne wurde von heidnischen Philosophen "Gott" bezeichnet. Wenn man philosophisch konsequent weiterdenkt sowie Halbwahrheiten und halbwahre Erkenntnisse vermeidet, kann man diesem absoluten Gott auch noch die Prinzipien der absoluten Liebe zugestehen (Hass ist NICHT das absolute Gegenteil von Liebe, da Hass über keine autonome Existenz verfügt!) sowie die absolute Glückseligkeit (siehe Boëthius, "Trost der Philosophie").
Und damit dieser absolute Gott auch wirklich absolut ist, muss man ihm nicht nur die absolute Realität, sondern auch die relative Realität zugestehen. Der vedische Hinduismus lehrt deswegen seit Aberjahrtausenden nicht "Alles ist eins", wie moderne westliche Esoteriker durch Denkfehler oftmals verabsolutierend behaupten, sondern korrekt: "Alles ist eins UND zugleich verschieden!" Oder: "Einheit in der Vielheit UND zugleich Vielheit in der Einheit!" Somit unfasst der absolute Gott zugleich Nondualität (Sanskrit: "Advaita") UND Individualität (Sanskrit: "Atma"). Während auf einer philosophisch anderen Ebene der absolute Gott nicht nur die Transzendenz, sondern notwendigerweise auch die Immanenz sowie die Allpräsenz umfasst, kommt mit der Individualität (= Untrennbarkeit, altgriechisch: "atomos") gewissermassen auch eine Form von Persönlichkeit hinzu.
Der grosse Dichter Friedrich Rückert (1788-1866), der übrigens eine noch heutigentags vielbeachtete Deutschübersetzung des Korans angefertigt hat (wenn auch nicht ganz vollständig), schrieb in seinem nicht-christlichen, jedoch an den Hinduismus angelehnten Gedichtzyklus "Die Weisheit des Brahmanen":
"Die Welt ist wirklich; nur Wirkliches allein
Bringt Wirkliches hervor, Gott muss drum wirklich sein.
Die Welt ist Leben; nur Lebendiges allein
Kann Leben wirken, drum muss Gott lebendig sein.
Der Geist des Menschen denkt; nur Denkendes allein
Kann Denken schaffen, Gott muss also denkend sein.
Des Menschen Willen will; nur Wollendes allein
Kann Willen wirken, Gott muss selber wollend sein."
Vom anfänglichen neuplatonischen Ausgangspunkt habe ich mich schrittweise entfernt. (Plotin verneinte noch jegliche konkrete Aussagen über das Gute, das Eine, und begründete somit die sogenannte "Negative Theologie", die allerdings auch in gewissen hinduistischen Strömungen bekannt ist, welche ihren Höhepunkt jedoch um 500 n. Chr. beim christlichen Mystiker Pseudo-Dionysius Areopagita fand, der seinerseits durch die christliche Nichtdefinierbarkeit Gottes vor allem den Heiden mit ihren greifbaren Götterbildern und bunten Gottesvorstellungen entgegenwirken wollte.)
Doch obwohl dieser absolute Gott nach meinen persönlichen philosophischen Erkenntnissen nicht nur transzendent, immanent und allpräsent ist, sondern zugleich auch noch sowohl die Nondualität als auch die Individualität beeinhaltet (wobei die Nondualität in der heutigen streng naturwissenschaftlichen Quantenphysik nachgewiesen werden kann), womit der All-gütige, All-wahre und All-schöne, All-liebende, All-glückselige Gott (das "All" ist ebenfalls ein uralter germanischer Gottesname), der zudem - nehmen wir doch gleich auch noch die beiden obersten islamischen Haupteigenschaften Gottes hinzu - allbarmherzig (Ir-Rahmán, transzendent) und allerbarmend (Ir-Rahím, immanent) ist, obendrein auch noch eine "menschenartige" Persönlichkeit zu eigen hat, handelt es sich hierbei dennoch NICHT um einen "Monotheismus"! Dieser absolute Gott ist nämlich vollkommen frei von jeglichen Dogmen und Glaubensbekenntnissen. Man kann ihn sogar aus einer rein heidnischen Sichtweise betrachten. Deswegen wird diese dogmenfreie Sichtweise auf den absoluten Gott in der Philosophie NICHT als "Monotheismus" bezeichnet, sondern lediglich als THEISMUS. Wobei Theismus selbstverständlich auch mühelos mit heidnischem Polytheimus kombiniert werden kann, so wie ich das praktiziere. Oder wie das auch im Hinduismus bekannt ist, in welchem der höchste, der absolute Gott zuweilen als Brahma verehrt wird (unpersönliches Advaita-Prinzip Gottes) oder als Vishnu (persönliches Prinzip Gottes in der Immanenz) oder wie in der Bhagavad-Gita als Krishna (persönliches Prinzip Gottes in der Transzendenz jenseits von Raum und Zeit, also im anfangslosen Mysterium der Ewigkeit).
Dieser absolute Gott erscheint auch im altgermanischen Heidentum. Die Goten kannten als obersten Gott einen gewissen Got (zuweilen "Gaut" geschrieben, was jedoch ebenfalls "gót" ausgesprochen wird), was etymologisch mit dem Adjektiv "gut" zusammenhängt. Also war auch den alten Goten zumindest ursprünglich klar, dass der absolute Gott absolut GUT sein muss, nicht aber böse. Der absolute Gott findet sich auch versteckt an mehreren Stellen in der Lieder-Edda (u.a. als Fimbulthul und Fimbultyr) sowie in der Snorra-Edda als Allvater, womit an einigen Stellen eindeutig nicht Odhinn gemeint sein kann ("Er herrscht in der Ewigkeit..."). Es gibt im germanischen Heidentum noch andere Spuren, die auf den absoluten Gott hinweisen. Ich persönlich vermute, dass zumindest ursprünglich auch Ziu, Tius, Tiwaz, Tyr mit dem absoluten Gott identifiziert worden sein könnte.
Beiträge: | 186 |
Punkte: | 184 |
Registriert am: | 08.10.2014 |
(Fortsetzung)
Das sind meine persönlichen bescheidenen Erkenntnisse zu diesem Thema, die ich jetzt glaubs so umfassend wie nie zuvor erläutert habe... Und da ich aus philosophischer Überzeugung bekanntlich jegliche Dogmatik strikte ablehne, und da auch der von mir beschriebene absolute Gott logischerweise keiner Dogmen bedarf, ist es mir völlig wurscht, ob andere diese Ansichten ebenfalls teilen oder nicht...
Beiträge: | 186 |
Punkte: | 184 |
Registriert am: | 08.10.2014 |
Übrigens finde ich die grundsätzlichen Übereinstimmungen zwischen dem Neuplatonismus und der streng naturwissenschaftlichen modernen Quantenphysik besonders faszinierend. Nicht nur die Quantenphysik, sondern auch die allgemeine Physik durchläuft seit rund hundert Jahren Entwicklungen, die sie zunehmend in die Nähe von höherer Erkenntnisphilosophie oder gar Spiritualität rückt, auch wenn das bisher noch kaum irgendwelchen Niederschlag in den Schulbüchern gefunden hat, gesellschaftlich leider noch keine neue Bewusstseinsausrichtung bewirkt hat - und ideologisch eingefleischte Materialisten sich mit Händen und Füssen gegen die neueren naturwissenschaftlichen Erkenntnisse zu wehren versuchen.
Es ist mittlerweile erwiesen, dass die Welt nicht (allein) auf der physikalischen Grundlage der Newtonschen Mechanik funktioniert. Der Physiker Max Planck wies bereits in den 1920er Jahren nach, dass bei physikalischen Experimenten ein in Labor anwesender menschlicher Beobachter auf irgendeine sozusagen "telepathische" Weise unwillkürlich Einfluss auf das Ergebnis des Experimentes hat. Das allein müsste schon ziemlich zu denken geben. Und der Quantenphysiker Hans-Peter Dürr, der letztes Jahr altershalber verstorben ist und der ein Schüler sowie Nachfolger des Atomphysikers und Nobelpreisträgers Werner Heisenberg war (Genau, jener Heisenberg, der die "Heisenbergsche Unschärferelation" entdeckte, welche besagt, dass p multipliziert mit q nicht unbedingt zum gleichen Ergebnis führen muss wie q multipliziert mit p), hörte sich bei seinen Vorträgen bereits wirklich schwer neuplatonisch an.
So erklärte Hans-Peter Dürr aufgrund der neuesten naturwissenschaftlichen Erkenntnisse immer wieder, dass das, was in der Physik als "Potentialität" bezeichnet wird, sozusagen als "Ahnung" oder "Idee" umschrieben werden kann. (Hier haben wir Platons Ideenebene "Nous"!). Der "Geist", der "schon immer da war" (O-Ton Dürr!) stehe als "Form" über der Materie. Bei der Materie würde es sich nur um "geronnenen Geist" handeln, bzw. die Materie sei die "äusserste Kruste des Geistes". (Insofern hatten die Neuplatoniker also recht, wenn sie die Materie auf der untersten, bzw. äussersten Stufe ansiedelten.) Dennoch gäbe es keinen Determinismus (obwohl viele Gehirnforscher und Biologen heutzutage behaupten, es gäbe keinen freien Willen, wobei diese Behauptung unter den Gehirnforschern selber sehr umstritten ist).
Ausserdem würden alle, ALLE Dinge aller Dimensionen miteinander "korrelieren", was im Labor eindeutig nachweisbar ist. Deshalb benutzte Hans-Peter Dürr bei seinen Physik-Vorträgen sogar einzelne Begriffe aus der hinduistischen Philosophie wie "Advaita" (= Nondualität, also Einheit). Anhand gewisser weiterer Begriffe (z.B. "das Eine") lässt sich bei Dürr heraushören, dass er privat sehr wohl auch Plotin & Co. gelesen haben dürfte. Dürr sagte öffentlich, dass sich die heutige Physik immer mehr der Religion und der Spiritualität annähern würde. Doch allem Anschein nach vertrat bereits Werner Heisenberg ganz ähnliche Ansichten. Bei Hans-Peter Dürr gipfelten dessen naturwissenschaftliche Erkenntnisse u.a. in den Buchtiteln "Physik und Transzendenz" und "Es gibt keine Materie!"
Der Physiker Burkhard Heim sprach von höheren Geiststufen (welche den neuplatonischen Hypostasenstufen entsprechen). Ausserdem vertrat Burkhard Heim die Ansicht, dass der Geist über der Materie steht. (Eine der Lieblingsphrasen der Esoteriker aus dem Munde eines Naturwissenschaftlers! So weit sind wir schon!) Demzufolge könnte nach den heutigen physikalischen Erkenntnissen zumindest theoretisch der menschliche Geist - je nach Gedanken und Bewusstseinsausrichtung - die gesamte materielle Realität um sich herum formen, verändern und gestalten.
Doch der Grund, warum uns das so schwer fällt (auch wenn es nicht gänzlich unmöglich ist, siehe u.a. Mirin Dajo) hat ganz andere Hintergründe, welche wiederum der Biophysiker Dieter Broers in seinem neuesten Buch "Der verratene Himmel - die Rückkehr nach Eden" versucht hat aufzuspüren. Dieter Broers ist seit vielen Jahrzehnten ein anerkannter Naturwissenschaftler mit einem grossen Leistungsausweis und zieht seit einigen Jahren zunehmend die höchst radikalen Konsequenzen aus seinen biophysikalischen Arbeiten, d.h. aus zahlreichen Untersuchungen, Experimenten, Beobachtungen, Statistiken und Studien (auch interdisziplinär aus angrenzenden anderen naturwissenschaftlichen Bereichen). In jüngster Zeit öffnet er sich immer mehr der Esoterik und vertritt mittlerweile ein unverhohlen spirituelles Weltbild, welches er jedoch stets naturwissenschaftlich absichert. Dennoch ist für strenggläubige Materialisten Dieter Broers jetzt endgültig "unten durch". (Deswegen empfehle ich wärmstens sein Werk; natürlich ist er auch auf ständig neu hinzukommenden Beiträgen auf Youtube gegenwärtig.)
Hans-Peter Dürr wurde mal gefragt, warum der weltweit in den Medien so populäre Astrophysiker Stephen Hawking teilweise ganz andere, gegenteilige Ansichten vertreten würde (nämlich letztlich materialistische). Hans-Peter Dürr antwortete, dass Stephen Hawking mit völlig veralteten Modellen arbeite, welche teilweise noch aus den 1920er Jahren stammten und die in der "neuen Physik" schon allerlängst als überholt gälten.
Oftmals kommen materialistisch gesinnte Kritiker mit dem Einwand, wonach die Quantenphysik auch nur eine Theorie sei. Doch anscheinend stimmt das so nicht. Erkenntnisse aus der Quantenphysik fliessen seit Jahrzehnten in die modernen Technologien ein. Kein Handy würde ohne die Errungenschaften aus der Quantenphysik funktionieren. Es stimmt aber, dass sogar in meinen Ohren die Vorträge eines Hans-Peter Dürr auf Youtube (oder was ich in Büchern von ihm lese) sich höchst esoterisch und spirituell anhören. So weit hat sich die moderne Physik bereits entwickelt!
Alles in allem scheint der Neuplatonismus zumindest im Wesentlichen seine Bestätigung in der "neuen Physik" und in der Quantenphysik zu finden. (Kleinere Denkfehler der Alten hin oder her. Doch auch bei einem Hans-Peter Dürr scheinen ein paar Überlegungen noch nicht ganz abgeschlossen zu sein.)
Es ist lustig: Seit rund 300 Jahren wird der Neuplatonismus durch die modernen materialistischen Philosophien der Aufklärung, des Existentialismus' und der Frankfurter Schule als "weltfremder, spiritueller Nonsense" verdammt und verteufelt, doch ausgerechnet die modernen Naturwissenschaften bestätigen durch ihre Erkenntnisse in den Laboratorien die spirituelle Sichtweise des Neuplatonismus'!
Es herrscht zunehmend verkehrte Welt: Junge, idealistische Philosophiestudenten erhoffen sich anfänglich, sie würden an den Universitäten höhere Selbsterkenntnis vermittelt bekommen. Doch der Neuplatonismus und alle anderen spirituellen Philosophien stehen weltweit an keiner einzigen Universität auf dem Programm! (Sogar der grosse Platon wurde in den letzten zehn Jahren aufgrund der Bologna-Reform aus dem akademischen Programm gekippt. Grund: zu "weltfremd".) Die Studenten sollen ausschliesslich mittels materialistischer und analytischer Philosophen dahingehend erzogen werden, dass sie im späteren Berufsleben, sprich: in der Wirtschaft, in beratenden Managerfunktionen möglichst effizient tätig sein können. Der Geist im Dienste des Kapitalismus'.
Und genau umgekehrt scheint es zunehmend in den Naturwissenschaften zu sein: Junge Physikstudenten, die in diesem Bereich anfänglich oftmals bekennende Atheisten sind, mutieren im Laufe ihrer Karriere als Physiker und Quantenphysiker aufgrund der Erkenntnisse in den Laboratorien zu spirituellen und gottgläubigen Esoterikern, die sich für Meditation und Yoga begeistern und am Ende womöglich gar bei Asatrú-Feiern im Heiligen Hain landen. Die Physik-Laboratorien unserer Zeit scheinen zunehmend wieder alchimistische Wundertempel zu sein, in denen sich die Seele des Physikers zur höheren spirituellen Selbsterkenntnis hin öffnet. (Gut, ich selber ziehe zu diesem Zwecke urwüchsige Wälder vor...)
In diesem Sinne schliesse ich mich Jensen an und stürze mich freudig ins Ginnunga-Gap!
Beiträge: | 186 |
Punkte: | 184 |
Registriert am: | 08.10.2014 |
Vom letzten grossen heidnischen Philosophen, nämlich Proklos, auch Proklos Diadochos genannt (412-485 n. Chr., siehe weiter oben zweiten Beitrag dieses Threads), ist immerhin ein einziges Buch auf Deutsch übersetzt erhältlich!
Der griechische Originaltitel dieses Werkes lautet ??????????? ????????? (Stoicheiosis Theologike). Normalerweise wird das ungefähr übersetzt mit "Grundlagen der Theologie", jedoch vom Schweizer Übersetzer Erwin Sonderegger mit "Grundkurs über Einheit".
Der Inhalt ist so ziemlich etwas vom Happigsten und Abstraktesten, was in der Philosophiegeschichte jemals hervorgebracht worden ist. So weit ich das verstehe, geht es vor allem um die Dialektik zwischen der Einheit und der Vielheit sowie zwischen dem Sein und Seienden in allen Hypostasen. In der zweiten Hälfte dieses Werkes veranschaulicht Proklos diese Einsichten anhand der Dialektik zwischen Gott und den Göttern sowie der Götter untereinander, an die Proklos ja nebenbei wirklich geglaubt und die er kultisch verehrt hat, was für ihn schlichtweg zu einer philosophischen Lebensweise gehörte. Deswegen ist es unter den Gelehrten bis heute strittig, inwiefern Proklos' Werke eingestuft werden sollen, ob rein philosophisch mit heidnischen Veranschaulichungen oder doch eher theologisch und kultisch, da sie diskursiv auf die heidnische Theurgie und Esoterik hinauszulaufen scheinen.
Dabei lebte Proklos in einer Welt, in der das Christentum schon allerlängst offiziell römische Staatsreligion geworden und heidnische Kulte weitgehend verboten worden waren. Das Heidentum konnte, rund hundert Jahre nach Kaiser Julian, auf keine Wiederkehr mehr hoffen. Deswegen legte sich Proklos in seinen Schriften gar nicht mehr mit dem Christentum an. Als zunehmend einsamer Leiter einer der letzten heidnischen "Inseln", die noch verblieben waren, nämlich Platons Akademie in Athen, führte er rund 800 Jahre nach Platon dessen Philosophie (unter Einbezug anderer Philosophen) zum allerletzten rein heidnischen geistigen Gipfelpunkt.
Erwin Sonderegger schreibt, dass er in seiner Übersetzung (auf der linke Seite jeweils der altgriechische Originaltext, rechts die Deutschübersetzung) und seinen Kommentaren sich von der traditionellen theologischen Rezeption von Proklos (zumeist ja aus christlicher Sichtweise) frei machen möchte und das Werk lieber rein philosophisch und abstrakt deutet. Was es für uns Heiden der heutigen Zeit wiederum etwas schwierig macht...
Als Sommerlektüre; mit knapp Fr. 50.- immer noch erschwinglicher, als man von einer solchen Publikation gemeinhin erwarten dürfte:
Erwin Sonderegger:
Proklos, Grundkurs über Einheit - Grundzüge der neuplatonischen Welt
Academia Verlag, Sankt Augustin, 2004
ISBN: (978) 3-89665-270-2
Beiträge: | 186 |
Punkte: | 184 |
Registriert am: | 08.10.2014 |
Xobor Forum Software Einfach ein eigenes Forum erstellen |