Ein Fundstück aus der Österreichischen Bauernzeitung :
Wenn im Frühherbst halblustige Herren, die ihre zwei Mal 17 auch schon ein paar Tage hinter sich gelassen haben, meinen, ein besonders lustiges Bonmont von sich zu geben, indem sie launig "Freu dich, deine Jahreszeit hat begonnen" die Damen jenseits der 30 in ihrer Umgebung wissen lassen, ist es zugegeben von Vorteil, in aller Deutlichkeit klarstellen zu können, dass der "Altweibersommer" aber auch gar nichts mit Wetter für Frauen eines gewissen Alters zu tun hat, sondern sich vielmehr auf fleißige Spinnen bezieht – die im Übrigen dazu neigen, ab und an ihre Männchen auch zu verspeisen.
Glück bringende Schicksalsfäden
"Weiben" heißt im Althochdeutschen "weben" oder "knüpfen", und auf das Weben der Netze der Spinnen soll sich auch der Name beziehen. Schon vor etwa 20 Jahren stellte jedenfalls das Landesgericht Darmstadt in Deutschland in einem Urteil fest, dass die Verwendung des Ausdrucks Altweibersommer durch die Medien weder einen Eingriff in die Persönlichkeitsrechte von älteren Damen darstelle noch frauenfeindlich sei. Eine 78-jährige Frau hatte geklagt, weil sie sich durch diese Bezeichnung in den Wetterberichten diskriminiert fühlte und der Begriff "Altweibersommer" sie in ihren Persönlichkeitsrechten verletze.
Manche Quellen meinen, der Begriff Altweibersommer nehme sogar Bezug auf die germanische Mythologie, genauer gesagt auf die Schicksalsgöttinnen, die Nornen. Typisch für den Altweibersommer sind nicht nur die sonnigen, warmen Tage, die morgendlichen Nebelfelder, die kühlen Nächte und der damit entstehende starke Mor-gentau, sondern vor allem die Spinnfäden, die durch die Luft schweben, auf denen sich winzige Spinnen mit dem Wind in neue Reviere weitertragen lassen, bzw. überhaupt Spinnennetze, die durch Tau im Frühherbst glitzern und damit besonders auffallen.
Die "Herbstfäden" der Spinnen glitzern im Sonnenlicht wie lange, silbergraue Haare. – Jene Haare nämlich, die die Nornen beim morgendlichen Kämmen verlieren. Dass es sich im Glauben der Menschen um die Schickalsgöttinen handelte und keine andere Gottheiten, lag deshalb nahe, weil die Nornen auch die "Lebensfäden" der Menschen spinnen. Jedenfalls glaubte man, dass die Fäden den Menschen, an denen sie haften blieben, Glück bringen.
Im Christentum, das sich für Legenden gern im Kern alter Sagen bediente und sie in neuen christlichen Kontext brachte, hieß es, dass die Silberfäden des Altweibersommers aus dem Mantel Marias stammen, den sie bei ihrer Himmelfahrt trug.
Meteorologisch ist auf die späte, laue Schönwetterphase mit stabilem Hochdruck jedenfalls Verlass – mitunter mehr als auf Sonne im Sommer, wie der heurige August gezeigt hat. In vielen Regionen hat die "fünfte Jahreszeit" einen eigenen Namen. Der Herbst zeigt sich dann von seiner milden und buntesten Seite durch die prächtige Herbstfärbung der Laubbäume.
In den USA oder Kanada heißt der Altweibersommer, den man etwa zeitgleich wie in Mitteleuropa erleben kann, "Indian Summer". Der Name soll von einer alten indianische Legende stammen, nach der das Rot der Blätter der Bäume das Blut eines erlegten Bären symbolisieren soll. Der Name wurde sogar bis nach Neuseeland exportiert, allerdings färbt der Indian Summer im Südpazifik zeitversetzt im Mai die Blätter bunt.
Bis Mitte Oktober, manchmal sogar bis Allerheiligen, kann sich der Altweibersom-mer bei uns zeigen. In Wetterstatistiken weist man diese Schönwetterperiode seit etwa 200 Jahren aus. In vielen alten Bauernregeln kennt man sie natürlich noch länger.
Mit Frauen jedoch – ob alt oder jung – hat der Name "Altweibersommer", auch wenn die Zeit besonders, außergewöhnlich, schön und angenehm ist, nichts zu tun.B.S.