Hallo Zusammen
Ich habe soeben einen Beitrag von Kolag_Hraban aus dem Jahr 2014 gelesen, indem er schildert, dass es Übereinstimmungen zwischen dem 2. Merseburger Zauberspruch und dem altindischen Atharvaveda gibt. Mal wieder mehr ein Hinweis zur indogermanischen Völkerwanderung. Man entdeckt immer mehr Überschneidungen!
Ich dachte diese beiden Sprüche sind eines eigenen Threads würdig, zumal ich noch 2 schöne Vertonungen gefunden habe
Die zwei Merseburger Zauberformeln sind in althochdeutscher Sprache niedergeschrieben und nehmen Bezug auf Themen und Figuren der vorchristlichen germanischen Mythologie.
Diese Schriften wurden damals im Domkapitel von Merseburg entdeckt und von Jacob Grimm 1842 erstmals veröffentlicht:
1. Merseburger Zauberspruch
Eiris sazun idisi, ein Germanisches Mantra des Loslassens, der Befreiung aus den Fesseln der Feinde. Heute würden wir sagen, aus unseren eigenen Fesseln und Gewohnheiten, von alten Mustern, Blockaden und vielen anderen Verhaftungen:
Eiris sazun idisi,
sazun hera duoder.
suma hapt heptidun,
suma heri lezidun,
suma clubodun, umbi cuoniovidi:
insprinc habtbandun,inuar uigandun.
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Einst saßen Frauen,
setzten sich neben die Krieger hierhin und dorthin.
einige banden Fesseln,
einige hielten das Heer auf,
einige lösten ringsumher die Fesseln:
entspringe dem Fesselband, entflieh den Feinden.
https://www.youtube.com/watch?v=gtjqTJzG8Bw
Germanische Schutzgöttinen (idisen)
setzten sich an verschiedenen Orten zu den Gefangenen nieder. Sie lösten nicht einfach allen die Fesseln, sondern nahmen wahr, was jeder zu seiner wirklichen Befreiung benötigte. Manchen banden sie dabei die Fesseln sogar noch enger, für manche hielten sie das Heer auf, um Zeit zu gewinnen, einigen brauchten sie nur die Fesseln zu lösen.
Mit diesen wenigen Worten aus dem kriegerischen Alltag der Germanen, wird eine Betrachtung des Lebens nach dem Prinzip der Polarität (positiv-neutral-negativ) wiedergegeben, wie sie bereits in der hermetischen Philosophie des alten Ägyptens (Kybalion) zu finden ist.
Wichtig für uns ist, wie bei allen Mantren und anderen alten Texten, dass sich die Bedeutung nicht sofort beim Lesen der einfachen Übersetzung erschließt. Wir müssen diese Worte laut aussprechen, oder singen. Erst dann öffnet sich nach und nach
ein Raum, mit dem wir jenseits unseres alltäglichen Verstandes, in Resonanz gehen können. Hier gibt es archaische Bilder und Gefühle, die jeder von uns, unabhängig von seinem zeit geistigen oder kulturellen Hintergrund, versteht.
2. Merseburger Zauberspruch
Phol ende uuodan vuoron zi holza,
du uuart demo balderes uolon
sin uuoz birenkict,
thu biguolen sinhtgunt,sunna era suister,
thu biguolen frija, uolla era suister
thu biguolen uuodan,so he uuolla conda:
sose benrenki,
sose bluotrenki,
sose lidirenki,
ben zi bena,
bluot zi bluoda,
lid zi geliden,
sose gelimida sin.
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Phol und Wotan ritten durch den Wald,
da wurde des Baldurs (=Phol) Pferd der Fuß verrenkt,
da besprach ihn Sinhtgunt, und Sunna ihre Schwester
da besprach ihn Frija, Volla ihre Schwester
da besprach ihn Wotan,so er es wohl konnte:
so wie das Bein verrenkt ist,
so wie das Blut verrenkt ist,
so wie das Glied verrenkt ist,
Bein zum Beine,
Blut zum Blute,
Glied zum Gliede
so wird wieder alles zusammen geleimt sein.
https://www.youtube.com/watch?v=RSLUWQ8y_P8
Es erzählt die Geschichte von:
Phol, dem germanischen Gott des Frühlings und der Fruchtbarkeit, und Uuodan (Wotan), dem obersten Gott der Germanen, die gemeinsam durch den Wald reiten.
Da verrenkt sich das Pferd Baldurs (Baldur = Phol) den Fuß.
Das Pferd symbolisiert in der Mythologie häufig auch die männliche Kraft und Sexualität.
In diesem Moment kommen die weiblichen Gottheiten ins Spiel.
Sinhtgunt und ihre Schwester Sunna ( die Sonne), Frija, die Göttin der Schönheit und Liebe, und ihre Schwester Volla (möglicherweise die Gemahlin des Phol), die mit einem Segen die Verletzung besprechen.
Und Wotan tut das seine, so wie er es wohl kann, dazu. So wird durch die Verbindung der weiblichen und männlichen Kräfte die Trennung aufgehoben, alles kommt wieder zusammen, so wie es sein sollte.
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Ich persönlich finde diese Sprüche sehr faszinierend und werde das 1. "Mantra" in meine Meditation einbauen, vielleicht erfahre ich dann noch mehr über die tiefere Bedeutung. Ich war schon lange auf der Suche nach Alternativen zu den indischen Mantras (welche ich aber nach wie vor sehr schätze).
Wer weiss, vielleicht lagen diese Zaubersprüche seit hunderten von Jahren im Domkapitel von Merseburg?