Unglaublich, erst unlängst entdeckte ich einen hochrangigen Philosophen aus dem oströmischen / byzantinischen Reich, der ein überzeugter polytheistischer und antichristlicher Heide war; und das nicht etwa in der spätantiken Übergangszeit, sondern in der spätmittelalterlichen Endphase von Byzanz, ganz kurz vor der Eroberung durch die Türken!
Die Rede ist von Georgios Gemistos, genannt Plethon, geboren 1355/1360 und gestorben 1452 (nur knapp ein Jahr vor dem Fall Konstantinopels!), der somit weit über 90 Jahre alt wurde.
Anscheinend war Gemistos alias Plethon ein dermassen angesehener Gelehrter am Kaiserhof zu Konstantinopel, so dass er sich ganz offen und ganz unchristlich für einen heidnischen Polytheismus auf der Grundlage der platonischen und pythagoreischen Philosophie aussprechen konnte, inklusive Wiedergeburtslehre, welche im Christentum bekanntlich strengstens verboten ist.
Obwohl er weder Lateinisch noch Italienisch verstand, führten ihn Delegationsreisen auch ins Italien der Vor-Renaissance, wo er einen starken Eindruck hinterliess. Für Marsilio Ficino (1433-1499), den bedeutenden Übersetzer der Dialoge Platons, des Gesamtwerks Plotins und einiger Werke von Jamblichos und Proklos im Auftrag der Medicis, war Plethon ein neuer Platon.
(Ob es irgendeinen Link zu dem bedeutenden deutschen Philosophen, Theologen und Mystiker Nikolaus von Kues (1401-1464) gibt, entzieht sich meiner Kenntnis. Nikolaus von Kues, der sehr stark von dem spätantiken Heiden Proklos beeinflusst war, sprach sich ja aus Überzeugung für eine tolerante Haltung gegenüber allen anderen Religionen aus, auch gegenüber dem antiken polytheistischen Heidentum. Dennoch gesteht Nikolaus von Kues im letzter Konsequenz dem Christentum eine gewisse Überlegenheit zu.)
Georgios Gemistos Plethon war mit seiner antichristlichen Sympathie für das Heidentum radikaler als alle anderen seiner Zeitgenossen. Allerdings war sein geistiger Einfluss anscheinend nicht allzu gross.
Man höre und staune, welche heidnischen Ansichten Gemistos alias Plethon gemäss Wikipedia gelehrt haben soll - und halte sich dabei immer vor Augen, dass dies alles in das strengchristliche Spätmittelalter fällt:
Zitat
Ein im Sinne der Platoniker aufgefasster antiker Polytheismus mit Zeus als höchstem Gott sollte an die Stelle des Christentums treten. Dafür entwarf Gemistos eine detaillierte Liturgie. Er nahm an, dass die Götter untereinander völlige Harmonie wahren, also nicht wie bei Homer Konflikte austragen, und dass sie sich freiwillig in ein hierarchisches System einordnen, das den Menschen zum Vorbild dient.
Philosophisch betrachtete er die Götter anscheinend als Repräsentanten von ihnen jeweils zugeordneten Prinzipien, wie Einheit (Zeus) und Vielheit (Hera). Wie Platon, aber in scharfem Gegensatz zum Christentum, hielt Gemistos das Weltall für anfangslos und unvergänglich und nur in einem übertragenen, nicht zeitlichen Sinn von Zeus „geschaffen“. Hinsichtlich der Seele vertrat er die platonische Seelenwanderungslehre. Er fasste aber das Dasein der Seele in der materiellen Welt nicht als Strafe oder Unglück auf, sondern bejahte es als notwendig, sinnvoll und unabänderlich.