RE: "Entkrallte Freyja"

#1 von pag90 , 21.10.2015 19:05

Hey zusammen

Ich habe gerade auf Tumblr ein Text zu Freyja entdeckt und möchte euch den gerne auch zeigen da ich ihn für sehr sehr treffend halte was die Wandlung von Freyja in der "Popkulturelle Wahrnehmung" angeht. Ist einfach auf Englisch^^

"It bothers me to see Freyja declawed.

Seriously bothers me.

A lot!

Okay so… there are a lot of different neopagan and heavily christianized influences in modern international heathenry. These influences actually litter the greater heathen community to such a degree that there are a lot of little things that annoy me, but there are some things that just plain anger me to no end.

One of these things is the declawing of Freyja.

What I mean by that is that Freyja is often described primarily as a goddess of love and beauty and many of the images and icons created by and for heathens depict her as this gorgeous woman in a supple, soft, even gentle pose.

I’ve even seen a statue of Freyja that looks a lot like a virgin mary statue with a fresh coat of paint.

Freyja is associated with cats and cats are elegant and beautiful and soft little murder machines and this association is spot on.

Freyja is described as incredibly beautiful, yes, but also as incredibly powerful (magic wise, and incredibly violent.
She is the leader of the valkyries, which aren’t just “sheild maidens” or women i fantasy-rpg-style armor cheering on the sidelines.
They choose who lives and who dies.
They choose where you go when you die.
And they ride point into battle and Revel in the sheer bloodlust and carnage.

If it was raining blood from the heavens, Freyja would dance and sing in the rain.

This aspect of her is important.

It’s an equal measure of everything she is.

Beauty, power, wisdom, and fucking bloodlust.

When we speak of her as a goddess of love it feels disingenuine.
She’s more to do with the raw, the carnal, lust.
She’s not found in a cute and harmless flirt with that cute person.
She’s found in fingers reaching, grabbing, hot breath, wordless sounds of pleasure, two hearts beating hot, hard, and in tune with one another.
She has less to do with a kiss on a cheek, and more to do with an orgasm.

But this too, this hunger is lost as her active role is downplayed, her sword and spear taken from her hand, her sensible armor and cloak of hawk’s feathers with which she can literally fly into battle, her battle chariot, her wild boar, everything stripped away from the fierce and proud goddess, and she’s declawed, and turned into something soft and sweet and gentle.

It frustrates me to see her declawed and turned into a synonym for the virgin mother.
It angers me to see the female fury of my ancestors turned into a polite, christian, crush.

And most of all, it angers me to see heathens use this watered down, declawed, christianized version, to explain how women should be."


Hier noch das Original: http://miniar.tumblr.com/post/1312961086...freyja-declawed

Wurde mit ausdrücklicher Erlaubnis hier gepostet.


"Der Mensch hat dreierlei Wege, klug zu Handeln; erstens durch Nachdenken, das ist das Edelste, zweitens durch Nachahmen, das ist das Leichteste, und drittens durch Erfahrung, das ist das Bitterste." -Konfuzius

 
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RE: "Entkrallte Freyja"

#2 von Bruder Eberhard , 22.10.2015 08:30

Das sind durchaus berechtigte Gedankengänge. Meines Erachtens sollte man sich jedoch hüten, die Götter auf äussere astrale Erscheinungsbilder zu beschränken. Es geht vielmehr um die Urprinzipien, welche durch die Götter hindurchstrahlen.

Gemäss antiker griechisch-römisch-heidnischer Auffassung sind die Menschen dazu da, die höchste Glückseligkeit, also das Gute, das Wahre und das Schöne, aus der ewiglich überquillenden Emanation des göttlichen Urgrundes, bzw. des Ungrundes heraus hindurchströmen und auf die Welt ausstrahlen zu lassen; daher auch die Giebelinschrift am Apollon-Tempel zu Delphi "Gnothi seauton - Erkenne dich selbst!". Erstaunlicherweise sagt ja sogar Jesus in einem der unbekanntesten, aber vermutlich insgeheim wichtigsten Bibelverse zu den Menschen: "Ihr seid Götter!" (Joh 10,34)

Um wie viel mehr gilt dies für die höheren lichtvollen Götter- und Engelswesen auf den höheren Stufen des Seins (Hypostasen), die mit ihrem Bewusstsein näher an der Ewigkeit und an der absoluten Glückseligkeit stehen!


Dass Freyja lediglich ein niedliches, harmloses Püppchen sein soll, das einem ein Busserl auf die Wangen drückt, habe ich jedenfalls noch nie mitbekommen. Schliesslich ist es ja gerade im Tantrismus bekannt, dass durch den sexuellen Höhepunkt Verbindung mit der göttlichen Transzendenz jenseits der räumlich-zeitlichen Relativität hergestellt werden kann und dadurch entsprechende Energien mit einem sehr hohen göttlichen Reinheitsgehalt bewegt werden können.

Freyja, die Vanadis, ist eine Vanengöttin. Der grosse rumänische Religionsforscher Mircea Eliade (1907-1986) schrieb über das Göttergeschlecht der Vanen: "Mehr oder weniger direkt werden die Wanen alle mit Fruchtbarkeit, Frieden und Reichtum in Verbindung gebracht."

Freyja, die u.a. auch Gefn (= Geberin) heisst, strahlt auf einer höheren Ebene also vor allem Liebesreichtum, göttlichen Überfluss (Emanation!), Fülle der Glückseligkeit sowie - jenseits des martialischen Auftretens als Walküre - bedingungslosen heiligen Frieden aus (worauf nicht zuletzt auch auf anzügliche Weise ihre Promiskuität hinzuweisen scheint).

Es handelt sich bei Freyjas Liebeskraft also nicht um ein bisschen romantische oder sexuelle Liebelei, sondern um die alles überstrahlende, alles durchdringende, alles belebende, alles erleuchtende und allgewaltige absolute Liebe, die mit erschütternder Gewalt ALLES spirituell entflammt im reinigenden, überquillenden, allewigen Urlicht der absoluten Glückseligkeit!


Dadurch rückt die Vanadis in die Nähe der Göttin Isis, wie sie im Hellenismus und danach im ganzen römischen Reich im Mysterienkult verehrt worden ist, nämlich als uranfängliche Göttin mit den 10'000 Namen, Spenderin allen Lichts und Lebens, unergründliche Schöpferin und Erhalterin des Weltalls und des Kosmos', die als Mutter des Horuskindes nicht nur jungfräuliche Geliebte, sondern auch Muttergöttin ist und ikonographisch die christliche Maria vorwegnahm. (Man darf nicht vergessen, dass auch Freyja Mutter ist, nämlich ihrer Töchter Hnoss und Gersimi.)

Überdies sehe ich bei Freyja als Seidhr-Zauberin einen Zusammenhang mit der dreigestaltigen Göttin Hékate, die seit dem Philosophen Jamblichos von Chalkis um 300 n. Chr. in der theurgischen Praxis mit der Hypostase der Weltseele gleichgesetzt worden ist. Noch Proklos dichtete im 5. Jahrhundert zahlreiche inbrünstige Hymnen an Hékate und schrieb von Visionen.

Bei mir übernimmt Freyja am Schluss sogar die Aufgabe, die im Hinduismus dem weiblichen Aspekt der höchsten persönlichen Erscheinung des transzendentalen Gottes in Gestalt von Shri Krishna zukommt, nämlich Radha. Radha und Krishna sind im ewigen Liebesspiel der Äonen eins und zugleich zwei. Freyja und ihr Gemahl Od (= Ekstase), der seinerseits offenbar nicht ganz identisch mit Odhinn ist, können die Funktion von Radha und Krishna übernehmen. Freyjas rotgoldene Tränen nach dem Verlust Ods drücken die spirituelle Sehnsucht nach der absoluten göttlichen Glückseligkeit aus.


Dabei glaube ich, dass diese verschiedenen Göttinnen wie Freyja, Isis, Hékate oder Radha auf der geistigen Stufe der Überseele (Sanskrit: Paramatma, altgriechisch: Nous) nicht völlig identisch sind, sondern durchaus verschiedene Individuen, die sich jedoch teilweise die gleichen Aufgaben teilen und höhere kosmische Aspekte allumfassend übernehmen können (was gewissermassen im beschränkten Umfange auch für Menschen gilt).

Die Herabwürdigung der christlichen Himmelskönigin Maria betreffend sei darauf hingewiesen, dass diese nicht nur mit den Göttinnen Astarte und Isis in Verbindung gebracht wird, sondern auch mit der griechisch-römischen Fruchtbarkeits- und Wachstumsgöttin Maja, wobei Maja wiederum in der Esoterik als ein Name für Freyja gilt.


Zuletzt scheint mir, dass der Verfasser des obigen englischen Textes offenbar ein Freund martialischer Horror- und Splatterfilme ist. Darauf deutet auch hin, dass er in seinen Ausführungen einen fast 30 Jahre alten Songtitel der Thrash Metal-Band Slayer, nämlich "Raining blood", untergebracht hat. Die kosmische Muttergöttin als alles verschlingende, blutdürstige Zerstörerin? Das wäre im Hinduismus die Göttin Kali: ein anderer, durchaus faszinierender Aspekt des Göttlichen, der jedoch nach meiner persönlichen Auffassung nicht ganz auf Freyja zutrifft.

Ein kleiner Nebensatz in der Snorra-Edda (Gylfaginning 24) über Freyja scheint mir sehr wichtig zu sein: "Sie ist sehr aufmerksam auf die Gebete der Menschen..." (Häny) "Sie ist gern zur Hilfe bereit, wenn Menschen sie anrufen..." (Gering)

 
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RE: "Entkrallte Freyja"

#3 von Kolag_Hraban , 25.10.2015 00:56

Salü zusammen,

ich kann die Ansichten von Pag durchaus nachempfinden.
Auch ich habe mich schon über die Verniedlichung von Freya geärgert.
Ich erinnere mich an Darstellungen von ihr im hübschen Kleidchen, auf einem fast zu kleinen Wagen stehend, der von ach so niedlichen Kätzchen gezogen wurde.

Ich jedenfalls habe eine wilde, ungezähmte und leidenschaftliche Freya in Bildform auf meinem Altar stehen, und empfinde dies in meiner Wahrnehmung als viel mehr passend.
Sie ist das weibliche Gegenstück zu Odin, und würde sie eher als eine Femme Fatale beschreiben, denn als Püppchen.

ich hatte auch ein Freya einmal ein paar Zeilen gewidmet, wo dies zum Ausdruck kommt:

"Dein Gesicht

Der Schrei
der Leidenschaft,
Der Trost
in tiefer Trauer,
Die Freude,
durch Schönheit entflammt

zeigen mir Dein Gesicht,
Freya"

Die Verniedlichung von Freya, geht vielleicht auch einher mit der Verniedlichung der Natur, die ja oft nur noch als hilfsbedürftig und harmlos wahrgenommen wird. Aber das führt hier vielleicht zu weit, und wäre OT.

Eberhard, ich persönlich glaube nicht mehr an absolute Dinge. Nicht an das absolut Schöne , Gute oder Schlechte, Hässliche und Göttliche.
Ich kann dies nicht in den Göttergeschichten wiederfinden, und auch nicht in meiner Wahrnehmung der Götter und der Welt.

Ich respektiere Deine Wahrnehmung, und Dein Wissen, teile sie aber nicht immer.
Ich hoffe du siehst mir das nach


Grüsse Kolag Hraban



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RE: "Entkrallte Freyja"

#4 von Bruder Eberhard , 25.10.2015 12:08

Mein hochgeschätzter Kolag_Hraban,

selbstnatürlich "sehe" ich Dir das "nach"!
(Wie könnte ich anders...?)

Ich spreche bloss aus meinen eigenen persönlichen und bescheidenen Lebenserfahrungen und Erkenntnissen, bei denen ich früher ebenfalls an die scheinbare Wechselwirkung von Gut und Böse geglaubt habe. Sogar Schustermeister Jakob Böhme hatte seine liebe Mühe, das Böse in dieser Welt zu erklären (das er ja am eigenen Leibe zur Genüge erfahren musste) und verstrickte sich in einer komplexen Dialektik.

Mittlerweile bin ich in aller Bescheidenheit jedoch dermassen tief in die Metaphysik und Mystik eingetaucht, vor allem in die mystische Praxis, wo alles eben ganz anders aussieht. Die Erkenntnisse, die aus der vergänglichen Welt gewonnen werden können, sind für die Mystik völlig untauglich. Sogar die moderne Physik hat ja seit Einstein bewiesen, dass Raum und Zeit relativ sind. Also lautet meine persönliche Schlussfolgerung, dass in der aktiven Meditationspraxis (die nachweislich ALLEN Religionen bekannt ist, auch dem Heidentum) sowie in einem kontemplativen Lebensstil es Raum und Zeit zu überwinden gilt.

Sobald man durch innere Transzendierung in der allumfassenden Ewigkeit ankommt, was interessanterweise nur in der Gegenwart möglich ist, wo es keine Vergangenheit und keine Zukunft mehr gibt (und wo somit auch Ragnarök überwunden ist), gibt es nur ein einziges absolutes, allumfassendes Urprinzip, bzw. das eigentliche Sein an sich sowie das Nichtsein. Und dort lässt es sich erkennen, dass die absolute Realität keine Ähnlichkeit mit jenen Rückschlüssen hat, die aus der relativen Realität gewonnen werden können. Das Relative ist nur ein ferner Abglanz des Absoluten, wo es keinen Raum und keine Zeit gibt.

Mit "das Gute", "das Wahre" und "das Schöne" sind deshalb missverständlicherweise NICHT irdische Massstäbe gemeint! Deshalb finde ich den Begriff "absolute Glückseligkeit" treffender. Es ist etwas, woran jeder Mensch beispielsweise während eines sexuellen Höhepunktes Anteil haben kann. (Das ist jedoch bei weitem nicht die einzige Möglichkeit, innerlich Kontakt mit der Ewigkeit aufzunehmen! Aber schon sind wir bei Freyjas Lieblingsthema angelangt...) Plotin, Proklos und andere Heiden zählten deshalb lieber auf, was das Absolute alles NICHT ist, weil jede Umschreibung mit irdischen Worten zu irreführend ist.

Wenn Du sagst, dass Du nicht mehr an absolute Dinge glauben würdest, also, dass es NICHTS Absolutes gibt, dann ist das interessanterweise eine absolute Aussage, die Du dadurch machst.


Das Schlechte, Hässliche oder die Lüge können hingegen keine eigenständigen Prinzipien sein, da sie über keinerlei autonome Existenz verfügen. Das "absolut Böse" ist deshalb komplett unmöglich. Es gibt keinen dualistischen Zweikampf "Gut gegen Böse", auch nicht umgekehrt. Wenn man tief darin eintaucht, kann man erkennen, dass es lediglich das gewissermassen "schlechthin Gute" (also das unaussprechlich Absolute) gegen das "weniger Gute", bzw. gegen das "sehr viel weniger Gute" gibt, wobei dieses "gegen" vielmehr ein Akt der bedingungslosen Liebe ist. Das alles läuft jedoch jenseits aller menschlichen Definitionen ab, die naturgemäss immer beschränkt bleiben müssen.

Die alten heidnischen Germanen verehrten deshalb ausschliesslich diejenigen Götter, Geister und Kräfte, die hohen Anteil am Guten haben, was in jedem wissenschaftlichen Fachbuch über diese Thematik nachzulesen ist. Das heidnische Wort "Gott" steht etymologisch im Zusammenhang mit "gut". Die alten heidnischen Germanen verehrten KEINE Kräfte, die verantwortlich sind für Krankheiten, Seuchen, Missernten, Hungersnöte, Armut, Unheil innerhalb der eigenen Sippe, Neid oder anderes Schädliches. Ein "Neiding" war ja im altgermanischen Heidentum ein gesellschaftlich Verfemter, Geächteter.


Die soeben gemachten Ausführungen stellen die spirituellen Grundlagen, wie ich das mit Freyja konkret sehe.

Aus den genannten Gründen glaube ich nämlich, dass Freyja für ein heiliges, absolutes Urprinzip steht, das ich in meinem obigen Beitrag noch viel zu harmlos versucht habe, in Worte zu fassen. Ich meine wirklich ein absolut reinigendes, erschütterndes Liebesprinzip, das lichtvoll alle Universen bis in die kleinsten Körperzellen hinein durchflutet und absolut ALLES erleuchtet mit einer Göttergewalt, die für uns kleine Menschen auf Erden völlig unvorstellbar ist. In der meditativen und kontemplativen Praxis sowie im Gebet ist es möglich, dieser Liebeskraft Freyjas nahezukommen, so dass einem schwindlig wird, und diese alldurchströmende Liebe in den Lebensalltag hinauszustrahlen. Es ist eine grenzenlos übersteigerte Liebe, die sich selbst verstärkt und unendliche Male heller scheint als die Sonne und die kraftvoll alles beseitigt und auflöst, was sich ihr in den Weg stellt. Warum? Eben weil das Böse keine eigene Existenzgrundlage hat!


Deswegen muss ich gestehen, war ich vom obigen englischen Einleitungstext leicht irritiert. Soll Freyja als aggressive, sadistische Domina dargestellt werden? In schwarzem Latex-Korsett mit Reissverschlüssen und in Strapsen und dabei eine neunschwänzige KATZE schwingend (da hätten wir sie ja!)? Eine Freyja, die sich bluttriefend an den Völkermorden des 20. und 21. Jahrhunderts ergötzt, inklusive an Massenvernichtungslagern sowie an Atombomben?

Der Verfasser flocht offenbar bewusst den Songtitel "Raining blood" der berühmten kalifornischen Thrash Metal-Band Slayer ein, genaugenommen von einem Album, dessen erstes Lied "Angel of death" die verbrecherischen Gräueltaten von Dr. Mengele in Auschwitz zum Thema hat. Dieses wirklich berühmte Album zählt jedoch als allgemein anerkannter Klassiker, so dass damit beim besten Willen keine Gesinnung jedwelcher Art unterstellt werden kann (wobei diese Scheibe mir selber noch nie sonderlich gefallen hat). Im Kontext mit einer Liebes- und Fruchtbarkeitsgöttin wie Freyja, die in den Mythen vor allem dadurch auffällt, dass sie mit (fast) jedem in die Kiste hüpft, finde ich dies jedoch eher befremdlich.

Dass der Verfasser eindeutig ein alter Metal-Veteran ist, was an sich ja durchaus löblich ist, geht auch daraus hervor, dass er die Wörter "carnage" (alter Bandname von Dismember sowie ein Song von Mayhem) und zweimal "bloodlust" benützt hat (ein uralter Songtitel des legendären Kult-Trios Venom, das ich - so ganz nebenbei bemerkt - insgeheim selber verehre). Da ist dem Verfasser ganz offensichtlich der alte Metal-Fan in ihm durchgegangen, was meiner Meinung nach an Freyja eher vorbeizielt...

(Okay, es kann ja sein, dass Freyja heutzutage nicht nur auf Wagners "Tristan und Isolde" steht, sondern dass sie mittlerweile auch eine Metal-Queen geworden ist, aber dann eher auf romantischem, epischem und spirituellem Metal, weniger auf Cannibal Corpse. Als Muttergöttin dürfte ihr das Cover-Artwork von "Butchered at birth" wirklich nicht sonderlich gefallen.)

Nur schon, wenn einer Katzen auf "kleine Mordmaschinen" reduziert und dabei vergisst, dass Katzen u.a. noch kleinere "Mordmaschinen" wie Mäuse vertilgen, darf man ein Fragezeichen setzen. Der Verfasser scheint privat in einer düsteren Parallelwelt gefangen zu sein, die nur aus Horror- und Splatterfilmen besteht, so dass er aus diesem Verständnis heraus versucht, die Welt zu deuten.


Statt als grausame Latex-Domina, die in Massenvernichtungslagern hohnlachend Blut regnen lässt und durch verfaulende Leichenberge, menschliche Gliedmassen und verstückelte Innereien stapft, ist Freyja als lebenslustiges Hippie-Mädchen (bzw. eher als sogar NOCH attraktiver gewordene Hippie-Mutter und als Vollweib), das mit Blumenkranz im Haar und in einem blütenweissen, leichten und wehenden Feenkleidchen strahlend und barfüssig über zauberhafte Frühlingswiesen hüpft, mir wesentlich sympathischer. (Ausserdem halte ich an meiner These fest: Freyja ist eher Pazifistin als Kriegerin.)

In einem Punkte gebe ich dem Verfasser aber völlig recht, ich übersetze: "Sie hat weniger zu tun mit einem Kuss auf einer Wange, sondern sie hat mehr zu tun mit einem Orgasmus." Ich habe nie etwas anderes behauptet... Was der Verfasser mit dieser Formulierung jedoch lediglich als Faust aufs Auge gedacht hatte, ist auf einer höheren spirituellen Ebene sogar einer der Schlüssel zum Verständnis von Freyja: nämlich der REINE Orgasmus als heiliger Gottesdienst! Etwas, was übrigens nicht erst die Tantriker erfunden haben, sondern in der Sache selbst begründet liegt. Und der Orgasmus ist etwas, das wie das absolut Gute oder die höchste Glückseligkeit kein Gegenteil kennt! Was ist denn das Gegenteil von Orgasmus?

Dennoch hält die Edda neben all dem immer wieder fest, dass Freyja ansonsten sehr nett und liebenswürdig ist. "Sie ist gern zur Hilfe bereit, wenn Menschen sie anrufen..." Wird wohl doch nix mit einer Karriere als sadistische Domina, dafür ist sie viel zu nett. Und trotz ihrer Promiskuität viel zu anständig. Der Name Freyja bedeutet "Herrin", aber nicht im Sinne einer Domina, sondern als Adelstitel für vornehme Damen.


Insofern vertrete ich also einen dritten Eckpunkt der voneinander abweichenden Freyja-Darstellungen. Die einen sehen Freyja anscheinend als harmloses, zierliches Heimchen am Herd. (Gehört hierhin auch die Vorstellung von Freyja als lebenslustiges Hippie-Mädchen?) Andere hätten stattdessen lieber eine grausame, toughe Domina, die ihre männlichen Opfer zuerst verprügelt und anschliessend in einem Blutregen brutal vergewaltigt.

Und ich vertrete eben halt den dritten Eckpunkt, an den die anderen vielleicht gar nicht gedacht haben, nämlich den Standpunkt der Mystik: Freyja als "Verströmerin" der allumfassenden, alles durchstrahlenden, für die Menschen unvorstellbaren, kosmischen und "orgasmischen" Ur-Liebe; der Liebe an sich als die höchste Realität und als die höchste "orgasmische" Glückseligkeit in der Ewigkeit; jene allmächtige Liebe, welche u.a. sämtliche Atome in ihrem Innersten zusammenhält und alles innerlich spirituell erleuchtet. Dabei sehe ich Freyja zugleich als real existierendes, individuelles Lichtwesen, das sich auf gewissen Ebenen auch mit ihren mythologischen Attributen zu erkennen geben kann (und überdies all diese Zeilen hier mitliest, sich dadurch aber hoffentlich nicht gekränkt fühlt, sondern nur belustigt).

Das alles ist jedoch lediglich meine persönliche Meinung. In Freyjas Energien und Kräfte kann letztlich jeder nur selber meditativ eintauchen. Und die Erkenntnisse daraus können naturgemäss - wie oben gesagt - nach menschlichem Ermessen nur RELATIV sein!


Weil es so schön ist, noch einmal eine Anrufung für sie, in verfeinerter Form:

Freyja! Freyja!
Njörds Tochter,
Freys Schwester,
Ods Weib,
Mutter der Hnoss und der Gersimi,
Eigentümerin gefallener Krieger,
des Sessrumnirs zu Folkwang,
der Katzen,
des Ebers Hildeswin,
des Brisingamenhalsbandes
und des Falkengewandes,
Vanengöttin der Liebschaften
und des Seidhr-Zaubers,
Herrin, Völva
Mardöll, Vanadis,
Gefjon, Hörn, Syr,
Menglada!
Freyja! Freyja!

 
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RE: "Entkrallte Freyja"

#5 von Kolag_Hraban , 26.10.2015 00:28

Lieber Eberhard,

ich bin froh dass Du mir das nachsiehst, denn dies ist nicht selbstverständlich. Natürlich könnte man auch anders, wie viele Dispute gerade auch in der Heidenwelt beweisen

Wir alle haben auf unseren eigenen Wegen zum Heidentum gefunden, habe uns im Heidentum unterschiedlich weiterentwickelt, und sind zudem auch noch unterschiedliche Charaktere.
Da ist es nur logisch, dass wir unterschiedliche Sichtweisen und auch Erfahrungen haben.
Daher rede auch ich nur von meiner persönlichen Wahrnehmung und Sichtweise.
Dass ich Asatru geworden bin, war eine emotionale "Entscheidung", und hatte mit meinem Verstand weniger zu tun. Der war zunächst eher ein Hindernis auf diesem Weg, als hilfreich. So habe ich z.B. erst Bücher über das Heidentum gelesen, als ich "vom Herz" schon Asatru war.
Andere haben andere Wege beschritten, und alle sind gleichwertig !

Ich vertrete daher das Motto "Wahrheit ist nicht universell sondern individuell"
Damit meine ich hier in erster Linie nicht die "irdische Wahrheiten" sondern speziell die "göttliche Wahrheit(en)"
Nur daher ist mir klar, dass du mit "das Gute", "das Wahre" und "das Schöne" nicht irdische Massstäbe meinst.
Trotzdem glaube ich eben nicht an universelle Wahrheiten...
Um bei Deinem Beispiel zu bleiben, ein Orgasmus kann ganz unterschiedlich sein ( ohne ins Detail zu gehen ) und es gibt sogar Leute die haben gar kein grosses Interesse an Sex.

Ich stimme übrigens mit der Interpretation Freyas im Originaltext auch nicht in jeder Zeile überein. So kann ich z. B. mit der Zeile
"If it was raining blood from the heavens, Freyja would dance and sing in the rain."
gar nichts anfangen, was Freya betrifft. Da stimme ich Dir zu das wäre wohl eher ein Aspekt der Hindu Göttin Kali.
Ich kann aber der Grundaussage des Textes zustimmen, wo es um die Verniedlichung in der Darstellung der Göttin geht.
Aber ich glaube da sind wir auch nicht weit voneinander entfernt.

Zitat von Bruder Eberhard
Die alten heidnischen Germanen verehrten deshalb ausschliesslich diejenigen Götter, Geister und Kräfte, die hohen Anteil am Guten haben, was in jedem wissenschaftlichen Fachbuch über diese Thematik nachzulesen ist. Das heidnische Wort "Gott" steht etymologisch im Zusammenhang mit "gut". Die alten heidnischen Germanen verehrten KEINE Kräfte, die verantwortlich sind für Krankheiten, Seuchen, Missernten, Hungersnöte, Armut, Unheil innerhalb der eigenen Sippe, Neid oder anderes Schädliches. Ein "Neiding" war ja im altgermanischen Heidentum ein gesellschaftlich Verfemter, Geächteter.

[quote="Bruder Eberhard"]

Das ist ein Punkt deiner Ausführungen, den ich nicht nachvollziehen kann.
Meines Wissens ist die gängige etymologische Ableitung von Gott folgende: (ich habe in verschiedenen Quellen eigentlich immer nur diese gefunden)

"Für die Herkunft des germanischen Wortes „Gott“ wird davon ausgegangen, dass der Begriff aus dem substantivierten zweiten Partizip des indogermanischen *ghuto-m der Verbalwurzel *gheu- „(an)rufen“ entstanden ist. Danach wäre Gott das (auch durch Zauberwort) angerufene Wesen. Weiter kann es auf die indogermanische Verbalwurzel *gheu- „gießen“ zurückgeführt werden, wonach Gott als „das, dem (mit) Trankopfer geopfert wird“ zu verstehen wäre.[6] Das griechische theói steht ebenfalls etymologisch mit dem Verb thýein „opfern“ zusammen, wie das Simplex theós (Gott) durch Entsprechungen im anatolischen Wortschatzs das Votivobjekt des Altars etymologisch bezeichnet.[7] Das Standardnachschlagewerk, Kluges Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache, bestärkt die Vermutung einer Ableitung von „gießen“ oder Trankopfer durch Vergleich zum Avestischen und Altindischen.[8] Wolfgang Meid fügt hierzu an: „dies ist aber grammatisch unplausibel, denn ‚gegossen‘ wird der Trank, nicht der Gott“.[9]"

Dann habe ich noch eine Theorie dazu eines GvN gefunden, der die Ableitung von Odin zu Gott foldendermassen begründet:

"Wir haben also die Namensformen "Guodan" und "Gotan" als Fakten und müssen ihre Entstehung aus "Wuodan" oder "Wotan" nicht mehr beweisen. Nun ist es durchaus denkbar, daß aus dem im 8. Jh. bezeugten Guodan (bzw. Gvodan) oder Gotan durch Verkürzung "Guod" und "Got" geworden ist. Derartige Verkürzungen sind doch häufiger bezeugt."

und weiterhin:

In den Skaldskaparmál 65 (81) heißt es:

"Die Gotnar heißen nach dem Namen des Königs Goti, nach dem auch Gotland benannt ist. Er selbst war so benannt nach Ódinn, und zwar ist sein Name von Ódins Namen Gaut abgeleitet; Gautland oder Gotland heißt nämlich auch nach diesem Ódinsnamen wie Svithjod (Schweden) nach Svidurr, was auch eine Bezeichnung Ódins ist"

Ich möchte gar keine Partei für eine Theorie ergreifen , habe aber keine Beispiele für die Ableitung Gott = Gut gefunden.

Dies bitte nicht als Kritik missverstehen


Grüsse Kolag Hraban



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RE: "Entkrallte Freyja"

#6 von Kerry , 10.11.2015 01:43

Ich stimme bei vielem zu was ich hier gelesen habe, doch einiges auch nicht. So will auch ich meine bescheidene Meinung dazu geben. Da schon viel über Freyja selbst erwähnt worden ist werde ich eher versuchen auf die ihr unterliegenden Zuordnungen philosophisch einzugehen.

Zuerst erwähne ich kurz ein anderes Thema. Da Englisch meine Muttersprache ist muss ich sagen, dass der zitierte Englische Text für mich keine zwangsläufige Metal-Themen beinhaltet. Ich kann nicht garantieren, dass der Verfasser keine gemeint hat, doch die erwähnten Wörter und Wortbilder findet man auch in anderen Quellen, die nichts mit der Metal-Szene zu tun haben. Durch irgendetwas wurden ja auch die Wortbilder der Metal-Szene inspiriert.

Ehrlich gesagt, meine erste Reaktion als ich den Englischen Text gelesen habe war, dass Freyja vielleicht doch vergleichbarer wäre mit Inanna/Ischtar als ich zunächst gedacht hatte. Ich hatte schon Wunder genommen als meine Schwester mir letztens eine vogelähnlichere Erscheinungsform von ihr erwähnt hat, welche ich noch nicht Zeit gehabt habe genauer unter die Lupe zu nehmen, welche aber interessante Parallele aufzuweisen scheint zu einem der Darstellungen aus dem Nahosten, bei der man Ischtar vermutet. Da meine Vorstellung von den Göttern unter anderem auch evolutionär geprägt ist, nämlich dass einige Götter/Göttinnen aus verschiedenen Mythologien möglicherweise auf die gleiche Gestalten zurückgehen können (womit ich nicht behaupten will, dass alle Götter, die den gleichen mythologischen Ursprung haben, auch von dem gleichen Wesen ausgelebt werden) erscheint es mir als nicht unmöglich, dass es da einst eine gemeinsame Quelle gegeben haben könnte. Inanna/Ischtar, die interessanterweise auch beflügelt und von Katzen (in ihrem Fall Löwen) begleitet war und auch als Liebesgöttin bekannt ist, verstand man zugleich als kriegerisch, erotisch, mütterlich und weise. Als weiterer Vergleich dient Hathor, die Ägyptische Göttin von, unter anderem, dem Liebesrausch. Sie wurde sogar von Re dafür bedankt, dass sie aufrührerische Menschen geschlachtet hat, weil es der grösseren Ordnung gedient hat. Ich könnte noch weitere Parallelen hinzu ziehen in denen Göttinnen mit ähnlichen Aspekten wie Freyja auch kriegerische Aspekte haben, doch dieses Schreiben soll nicht vor allem als Vergleich heidnischer Göttinnen dienen. Ich erwähne sie nur, weil ich vermute, dass die Ahnen wohlmöglich keinen Gegensatz zwischen lebenspendenden und zerstörerischen Aspekten der gleichen Göttin gesehen hätten. Ich sehe auch nicht ein wieso Freyja ein Teil der gefallenen Krieger bekommen sollte, wenn sie keinen kriegerischen Aspekt hätte.

Was mich am Absolutismus stört ist, dass es allzu häufig doch mit menschlichen Vorstellungen geprägt ist und daher oft Haare spaltet und doch Zusammenhänge überseht. Da es ja theoretisch unmöglich ist in unserer jetztigen Gestalt das Absolute zu verstehen ist das auch sehr verständlich. Dennoch habe ich vom Begriff „allumfassende Liebe“ eine leicht andere Interpretation, die von einer eher makroskopischen Perspektive geprägt ist. Ich verstehe nämlich alle Gegensätze als Sachen, die vom Standpunkt der Ewigkeit den gleichen Ursprung haben. Daher verstehe ich unter bedingungslose, alles durchströmende Liebe sowohl die Liebe, die Neues hervorbringt, als auch die Liebe, die zu ihrer Erhaltung beiträgt, aber auch die Liebe, die zur Disziplin und evtl. auch zur Zerstörung führt. Daher besteht für mich überhaupt kein zwangsläufiger Grund anzunehmen, dass es einen Widerspruch gäbe zwischen diesen verschiedenen Formen der Liebe. Da die Existenz der ersten der erwähnten Formen der göttlichen Liebe hier unumstritten zu sein scheint werde ich mich darauf konzentrieren die letzteren zwei und ihre Beziehungen zum kriegerischen Aspekt anhand „positiver“ Beispiele in Worte zu fassen.

Die Liebe, die Leben erhält, kann man in verschiedenen Formen wiederfinden. Ich verstehe unter Fruchtbarkeit nicht nur Fortpflanzung (was man vielleicht eher im schöpferischen Aspekt der Liebe widerspiegelt findet) sondern auch Gedeihen, ohne dessen die Fortpflanzung schwer wenn nicht sogar unmöglich wird. Das sieht man unter anderem daran, dass bei Frauen mit Essstörungen wie Anorexia die Mens gestört wenn nicht sogar völlig ausfallen kann. Da wir keine Pflanzen sind müssen wir folglich, unter anderem, essen um fruchtbar zu sein. Dafür essen wir täglich die Leichen von Pflanzen und/oder Tieren: anders geht es für uns nicht. Man kann dieses Vorgehen interpretieren, dass die Stärkeren und/oder die Weisesten überleben. Man kann es auch interpretieren, dass wenigstens ein Teil dessen was wir essen sich aus Liebe hingegeben hat, damit wir leben können. Meiner Erfahrung nach ist dieser zweite Weg, bei der Liebe als den Zweck des eigenen Todes verstanden wird, eher bei Pflanzen aufzufinden als bei Tieren, was zu einer unterschiedlichen Frequenz führt, doch es gibt immer wieder Ausnahmen auf beiden Seiten.

Es gibt aber auch andere Formen, durch welche die Liebe zur Erhaltung des Lebens beiträgt. Man findet immer wieder Geschichten über Mütter, die ungeheuere Kräfte entwickeln wenn es darum geht ihre Kinder zu retten. Zwar ist es heutzutage etwas seltener als in alter Zeit, dass eine Frau zur Kriegerin werden muss um ihre Kinder zu schützen, doch kann man nicht bestreiten, dass sie in solchen Fällen aus Liebe handelt. Eher findet man in den Nachrichten ab und zu Vorfälle, in denen z. B. eine Mutter in der Lage ist ein Auto alleine anzuheben um ihrem darunter gefangenen Kind die Flucht zu ermöglichen. Die wohl beste Formulierung dieses kriegerischen Aspektes des Weiblichen findet man bei Kipling im Gedicht „The Female of the Species“, besonders in diesen Strophen:

But the Woman that God gave him, every fibre of her frame
(Aber die Frau, die ihm Gott gegeben hat, jeder Faser ihres Körpers)
Proves her launched for one sole issue, armed and engined for the same;
(Beweist sie ins Leben gerufen für eine einzige Aufgabe, bewaffnet und entwickelt für dieselbe;)
And to serve that single issue, lest the generations fail,
(Und um dieser einzelnen Aufgabe zu dienen, auf dass die Generationen nicht scheitern,)
The female of the species must be deadlier than the male.
(Muss das Weibchen der Spezies tödlicher sein als das Männchen.)

She who faces Death by torture for each life beneath her breast
(Sie, die den Foltertod riskiert für jedes Leben unter ihrer Brust,)
May not deal in doubt or pity—must not swerve for fact or jest.
(Muss sich nicht mit Zweifel oder Mitleid befassen—darf nicht wegen Tatsache oder Scherz ausweichen.)
These be purely male diversions—not in these her honour dwells—
(Diese sind rein männliche Ablenkungen—nicht in diese ruht ihre Ehre—)
She the Other Law we live by, is that Law and nothing else.
(Sie, das andere Gesetz, nach der wir leben, ist dieses Gesetz und nichts anderes.)

She can bring no more to living than the powers that make her great
(Sie kann nicht mehr ins Leben bringen als die Kräfte, die sie groß machen)
As the Mother of the Infant and the Mistress of the Mate.
(Als die Mutter des Säuglings und die Geliebte des Gefährten.)
And when Babe and Man are lacking and she strides unclaimed to claim
(Und wenn Baby und Mann fehlen und sie unbeansprucht erstrebt)
Her right as femme (and baron), her equipment is the same.
(Ihr Recht als Frau (und Baronin) zu ergreifen, ihre Ausrüstung ist die gleiche.)

She is wedded to convictions—in default of grosser ties;
(Sie ist an Überzeugungen festgebunden—als Voreinstellung vor grösserer Bindungen;)
Her contentions are her children, Heaven help him who denies!—
(Ihre Streitursachen sind ihre Kinder, und der Himmel helfe ihm, der sie zurückweist!—)
He will meet no suave discussion, but the instant, white-hot, wild,
(Er wird keine höfliche Diskussion auffinden, sondern das sofort weiß-glühende, wilde,)
Wakened female of the species warring as for spouse and child.
(Erwachte Weibchen der Spezies, die ihn für Ehepartner und Kind bekriegt.)

Im Gedicht zeigen sich zwar auch die Gedanken der Zeit, in der er geschrieben hat, doch sind auch universelle Wahrheiten darin verborgen. Zur Verteidigung Kiplings gebe ich aber noch eine spätere Strophe hinzu, in dem er andeutet, dass Männer vielleicht doch mehr auf Frauen hören sollten:

So it comes that Man, the coward, when he gathers to confer
(So kommt es, dass der Mann, der Feigling, als er sammelt zur Besprechung)
With his fellow-braves in council, dare not leave a place for her
(Mit seinen Mitstreitern im Rat, es nicht wagt ihr einen Platz zu überlassen)
Where, at war with Life and Conscience, he uplifts his erring hands
(Wo, im Krieg mit Leben und Gewissen, er seine irrende Hände erhebt)
To some God of Abstract Justice—which no woman understands.
(Zu einem Gott der abstrakten Gerechtigkeit—den keine Frau versteht.)

Bei der Liebe, welche zur Erhaltung des Lebens führt, gibt es aber ein weiteres Thema: die Aufrechterhaltung des ökologischen Gleichgewichts, folglich eines Systems, in dem Leben und Tod beide notwendig sind um das Leben als ganzes gesehen zu fördern. Meiner Meinung nach wird dieses am besten erklärt durch eine Inuit-Geschichte darüber, wieso die Karibou und die Wölfe Brüder sind. Um es kurz zu fassen, die Menschen brauchten Nahrung und Kleider und Unterschlupf und ähnliches, also schickten die Götter die Karibou zu ihnen. Jedoch ergab sich ein Problem: die Menschen jagten die stärksten, gesundesten Tiere und, mit der Zeit, wurden die Karibou daher immer schwächer und kränklicher. Die Menschen baten die Götter darum, die Karibou wieder stark zu machen. Als Antwort schickten die Götter Wölfe und sie lösten tatsächlich das Problem. Weil sie die schwachen, kränklichen Karibou jagten, wurde die ganze Spezies gestärkt und die Menschen hatten immer starke, gesunde Karibou, die sie jagen konnten.

Wenn die Liebe zu Zerstörung führt, so gilt es oft solche, grössere System zu bewahren, welche es allem Leben ermöglichen besser zu gedeihen. Darunter kann man auch Vorfälle finden, welche die moderne Wissenschaft beschreiben kann und daher oft glaubt viel besser zu verstehen als es das vielleicht wirklich tut. Allmählich wird es vielen Menschen mehr und mehr klar, dass die Klimaveränderungen, zu welchen der Mensch beiträgt, immer mehr Wetterextremen herbeigeführt haben. Man kann den Zusammenhang rein wissenschaftlich verstehen oder die daraus folgende Katastrophen als eine gut gemeinte Warnung der Götter ansehen, dass die Ordnung der Welt, die alles Leben erhält, nicht gestört werden sollte: dass unsere Teilnahme an der Veränderung nicht nur unser aller Leben, sondern auch das vieler anderen Spezies gefährdet. Auch wenn bei der Ausführung dieser Warnungen eher andere Götter als Freyja in den Vordergrund rücken, so könnte man dennoch darin die bedingungslose und universelle Liebe zu allem Leben erkennen welche, wie Eltern, nicht vor Disziplin zurückschreckt um ihre Kinder in die richtige Bahnen zu lenken. Hierbei muss aber auch angedeutet werden, dass das Leben selbst viel robuster ist als wir Menschen es sind. Wenn wir diesen Gleichgewicht zerstören, so wird es zu viel Tod führen, doch auch zu neuen ökologischen Nischen, die sicher irgendwann durch die ständig fortbestehende Evolution gefüllt werden.

Daher empfinde ich es, auch bei der Interpretation von Freyja als die Verkörperung von allumfassender Liebe, durchaus nicht als widersprüchlich ihr auch einen kriegerischen Aspekt zu gönnen. Ich habe ein paar erwähnt, doch es gibt auch weitere Parallelen in denen Göttinnen mit ähnlichen Aspekten wie sie auch eine kriegerische Rolle übernehmen. Auf dieser irdischen Ebene gibt es kein Leben ohne den Tod und auch die Ordnungssysteme der Natur funktionieren nicht ohne ihn. Vielleicht sollten wir daher Freyja mit der Gestalt der Herrscherin im Tarot vergleichen, welche auch für sowohl Leben wie auch Tod verantwortlich ist.


"Ich strebe nicht nur danach, in den Fussstapfen der Ahnen zu treten: ich suche das was sie gesucht haben."
"Wahre Stärke ist die Blume der Weisheit, doch ihr Samen ist das Handeln."

 
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RE: "Entkrallte Freyja"

#7 von Haselzweig , 30.01.2020 15:11

Entschuldigt für das Ausgraben dieses Threads;
Aber ich hatte grad einen spontanen Gedanken dazu:

Vielleicht könnte man sie mit einer Geburt vergleichen,
die oft ein blutiger und schmerzerfüllter Kampf ist,
Vielleicht mit dem Glück einer Mutter,
die den Schrei ihres Neugeborenen hört,
Vielleicht mit der Trauer Mutter,
die ihr Kind nicht atmend findet.

Vielleicht könnte man sie mit einer Mutter vergleichen,
Der Wärme in der Nacht eines Säuglings,
Vielleicht mit der Kraft aus der Liebe, die aus der Tiefe kommt,
Gefahren zu trotzen die zum Aufgeben zwingen,
Vielleicht mit der Kraft aus der Liebe, die wie Feuer brennt,
Gefahren zu suchen die den Tod spotten.

Vielleicht könnte man sie mit der Kraft aus der Liebe vergleichen,
Dem Faden der das Herz des Kindes am schlagen erhält,
Vielleicht könnte man sie mit Berkana vergleichen,
Langsam und stetig weiterwachsend,
Vielleicht könnte man sie mit Berkana vergleichen,
In sich sein Gleichgewicht finden und zur Ruhe kommen.

Vielleicht könnte man sie mit Berkana vergleichen,
Dem Schutz der jungen Mädchen.
Vielleicht könnte man sie mit Glut vergleichen,
Aus zwei Augenpaaren wachsend die Flamme der Lust.
Viellecht könnte man sie mit Glut vergleichen,
die pulsierend aufflammt und noch lange glüht.

Vielleicht könnte man sie mit Glut vergleichen,
Die die Wärme im Leben nie ausgehen lässt.
Vielleicht könnte man mit dem Tod vergleichen,
Der gnädig alle Schmerzen nimmt.
Vielleicht könnte man sie mit dem Tod vergleichen,
Der zudeckt, wenn der Tag sein Ende fand.

Vielleicht könnte man sie mit dem Tod vergleichen,
Der weiss wann die rechte Zeit ist.
Viellecht könnte man sie mit allem vergeichen,
Und sie wäre uns stehts zu nah,
Vielleicht könnte man sie mit allem vergleichen,
Und würde doch nie Ihren Kern erfassen.

Vielleicht könnte man sie mit allem vergleichen,
Und sie würde nicht beschrieben werden wollen.
Vielleicht könnte man sie mit einer Geburt vergleichen,
Ein Wunder, für dass Worte zu schwach sind.
Vielleicht könnte man sie mit einer Geburt vergleichen,
Einem Fall, in dem Thesen nicht greifen.

. . .

Vielleicht könnte man mich mit einer Katze vergleichen,
Die nicht lesen kann und nicht schreiben,
Vielleicht könnte man mich mit einer Birke vergleichen,
Die den sanften Wind in den Zweigen fühlt.
Vielleicht könnte man mich mit einer Birke vergleichen,
Die sich biegt in Wind und Regen
Und stets auf unbeschriebenes lauscht.







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edit: tippfehler

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zuletzt bearbeitet 30.01.2020 | Top

   

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